Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im... Men to (re)watch (21) –  Günther Happich (KW 21)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im Konjunktiv stecken blieb, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt radikal verändert haben oder sonst außergewöhnlich waren und sind: Sei es, dass sie sich nach dem Fußball für ein völlig anderes Leben entschieden haben, schon während ihre Profizeit nicht dem gängigen Kickerklischee entsprachen oder aus unterschiedlichen Gründen ihr Potenzial nicht ausschöpften. Auf jeden Fall wollen wir über (Ex)-Fußballer reden, die es sich lohnt auf dem Radar zu haben oder diese (wieder) in den Fokus zu rücken. Wir analysieren die Umstände, stellen Fragen und regen zum Nachdenken an. Heute sprechen wir über einen leider viel zu früh verstorbenen Kicker, dem die große Karriere nicht vergönnt war…

In der 84. Minute kam Günther Happich zu seinem WM-Debüt: Im Spiel gegen Brasilien wurde er für Edi Krieger eingewechselt und spielte im Mittelfeld zwischen Kreuz und Prohaska. Es sollte sein einziger WM-Einsatz bleiben, der mit einer 0:1-Niederlage gegen die Seleção endete. Nicht wenige sagten dem Spieler zu dieser Zeit eine große Karriere voraus, denn der Allrounder verfügte über gute Anlagen und suchte einen Spitzenklub, bei dem er reifen und sich für weitere Einsätze in der Nationalmannschaft empfehlen konnte. Damals, im Sommer ’78, wechselte Happich auf die Überholspur seiner Karriere, er konnte allerdings nicht ahnen, dass ihm das Schicksal nicht wohlgesonnen war…

Maus aus Dornbach

Happichs Leben begann am 28. Jänner 1952 in Wien. Sein Fußballtalent wurde auf kuriose Art und Weise entdeckt: Familie Happich siedelte 1957 aus dem 5. Wiener Gemeindebezirk nach Wien‑Hernals um. Klein-Günther langweilte sich während seine Eltern und die Umzugsfirma damit beschäftigt waren Möbel und andere Habseligkeiten aus dem Transporter zu laden, so schnappte er sich seinen Fußball und schickte sich an an seiner Schusstechnik zu feilen – sofern man bei einem Fünfjährigen davon sprechen kann. Es kam, wie es kommen musste und letztendlich gingen die Scheiben der elterlichen Kredenz zu Bruch. Vater Happich schickte sich postwendend an seinen Filius abzuwatschen, einer der Möbelpacker wusste jedoch einzulenken und riet Happich Senior seinen Buben stattdessen doch bei einem Fußballverein anzumelden. Günthers Vater ließ sich überreden und stapfte Hand in Hand mit seinem Junior zum nächstgelegenen Verein.

Dort, beim Wiener Sport-Club, erkannte man Günthers Anlagen und so durchlief er sämtliche Jugendmannschaften. Happich war vielseitig, wurde auf fast jeder Position eingesetzt und sollte auf stattliche 1,80 Meter heranwachsen. Seine technischen Fähigkeiten und seine Übersicht machten ihn letztendlich zu einem wunderbaren Defensivallrounder. Der damalige WSC‑Kampfmannschaftstrainer Erich Hof entdeckte ihn schließlich als Libero und zog ihn in die Einser-Mannschaft der Hernalser hinauf. Hof riet ihm einige Kilos zuzunehmen, um bei den Schwarz-Weißen zu reüssieren: „Kraft hast du wie eine Micky Maus…“. Zehn Kilo schwerer avancierte Happich in einer Mannschaft mit Peter Pacult, Karl Brauneder und Wolfgang Kienast schließlich zum gesetzten Mittelfeldspieler.

Happich war ein feiner Techniker mit Top-Übersicht, konnte aber am Feld auch zur „Grätzn“ mutieren. Abseits des Platzes beschrieben ihn Bekannte als ruhig und sympathisch. Er erlernte den Beruf eines KFZ‑Mechanikers und agierte zunächst als Amateur. In acht Jahren bei seinem Stammverein absolvierte er 65 Spiele für die Hernalser und glänzte dabei auch als verlässlicher Elfmeterschütze: So verwandelte der Kapitän in seiner Abschiedssaison zwanzig Strafstöße.

Seine Spielweise führte jedoch dazu, dass er immer wieder ‑ insbesondere wegen Knöchelblessuren ‑ Spiele verpasste und in seiner Entwicklung gehemmt wurde. Happich wurde daher erst im reifen Alter von 26 Jahren in die Nationalmannschaft einberufen. Nachdem er sein Debüt gegen Griechenland am 15. Februar 1978 gefeiert hatte, beendete er seine Tätigkeit in der Autowerkstatt um Vollprofi zu werden und entschloss sich die Dornbacher zu verlassen. Nach der Weltmeisterschaftsendrunde bekam der Spieler Angebote aus Innsbruck, von Rapid und Austria und auch das Ausland lockte den gebürtigen Wiener. Der Vater eines Kleinkindes wollte jedoch in seiner Heimat bleiben und unterschrieb bei den Grün-Weißen.

Falsche Freunde

Fatalerweise sollte der laufstarke Defensivspieler im Wiener Westen aber kein Glück haben: Er verletzte sich am 4. August 1979 in einem Intertoto-Cup-Match so schwer, dass er drei Monate ausfiel und erst im kommenden Frühjahr wieder langsam in die Mannschaft zurückfand. Bei Rapid hatte man keine Geduld mit dem früheren Taktgeber des Sport-Clubs und transferierte ihn zu seinem Stammklub zurück. Dort knüpfte er zwar an frühere Tage an, schaffte es aber nicht Konstanz in seine Leistungen zu bringen. Nach drei Jahren wechselte er zur Vienna, wo er ein Jahr später seine Profikarriere beendete.

Der langjährige Sport-Club Masseur Otto „Stopperl“ Fodrek, eine Alt-Legende des Wiener Fußballs, erinnerte sich in seiner Autobiografie an den ruhigen und talentierten Kicker und behauptete, dass die Pausen, die Happich aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit immer wieder benötigte, ihn letztendlich daran hinderten nach seiner schweren Verletzung als Rapid-Spieler wieder Fuß zu fassen. In diesen Zeiten der Rehabilitation hätten sich „gute Freunde“ eingefunden, die den Wiener nicht gerade zu einem asketischen Lebensstil verführt hatten. Will sagen: Happich geriet in ein Milieu, indem nicht nur Alkohol getrunken wurde. Fodrek vermeinte, dass der Mittelfeldspieler auch wegen gelegentlichen Drogenkonsums seinen Körper nicht mehr auf Topniveau hieven konnte. Schließlich bildeten zwei verlorene Cupfinali in den 70ern, fünf Teameinsätze, die WM-Teilnahme und der Vertrag beim österreichischen Rekordmeister die Höhepunkte der Karriere Happichs.

Zehn Jahre nach dem Ende seiner Profilaufbahn erlag der einstige WSC-Kapitän nur 43-jährig einer Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankung. Der ehemalige Mittelfeldspieler starb am 16. Oktober 1995 und fand seine letzte Ruhe im Familiengrab in Wien-Hernals. Nur einen Steinwurf entfernt von jenem Ort, an dem er einst seine größten Erfolge als Fußballer feierte, liegt mit Günther Happich einer der vielversprechendsten Wiener Kicker, dessen große Karriere leider wie eine Seifenblase zerplatzt war.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag