Österreichs Stadionsprecher im abseits.at-Talk (2): Die Stimme Rapids, Andy Marek
Bundesliga 24.Mai.2016 Harald Heeberger 0
Andy Marek ist wohl die den Stadionbesuchern Österreichs bekannteste Moderatorenstimme. Seit nunmehr über 20 Jahren moderiert er die Spiele des SK Rapid Wien sowie des österreichischen Nationalteams in Wien. Als Rapid-Fan von klein auf meldete er sich 1992 auf eine Zeitungsannonce auf die Anzeige Rapids „Stadionsprecher gesucht“. Der Rest ist Geschichte.
Nach verschiedenen Moderatorentätigkeiten, Produktion von Platten und einer Gesangskarriere startete er bei seinem Lebensklub und hat seither kein Spiel versäumt. In dieser Funktion durfte er auch schon in München, Manchester, Turin, Istanbul, Paris, Brüssel, Lissabon, Bordeaux, Brügge und vielen weiteren Stadien sprechen. Doch was steckt hinter seinem Beruf, seiner Leidenschaft?
Was ist ein Stadionsprecher?
Das definiert jeder anders. Für den einen ist es Selbstdarstellung, für den Anderen das Überbringen von Informationen für die Stadionbesucher. Dann gibt es wieder den Punkt Stimmungsmache. Jeder definiert das für sich anders, wobei man aufpassen muss, sich nicht selbst zu wichtig zu nehmen.
Das Wichtigste ist immer noch, dass im Stadion alles ordentlich über die Bühne geht und eine gute Stimmung vorherrscht. Es ist von Sprecherseite in meinen Augen nicht wichtig, das gleiche Entertainment-Programm vor 50 wie vor 50.000 Leuten aufzuziehen. Das kann dann peinlich wirken, gibt es aber auch. Darum immer: Alles mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl.
Was war damals der Antrieb zur Meldung auf die Annonce Rapids?
Es war für mich ein ganz klarer Antrieb: Ich merkte, dass zu diesem Zeitpunkt viel mehr geht, viel mehr Potenzial vorhanden ist. Moderation im eigentlichen Sinn war es ja nicht. Ein klassischer Platzsprecher hat etwa nur gesagt: „Spielerwechsel“ und sonst nicht viel mehr. In punkto Unterhaltung und Entertainment gab es also viel Luft nach oben.
Gibt es in dieser Tätigkeit einen persönlichen Lernprozess bzw. adaptiert man etwas aus anderen Stadien?
Es wäre überheblich, wenn ich sagen würde, das tue ich nicht. Das „Bitte-Danke“ habe ich aus München mitgenommen, von 1860. Aber abgesehen davon wollte ich schon immer sehr eigenständig sein und nicht kopieren. Man sieht einige Dinge, die auch mit dem Ablauf, dem Rahmenprogramm zu tun haben. Davon kann man viel lernen. Aber jemand anderen kopieren, das wollte ich nie, sondern eher meine persönliche Note mit einbringen.
Was kann man, darf man als Stadionsprecher neben den Verpflichtungen gegenüber den Fans, den Musikpausen?
Spielraum hast du immer, weil du einfach viel Zeit hast – im Vorfeld, in der Pause oder nach dem Match. Es ist aber auch hier eine Gratwanderung: Ist der Spielraum dazu da, um dich selbst darzustellen oder um etwas beizutragen, damit es von der Stimmung her emotionaler wird? Der eine macht es so, der andere so. Wenn ich in London im Stadion sitze, denke ich mir bei den Beobachtungen manchmal: „Sag doch etwas, irgendwas!“ In manchen Stadien in Österreich denke ich mir aber auch schon mal: „Es ist genug, willst du nicht einfach ruhig sein?!“
Muss man auch in Ihrer Tätigkeit viel Kritik einstecken?
Was ist Kritik? Kritik ist Neid. Ich muss mich nicht nächtelang in Foren einloggen und sehen, was andere Leute von einem halten. Es wird immer so sein, dass man es nicht allen recht machen kann. Thomas Gottschalk bekommt ebenso wie Günther Jauch viel Kritik, obwohl sie wahrscheinlich die Besten ihres Fachs sind. Das wird immer so sein.
Wie weit kann man in das Geschehen auf den Rängen eingreifen?
Da ist der Aktionsradius sehr weit, da gibt es viel Potenzial! Du kannst alles beeinflussen. Du kannst, wenn du Profi bist, viel steuern in Sachen Deeskalation und mithelfen, das Ganze in den Griff zu bekommen. Genauso gut, und das ist ein Negativbeispiel, kannst du mit einem Blödsinn eine Panik auslösen. Du hast also viel Verantwortung. Wer das nicht begreift, sollte gleich als Stadionsprecher aufhören.
Wie ist die Verantwortung den Gäste-Fans gegenüber?
Es ist nicht immer leicht, hier zu steuern. Manchmal gelingt es, manchmal nicht. Wichtig ist nur, dass man nicht wie ein Oberlehrer agiert und von oben herab daherkommt.
Ist eine enge Verbindung zu Fans ein Muss? Sollte man das Ohr beim Volk haben?
Ja, das empfinde ich als ganz wichtig. Wenn du diesen Kontakt nicht hast, dann bist du nur Selbstdarsteller. Dann geht’s nur darum, das Mikrofon aufzudrehen und eine Show abzuziehen. Wenn du nicht die Probleme und Wünsche kennst, kannst du nicht darauf eingehen. Für mich war das nie ein Job, sondern tiefste Emotion! Gemeinsam mit den Fans eine wunderbare Atmosphäre erzeugen – das ist das Schönste! Manchmal habe ich gemerkt, dass ich gar nicht notwendig bin, manchmal schon. Ich habe immer schon eine extreme Fanbindung aufbauen wollen, bereits als ich zuhause noch meine eigene Firma hatte.
Wie hat sich das „eigene Spiel“ entwickelt?
Von ganz unten: Ich kann mich an den Minusrekord von 1.100 Zuschauern gegen Wacker Innsbruck erinnern, und das bei einem Heimspiel. Das wäre heute undenkbar. Du hast dir früher eine Karte gekauft und aus. Unsere Zielsetzung war dann, den Fans zusätzlichen Service zu bieten, der vom Karten-Vorverkauf bis zu Auswärtsreisen reicht. Das haben wir alles über unser Klubservice als Dachmarke aufgebaut.
Als Musikfan – der sie unzweifelhaft sind – wie wichtige ist diese?
Du kannst musikalisch ein Wohlbefinden erzeugen, aber es auch wieder nicht Jedem recht machen.
Es gibt so viele verschiedene Zielgruppen und Musikrichtungen, da ist es ganz schwierig. Jede Minute „Hands up in the Air“ zu spielen, ist etwa ein Unding. Generell soll man sich als Besucher einfach wohl fühlen und da spielt Musik auch eine große Rolle.
Wenn Sie Ihre 24 Jahre revue passieren lassen, was sind No-Gos?
Ein No-Go ist, wenn du in dieser Arena, diesem Stadion, diesem Platz, das Gefühl für dich haben willst, dass du der Wichtigste bist. Wichtig sind die Fans, die Spieler, der Gegner, der Schiedsrichter, sonst kann man nicht spielen. Aber wie manche Stadionsprecher aufs Feld marschieren und selbstbewusst eine Mannschaftsaufstellung zelebrieren und erwarten, dass alle die Nachnamen sagen, was nicht passiert und er zelebriert weiter… das ist einfach am Publikum vorbei und realitätsfremd.
Wann ist es ein guter Arbeitstag gewesen? Wenn alle glücklich aus dem Stadion gehen?
Zu Beginn war es das, es reichte eine gute Atmosphäre. Durch die steigende Verantwortung sind auch die Ansprüche und Aufgaben vielfältiger und komplexer geworden.
Sind die eigenen Highlights an Highlights des Klubs gebunden?
Nicht zwingend. Natürlich waren es besondere Erlebnisse, in der Champions League oder Europa League, wo die UEFA mit einem großen Team kommt und einen unterstützt. Aber es gibt auch viele kleinere, gewöhnliche Spiele, von denen du viel mitnehmen kannst und die dich professioneller machen.
Ist es Unterstützung?
Auf jeden Fall. Die Kollegen der UEFA sind in ihrer Arbeit Vollprofis und das musst du auch schätzen. Wenn du dich durch ihre Unterstützung beschnitten fühlst, dann machst du schon deinen ersten Fehler und bist wieder nur ein Selbstdarsteller. Es geht nicht um mich, es geht um das Gesamtprodukt. Wenn ich da Profis an der Seite habe, ist es das Schönste was es gibt. Wenn ich etwas sagen soll, was nicht ganz passt, bringe ich das zum Ausdruck. Aber ich habe auch solche Situationen gerne, es ist mein Grundprinzip, dass ich am liebsten mit Profis arbeite.
Gibt es bei Ihnen selber noch Felder, welche zu optimieren sind, ihre eigene Performance steigern können?
Die gibt es immer. Bei mir ist es nie nur ein Job. Ich moderiere einen Gala-Abend und denke mir als Erstes: Es wird so viel ausgegeben für das Fest und der Auftraggeber möchte, dass alles gut läuft. Ich wiederum will, dass mein Auftraggeber nicht nur zufrieden mit mir ist. Ich möchte dass er zufrieden ist mit seiner Veranstaltung und da bin ich ein Bestandteil. Wie wesentlich? Eventuell sehr! Es gibt Kollegen, denen das Finanzielle am Wichtigsten ist. Wichtiger ist mir, dass das, wofür man engagiert wird, alles passt. Mein Auftraggeber soll gut präsentiert werden. Das ist das Geheimnis eines guten Moderators.
Das Interview führte Harald Heeberger.
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