Peter Stöger als Austria-Trainer: Der Spagat zwischen Chance und Gefahr
Bundesliga 4.August.2020 Dalibor Babic
Nach dem vorzeitigen Abschied von Christian Ilzer von der Wiener Austria, wurde dessen Nachfolger nun bestellt. Letztlich war es doch überraschend, dass sich Sportvorstand Peter Stöger tatsächlich dazu entschloss und bereiterklärte, den Posten als Trainer in Personalunion mit seiner bisherigen Funktion zu übernehmen. Es bröckelte bereits die Fassade des Entschlusses, vorerst nicht mehr als Trainer arbeiten zu wollen, als Stöger nach dem Abgang Ilzers diese Möglichkeit nicht dezidiert ausschloss. In vielerlei Hinsicht bietet diese Möglichkeit eine Chance für die Austria auf einen international angesehenen Fachmann, denn man wohl unter den aktuellen Bedingungen ansonsten nicht bekommen hätte. Allerdings ist dieser Entschluss wiederum auch nicht gefahrenlos und Stöger stellt sich zweifellos einer großen Herausforderung.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Das „englische Modell“ des Managers soll also in der kommenden Saison bei der Wiener Austria Einzug halten. Zwar werden selbst in England immer häufiger Sportdirektoren bestellt (u.a. bei Chelsea oder Manchester City), doch dieses Modell erfreut sich auf der Insel nach wie vor großer Beliebtheit. Dass es bei nur sehr wenigen Vereinen international in der Form umgesetzt wird, überrascht dabei nicht. Wenn man einem einzigen Mitarbeiter so viel Verantwortung und Macht übergibt, stellt sich immer die Frage der Nachhaltigkeit. Daher ist es bei englischen Vereinen auch üblich, dass mit einer Entlassung alles auf den Kopf gestellt wird und man de facto wieder bei Null beginnt. Ganz so drastisch wird es bei der Austria wohl nicht ausfallen, da man die sportlichen Leitlinien schon seit geraumer Zeit intern herausgearbeitet hat und nun schlichtweg gefragt ist, für die Umsetzung zu sorgen.
Ironischerweise darf sich nun genau die Personalie, die diese Leitsätze maßgeblich definiert hat, ranmachen, diese so einzuhalten und für eine passende Umsetzung zu sorgen. Dabei hätten die Violetten wohl keine hochkarätigere und fachlich kompetentere Person an Land ziehen können, als es Peter Stöger mit seiner Reputation ist. Stöger bewies schon mehrmals seine fachlichen Fähigkeiten, sticht vor allem mit seiner Teamentwicklung hervor und schafft es, die Spieler dank seiner Menschenführung nicht nur hinter sich zu vereinen, sondern alle Kaderspieler bei Laune zu halten. Darüber hinaus agiert er inhaltlich hochmodern, möchte von seiner Truppe ein dominantes Auftreten sehen und jegliche Phasen des Spiels beherrschen. Mit diesen Zutaten gelang es Stöger bekanntlich im Jahre 2013 den letzten Meistertitel der Violetten nach Wien-Favoriten zu holen. Ein auf Ballbesitz ausgelegtes 4-3-3, was mit einer starken und meist flachen Ballzirkulation zu überzeugen wusste und durch ein giftiges Gegenpressing garniert wurde, mit dem man die jeweiligen Gegner vom Tor fernhalten konnte.
Klar ist aber auch: Qualitätsspieler wie Tomas Jun oder Florian Mader sind in der aktuellen Mannschaft nicht zu finden. Auf gewissen Positionen hat man nach wie vor Probleme und Limitierungen, die selbst Stöger nicht beheben wird können. Erschwerend kommt auch noch die finanzielle Situation hinzu, die der Austria zusetzt. Neuverpflichtungen sind de facto nicht geplant, da zuerst Spieler gehen müssten und man generell Einsparungen erzielen muss. Stöger verneinte zwar, dass der Hauptgrund für diese gewählte Lösung finanzieller Natur war, allerdings betonte er auch, dass durch den Abgang von Ilzer und des Trainerteams mehr Spielraum freigeschaufelt wurde. Diesen kleinen Spielraum wird man direkt in die Verpflichtung von Ur-Austrianer Markus Suttner reinvestieren, wobei Suttner der Austria dabei finanziell mehr als nur auf halber Strecke entgegenkommt. Mehr ist allerdings auch nicht drin und die Austria wird für alles weitere auf Abgänge warten müssen. Man hat zwar einigen Spieler bereits mitgeteilt, dass sie sich nach neuen Vereinen umsehen können, allerdings haben sich nur wenige Akteure in der letzten Saison mit Ruhm bekleckert oder konnten Eigenwerbung betreiben, was die Vereinssuche erschwert.
Was kann man sich von der Austria erwarten?
Daher wird sich Peter Stöger daran halten müssen, aus dem nahezu gleichen Kader wesentlich mehr herauszuholen, als es seinem Vorgänger Christian Ilzer gelang. Wie realistisch das ist, bleibt vorerst abzuwarten. Klar hatte Ilzer in seiner Amtszeit nicht alles richtiggemacht und seinen Beitrag zur schlechten Saison geleistet, doch der Kader wies nichtsdestotrotz gehörige Defizite auf, sei es von der Homogenität der Zusammenstellung, vom physischen Aspekt oder in punkto der mangelnden Kreativität. Wären nicht Spieler wie Fitz oder Sarkaria im Verlauf des Herbstes in die Bresche gesprungen, hätte es in der vergangenen Spielzeit wohl noch düsterer für die Austria ausgesehen. Doch einen wichtigen Punkt bewiesen die „Veilchen“ dennoch in der vergangenen Saison: Dass man durchaus auf die eigene Jugend setzen kann.
Das bestätigten nicht nur jene Spieler, die den Sprung in die Kampfmannschaft bereits schafften, sondern vor allem die Young Violets in der zweiten Liga, die in der Abschlusstabelle nach einem katastrophalen Saisonstart noch einen bemerkenswerten vierten Platz erreichen konnten und noch dazu mit Harald Suchard den Trainer der Saison stellen. Stöger kündigte auch bereits bei seiner Einstands-Pressekonferenz an, dass einige Spieler der Young Violets zur Kampfmannschaft stoßen und ihre Chance erhalten werden (in den nächsten Tagen werden wir uns die Young Violets in einem eigenen Artikel genauer ansehen). Das kann man auch als Chance in der Krise sehen, denn aus der zweiten Reihe wachsen einige Talente heran, die teilweise großes Potenzial mitbringen und bereits mittelfristig in die Rolle eines Stammspielers heranwachsen könnten.
Stöger wird also vor allem in punkto Talenteentwicklung gefragt sein und diese schnellstmöglich an das Niveau der Bundesliga heranführen müssen. Schwankungen werden dabei wohl unumgänglich sein, was direkt die Frage nach der Zielsetzung für die kommende Saison aufwirft. Ohne weitere Verstärkungen und mit den aktuellen Mitteln, wird es wohl schwer sein, ganz oben an der Spitzengruppe dran bleiben zu können. Zwar ist man vom Potenzial her nicht so weit entfernt und in der Liga kann de facto jeder jeden schlagen, allerdings braucht es dafür eine gewisse Konstanz, die die Austria vor allem in der vergangenen Saison vermissen ließ.
Hier lauert auch die Gefahr für Peter Stöger, sich die Finger zu verbrennen. Es gibt wohl kaum schwierigere Umstände, mit denen man zurechtkommen muss, als jene in Wien-Favoriten. Die Kluft zwischen den Erwartungen des Umfelds und den Möglichkeiten, die tatsächlich zur Verfügung stehen, erscheint unüberbrückbar und garniert mit den finanziellen Problemen macht sich eine gewisse Tristesse immer mehr bemerkbar. Umso bemerkenswerter ist daher der Entschluss von Stöger, sich dennoch dieser Herausforderung zu stellen, auch auf die Gefahr hin, der eigenen Reputation keinen Gefallen zu tun. Auf der anderen Seite gibt es allerdings kaum einen geeigneteren Mann als Stöger, um die Austria aus dieser verfahrenen Situation herauszuholen und für den Anstoß in bessere Zeiten zu sorgen.
Dabei kommt ihm durchaus zugute, dass selbst die leidensfähigsten Anhänger mittlerweile ihre Erwartungen so weit gesenkt haben, dass bereits ein komfortabler vierter Tabellenplatz wohl als Erfolg gewertet werden würde. Stöger wird jedenfalls sein ganzes Können aufbringen müssen, um aus den Spielern eine eingeschworene Einheit zu formen und mit den jeweiligen Limitierungen fertig zu werden. Damit könnte er ein ordentliches Fundament für dessen Nachfolger vorbereiten und die Saat für eine erfolgreiche Zukunft legen. Damit könnte gewährleistet werden, dass die Austria wieder konstant in jenen tabellarischen Regionen anzutreffen ist, wo man sich selbst sieht. Langweilig wird es also in den nächsten Monaten in Wien-Favoriten definitiv nicht und es warten viele Aufgaben auf die Verantwortlichen der Austria.
Dalibor Babic, abseits.at
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