Im Rahmen der Aktion „Das ASB trifft“ sprachen die Chefredakteure Daniel Mandl und Stefan Karger mit Austria-Trainer Peter Stöger. Eigentlich war nur ein Artikel... Peter Stöger im abseits.at-Interview (4): „Bei Roland Linz ist immer Luft nach oben. Immer. Immer so gewesen!“

Im Rahmen der Aktion „Das ASB trifft“ sprachen die Chefredakteure Daniel Mandl und Stefan Karger mit Austria-Trainer Peter Stöger. Eigentlich war nur ein Artikel zum Thema geplant, aber das Interesse der Fans im Austrian Soccer Board war so groß, dass nun ein Vierteiler draus wurde, der heute und morgen veröffentlicht wird. Die Fragen der Fans wurden in chronologischer Reihenfolge gestellt – und hier sind Stögers Antworten!

Xaverl Nick: Lieber Peter, kann man einem Fußballfan in ein paar Sätzen die Vorzüge des „Napoli-Systems“ erklären?

Peter Stöger: Es ist ein 3-4-3, also ein System mit Dreierkette hinten. Es gibt dabei die Möglichkeit – die von Napoli aber nicht verwendet wird – dass man wie im 3-3-3-1 der Rieder hinten auf eine Fünferkette umschwenken kann. Napoli gibt im Defensivbereich auf der Seite Raum auf um das Zentrum zu sichern. Im Spielaufbau haben sie dann also eine Dreierkette, die Außenverteidiger rücken weit auf und ein Sechser lässt sich im Aufbau nach hinten fallen. Sie haben weniger Druck im Spielaufbau, weil sie an der Basis drei Anspielstationen haben und auf den Seiten nicht gepresst werden können. Der Spielaufbau erfolgt mehr durchs Zentrum als in anderen Systemen. Mir taugt das sehr, aber du brauchst dafür natürlich, wie in jedem System, die richtigen Spieler.

Purple Eagle: Wie zufrieden ist das Trainerteam mit dem Fitnesszustand von Dare Vrsic? Stimmt es, dass er körperlich nicht in allerbester Verfassung ist?

Peter Stöger: Er hat noch Luft nach oben, aber er bekommt seine Zeit. Auch wenn man es nicht für möglich halten will, wenn man ein negativer Geist ist, aber die Trainingsintensität ist bei uns eine andere als die, die Dare bereits kannte. Es passiert immer wieder, dass Spieler sagen, dass sie sich zuerst auf die Trainingsintensität einstellen müssen, aber Dare bekommt seine Zeit. Aber wir haben schon festgestellt, dass er ein außergewöhnlicher Fußballer ist und das beruhigt uns.

Purple Eagle: Wer wird, Stand heute, in Dornbirn beim Cup-Match das Tor hüten dürfen. Wird unter Umständen gar Ivan Kardum eine Chance erhalten, oder doch Pascal Grünwald?

Peter Stöger: Grünwald hat sich verletzt, er ist im Training ungut aufgekommen. Ich müsste jetzt lügen – Grünwald hat die erste Cup-Partie gespielt und es könnte sein, dass er weiterhin im Cup zum Einsatz kommt. Aber ich habe in diesem Bereich mit Franz Gruber meinen Spezialisten, der diese Frage mitentscheiden und mitverantworten wird. Aber egal wer bei uns im Tor stehen würde, ich hätte davor keine schlaflose Nacht.

Purple Eagle: Wie bewertest du ganz allgemein die Tormannsituation. Aus dem Selbstverständnis der Spieler haben (denk ich mal) mindestens zwei von ihnen den Anspruch zu spielen. Wie verhinderst du Grabenkämpfe zwischen den drei Jungs?

Peter Stöger: Sie müssen sich einfach der Situation stellen. Es ist natürlich schwieriger für einen Tormann in die Mannschaft zu kommen, aber ich habe genauso einige gute Leute auf der Bank und einige gute Junge, die ich bringen kann und genauso verhält es sich auch mit den drei starken Torleuten. Sie müssen die Lage akzeptieren und hart an sich weiterarbeiten.

Purple Eagle: Hast du Verwendung für Roland Linz? Über seine Qualitäten brauchen wir nicht sprechen. Auch die Tatsache, dass er von allen Spielern der Mannschaft (mit der Austria) mit Abstand die meisten Titeln gewonnen hat, ist unbestritten. Aber es scheint so, dass die Zeit der Strafraumcobra der Vergangenheit angehört. Früher haben 10 Spieler einen Spielzug durchgeführt und der elfte hat die Kugel bekommen und gescort. Heutzutage wird von Stürmern verlangt mitzuspielen, sich auch weiter hinten anzubieten. Sprich der Bewegungsradius hat sich mittlerweile auch nach außerhalb des Strafraums verlagert. Ist der Roli so ein Typ, der diesen „neuen“ Anforderungen entspricht/entsprechen kann?

Peter Stöger: Roli ist sicher ein Stürmer des „alten Schlags“, der aus wenigen Situationen etwas machen kann. Ich verlange von offensivsten Spielern schon, dass sie mitarbeiten, aber ich muss sie auch nicht unbedingt im eigenen Sechzehner sehen. Von der zentralen Spitze verlange ich das sowieso gar nicht, es gibt nur einige wenige Laufwege, die er mitarbeiten muss. Der Roli ist auch sicher im Stande, wenn er das will, das umzusetzen. Verwendung werde ich für ihn immer haben, wenn er Gas gibt und aufzeigt. Er hat ja auch schon in dieser Saison drei oder vier der bisher sieben Partien von Beginn an gespielt.

Daniel Mandl: Gibt er Gas?

Peter Stöger: Beim Roli ist immer Luft nach oben. Immer. Immer so gewesen.

austrianer87: Siehst du Sebastian Wimmer eher in der Innenverteidigung oder im defensiven Mittelfeld zuhause?

Peter Stöger: Der Basti kann beide Positionen spielen, davon bin ich überzeugt. Im Training probiere ich ihn natürlich auf beiden Positionen. Es stellt sich natürlich auch die Frage, auf welcher dieser Positionen dieser hochtalentierte Spieler eher die Möglichkeit hat in die Mannschaft einzurücken. Ich glaube, dass er ein Super-„6er“ werden kann. Aber wir hatten auch schon Überlegungen ihn zum Beispiel auf einer rechten Außenverteidigerposition anzuschauen, weil er ein schneller und technisch guter Spieler ist. Vielleicht ist also auch das eine weitere Option für ihn. Ich glaube, dass wir für junge Spieler Optionen schaffen müssen, damit sie Spielpraxis sammeln können. Aber ich glaube die beste Position für Sebastian Wimmer ist der „6er“.

Tanzbär: Lieber Herr Stöger, warum werden eigentlich so wenige Spieler verliehen? Würde es sich nicht bei einigen anbieten? Ich denke hier an Spieler welche zu alt und zu gut für die Amateure sind, aber bei der Kampfmannschaft nicht zum Zug kommen (zum Beispiel Mally, Koch, Leovac, Harrer).
Anders gefragt, glauben sie wirklich, dass sich ein Harrer in der Regionalliga Ost wirklich noch entscheidend verbessern kann?

Peter Stöger: Ein Harrer wird sich mit den Spielen in der Regionalliga Ost nicht verbessern, das stimmt schon. Aber dort bekommt er die Minuten, Einsätze, Spielpraxis. Verbessern kann er sich indem er übers ganze Jahr mit der ersten Mannschaft trainiert. Ein solch junger Spieler profitiert sicher sehr davon, dass er mit Juns und Kienasts zusammen trainieren kann. Das heißt nicht unbedingt, dass eine Leihe in die Erste Liga schlecht wäre, aber ich möchte ihn jetzt mal zumindest bis Winter hier bei mir haben und wir das selbst anschauen. Und dann werden wir eh weitersehen, wie sich der Kader entwickelt.

austrianer87: Wie viele Brillen hast du?

Peter Stöger: Viele. Zehn sicher. Ein Freund von mir ist Optiker und er ruft mich immer wieder wegen neuen Modellen an.

tifoso vero: Wäre das Risiko zu groß, wenn die Mannschaft noch 10 Meter weiter nach vorne rücken würde? Oder braucht es dazu noch mehr Spiel -und Selbstsicherheit?

Peter Stöger: Das wird hoffentlich noch wachsen. Wir sind momentan in einer Zone, in der wir gut aufgehoben sind und in der wir auch Bälle, die hinter unsere Verteidigung gespielt werden, noch verteidigen können. Man hat zum Beispiel in der Supercopa gesehen, dass eine Mannschaft – selbst so eine wie der FC Barcelona – verwundbar sein kann, wenn weite Bälle hinter eine hoch stehende Viererkette geschlagen werden. Das wollen wir uns in der österreichischen Liga ersparen, stehen deshalb nicht ganz vorne, aber vielleicht kommt auch das noch.

tifoso vero: Linz geht nach wie vor keine weiten Wege (aus einem Friesen wird wohl kaum mehr ein Lipizzaner) und mit Jun in der Mitte funktioniert es viel besser vor allem wenn man einen Gorgon und bald auch Hosiner und Stankovic zur Seite hat. Ohne Linz ist das Spiel viel schneller und dynamischer. Sehe ich das falsch?

Peter Stöger: Absolut richtig. Roland Linz ist kein dynamischer Stürmer, sondern einer für den Strafraum, der davon lebt, dass die Bälle in den Strafraum kommen und er sie verwerten kann. Ein Spiel ohne Toni Polster war auch dynamischer – das heißt aber nicht, dass es erfolgreicher war.

Daniel Mandl: Darfst dem Toni allerdings nicht sagen.

Peter Stöger: Naja, das weiß er. Ein Spiel mit Toni Polster jetzt ist zum Beispiel überhaupt nimmer dynamisch. Das kann ich auch beurteilen, weil ich immer noch so alle vier Wochen mit ihm zusammenspiele. Und trotzdem macht er noch immer seine Tore 😀

tifoso vero: Welche großen Vereine kommen deiner Spielphilosophie am nächsten?

Peter Stöger: Kann ich nicht sagen. Ich schau‘ allgemein lieber offensiv orientierten Fußball. Aber auch beim Barcelona-Spiel gibt’s Sachen, wo ich sage: Das ist mir zu viel. Zu viel Kurzpassspiel, zu viel klein-klein, zu viel durch die Mitte. Wenn ich das hier spielen lasse oder es versuchen würd, fragen mich die Leut‘ ob ich deppert bin. Es gibt Sachen, die mir bei Neapel sehr gut gefallen, es gibt Sachen, die mir von der Zielstrebigkeit bei Real Madrid sehr gut gefallen, es gibt Sachen, die mir bei Dortmund sehr gut gefallen. Man kann jetzt weder die Austria noch die gesamte österreichische Liga auf das umlegen oder herunterbrechen. Aber wenn du suchst, findest du überall etwas, das dir gefallen könnte und genauso etwas, das dir weniger gefallen wird.

tifoso vero: Wäre ein Nichterreichen eines CL-Platzes eine Enttäuschung für dich?

Peter Stöger: Vor der Saison haben wir ganz klar als Ziel ausgegeben, dass wir nächstes Jahr wieder international dabei sein wollen. Das ist die Grundzielsetzung vom Verein. Das ist wirtschaftlich und imagemäßig sehr wichtig für uns. Wenn nicht alle Stricke reißen werden wir das erreichen, davon gehe ich aus. Die Zielsetzung des Trainerteams und der Mannschaft ist die, ganz vorne dabei zu sein und wenn es schon mal zwei Champions League Plätze gibt, einen davon zu ergattern. Deshalb kann ich sagen, dass ich persönlich enttäuscht wäre, weil wir das als Ziel anvisieren.

Xaverl Nick: Was halten Sie als ehemaliger Wiener Neustadt Sportdirektor von 3-Jahresverträgen für Talente der Marke Murg, Junuzovic, Dragovic? Ist das für hoffnungsvolle Talente nicht zu kurz? Und warum ist die Laufzeit so kurz, unterschreiben Spieler keine längeren Verträge oder habt „ihr“ (Sportdirektoren) tatsächlich Angst vor dem „Webster-Urteil“?

Peter Stöger: Am Beispiel Murg: Du darfst ihm einfach aus Altersgründen gar keinen längeren Vertrag geben und somit lehne ich mich da nicht weiter aus dem Fenster. Ich glaube aber auch allgemein, dass eine Dreijahressituation von der Laufzeit her sicher OK ist. Das reicht für die Entwicklung eines Spielers. Er braucht vielleicht ein halbes Jahr, dass er seinen Rhythmus findet, dann schaut man sich das weiter an und schließlich kann man immer noch weiterschauen und gegebenenfalls verlängern. Angenommen du verpflichtest jemanden für vier oder fünf Jahre, der dann Probleme bekommt, weil er sich nicht wohlfühlt – da werden dieselben Leute sagen: Wieso gibt man jemandem einen Fünfjahresvertrag. Bei Spielern, die sich gut entwickeln, ist die Laufzeit während der Laufzeit immer zu kurz, bei Spielern, die sich nicht so gut entwickeln ist die Laufzeit immer zu lang 😉

Xaverl Nick: Ihre Meinung zu Patrick Bürger?

Peter Stöger: Ein Topspieler. Damit ist alles gesagt.

Xaverl Nick: Gab es in ihrer Spielerkarriere einen Trainer, an dessen Umgang mit den Spielern sie sich nun ein Beispiel nehmen, wenn ja, dürften wir den Namen erfahren?

Peter Stöger: Gibt niemanden. Ich hatte sehr viele, sehr gute Trainer und du nimmst von jedem etwas mit. Bei manchen Sachen denkst du dir „das war gut“, andere Sachen fallen dir negativ auf. Da geht’s gar nicht so ums Training, sondern wie man mit Leuten umgeht. Ich hatte Prohaska, Hickersberger, Krankl, Weber, Baric, Happel… jeder hatte da seine Art und Weise, wirklich herausheben könnte ich niemanden. Ich habe von jedem von ihnen viel gelernt, auch was die negativen Eindrücke angeht. Von den negativen Eindrücken habe ich wohl sogar mehr gelernt, al durch die positiven. Ich persönlich versuche mit den Spielern so umzugehen, dass sie das Gefühl haben, dass ich ihnen etwas Gutes will und dass ich gerne mit ihnen arbeite, gerne jeden Tag zum Training komme. Das sollen sie spüren.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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