Mit Roman Kerschbaum gab der SK Rapid gestern die erste offizielle Neuverpflichtung ab der Saison 2022/23 bekannt. Der Admira-Leistungsträger unterschrieb bis 2025 und bringt speziell Routine und Flexibilität mit nach Hütteldorf.
Es kommt nicht allzu häufig vor, dass Rapid einen Spieler holt, der in seiner Karriere bereits 269 Spiele auf dem Buckel und damit kaum Wiederverkaufspotential hat. Im Falle von Roman Kerschbaum macht dies allerdings absolut Sinn – nicht nur wegen der hohen Variabilität, die der 28-Jährige mitbringt.
Über St. Pölten nach Nürnberg
Geboren 1994 im niederösterreichischen Neunkirchen durchlief Kerschbaum die moderne Karriere eines talentierten Fußballers. 13-jährig wechselte der Mittelfeldspieler in die Akademie von St. Pölten, durchlief bis zur U18 alle Teams und wechselte schließlich im Alter von 18 Jahren nach Nürnberg, wo er sowohl für die U19, als auch für die Amateurmannschaft zum Einsatz kam und auf Anhieb Stammspieler war.
Die Jahre in Österreichs Westen
Weil es in Nürnberg aber nicht in Richtung Kampfmannschaft ging, kehrte Kerschbaum an seinem 21. Geburtstag nach Österreich zurück, bestritt zunächst 30 Spiele für den SV Grödig, der damals noch Bundesligaklub war und wechselte im Anschluss zu Wacker Innsbruck, wo er später auch Kapitän wurde. 2018 gelang mit den Innsbruckern der Bundesligaaufstieg, ein Jahr später ging es aber wieder runter in Liga 2, wonach Kerschbaum nach 85 Einsätzen, acht Toren und sieben Assists von Wacker West zu Wacker Ost wechselte.
Positionsveränderungen in der Südstadt
Ab Sommer 2019 spielt Kerschbaum also für die Admira – drei Bundesligasaisonen als Stammspieler in Folge. Was kaum jemand erwartete war, dass der einstige Legionär in 86 Spielen für die Südstädter 20 Tore (davon acht Elfmeter) und neun Assists erzielen konnte. Dies hat auch mit einer positionstechnischen Wandlung zu tun.
In jüngeren Jahren war Kerschbaum klar als defensiver Mittelfeldspieler bekannt. Der Sechser/Achter-Raum war für den Niederösterreicher das natürliche Habitat. Doch schon in Nürnberg wurde Kerschbaums Polyvalenz geschätzt und da und dort kam der Youngster auch im linken Mittelfeld in einer Raute oder sogar als Rechtsverteidiger zum Einsatz. In Grödig und Innsbruck beschränkten sich Kerschbaums Einsätze schließlich fast ausschließlich aufs Zentrum und gerade bei den Tirolern machte sich eine immer stärkere Box-to-Box-Lastigkeit bemerkbar.
Offensiver bei Dominanz, defensiver bei Vorsicht
Spannend war das vor allem in seiner ersten Saison für den FC Wacker – damals noch in der 2.Liga und damit in einer Situation, in der die Innsbrucker angreifen wollten. Mit Ausnahme dieser Saison waren Kerschbaums Teams für gewöhnlich mit dem Kontrollieren der Defensive beschäftigt. Zuerst Mauricio Jacobacci, dann Thomas Grumser und schließlich Karl Daxbacher forcierten Kerschbaum immer weiter vorne, häufig auf der Zehn und damit auch als wichtige erste Gegenpressinginstanz. Das Konzept ging auf und Wacker holte den Zweitligatitel. Diese Saison könnte aufgrund der Herangehensweise des Teams auch eine wichtige Benchmark für Kerschbaums Position bei Rapid sein.
Größerer Spielraum unter allen Admira-Trainern
In der Bundesliga änderte sich das Bild allerdings wieder und Kerschbaum kam ausschließlich als Sechser zum Einsatz, so auch bei drei der vier Saisonniederlagen 2019/20 gegen Rapid. Nach dem Abstieg mit Innsbruck und mit dem Wechsel zur Admira flexibilisierte sich Kerschbaums Position aber wieder und der mittlerweile gereifte 180cm-Mann konnte im Spiel seines Teams immer mehr das Heft in die Hand nehmen. Das gelang vor allem in einer Box-to-Box-Ausrichtung und die Grenzen zwischen Sechs, Acht und Zehn verschwammen zusehends. Das war unter sämtlichen Trainern so, also unter Klaus Schmidt, Zvonimir Soldo und Damir Buric. Die Übungsleiter gaben Kerschbaum allesamt mehr Freiheiten nach vorne, auch weil die Admira dadurch in höheren Zonen kampfkräftiger gegen den Ball wurde und Kerschbaum auch Lösungen mit Ball fand.
Herzog macht Kerschbaum zum Zehner
In der laufenden Saison unter Andreas Herzog wurde Kerschbaums Position sogar noch weiter nach vorne verlagert: Der Neo-Rapidler lief in den meisten Spielen etatmäßig als Zehner auf. Im bis dato letzten Bundesligaspiel, dem 0:0 der Admira bei der WSG Tirol, brachte Herzog seinen Führungsspieler sogar als falsche Neun in einem 4-2-3-1-System, um bereits in der ersten Pressinginstanz einen etatmäßigen Defensivspieler pressen lassen zu können. Kerschbaums Leistungen in der laufenden Saison, in der er nun inklusive Cup schon bei neun Saisontreffern hält, sprechen aber für Herzogs Herangehensweise, seinen Schützling offensiver zu bringen.
Völlige Ungewissheit im Rapid-Mittelfeld
Was bedeutet das nun für Rapid? Zunächst einmal nichts Konkretes, denn wie das Rapid-Mittelfeld ab Sommer 2022 aussehen wird, steht noch völlig in den Sternen. Die Verträge von Grahovac, Velimirovic, Schick und Arase laufen aus – wirkliche „Muss-Verlängerungen“ sind dies allesamt nicht und die meisten Beobachter plädieren sogar dafür, alle vier Verträge auslaufen zu lassen. Auch Dejan Petrovic, der einen Vertrag bis 2023 hat, ist nicht unumstritten und man würde dem Slowenen bei einem guten Angebot vermutlich keine Steine in den Weg legen. Noch aktiver könnte man sich um einen Abnehmer für den nicht ins Feldhofer-Konzept passenden Christoph Knasmüllner umsehen, der ebenfalls einen Vertrag bis 2023 besitzt. Und dass mit Robert Ljubicic der beste zentrale Mittelfeldspieler Rapids in der laufenden Saison im Ausland begehrt ist, ist kein Geheimnis.
Einige Junge als Kader-Fixpunkte
Es könnte also durchaus sein, dass im Mittelfeldzentrum Rapids kein Stein auf dem anderen bleibt. Einzig der Verbleib einiger junger Spieler, etwa dem langzeitverletzten Lion Schuster oder Moritz Oswald, der gerade erst bis 2025 verlängerte, scheint fix. Auch Benjamin Kanuric – Vertrag bis 2023 – blühte zuletzt zumindest phasenweise unter dem neuen „Zweiercoach“ Stefan Kulovits auf. Kandidaten für die Stammbesetzung sind diese Akteure aber vorerst noch allesamt nicht. Viel mehr sind sie wichtige Kaderspieler für eine zu erwartende, lange Saison.
Kerschbaum kann alle ersetzen
Ohne aber die genaue Kaderzusammensetzung auf dieser neuralgischen Position zu kennen, kann Rapid mit Roman Kerschbaum im Grunde nichts falsch machen. Sowohl in einem 4-2-3-1, als auch in einer Mittelfeldraute kann der Noch-Admiraner auf der Sechs spielen, im 4-2-3-1 auch problemlos das Stück weiter vorne auf der Acht. Somit wäre er theoretisch sowohl für Grahovac, als auch für Petrovic oder Ljubicic ein adäquater Ersatz, wenngleich er nicht so viel spielerischen Esprit mitbrächte wie Ljubicic. Aber auch die Knasmüllner-Position im offensiven Mittelfeld ist eine, die Kerschbaum bekleiden kann, wie er es aktuell auch bei der Admira tut. Speziell in Partien, in denen Rapid nicht zwingend das Spiel machen, sondern im Übergang vom zweiten ins dritte Drittel Physis und Kampfkraft braucht, wäre diese Variante legitim. Ist dem nicht so, wäre natürlich Yusuf Demir die naheliegendste Zehnervariante, was aber aufgrund seiner Polyvalenz nicht bedeutet, dass dann für Kerschbaum kein Platz im Team wäre.
Auch Außenpositionen in der Raute denkbar
Als Flügelspieler in einem 4-2-3-1/4-3-3-System wäre Kerschbaum keine ernsthafte Option. Die Personalie spießt sich demnach nicht unbedingt mit Grüll oder Arase. Sehr wohl wären aber auch Einsätze auf den äußeren bzw. Halbpositionen in der Mittelfeldraute denkbar. Gerade auf der rechten Seite und durch das stärkere Einrücken Kerschbaums im Vergleich, könnte er also auf eine etwas andere Art auch Thorsten Schick ersetzen. Im Grunde gibt es also im Zentrum keine Position, die der Niederösterreicher nicht besetzen kann. Selbst ein situatives Ausweichen auf eine Außenverteidigerposition ist in seinem Fall denkbar, was womöglich auch ein kleiner Mitgrund für seine Verpflichtung war. Der viel größere Mitgrund ist zudem Kerschbaums Routine und Führungsmentalität, die er in Innsbruck und bei der Admira bewies und bei Rapid dringend benötigt wird.
Vorerst heißt’s: Abwarten!
In der Theorie kann der 28-Jährige demnach bei Rapid der „Mann für alles“ im Zentrum und auf Halbpositionen sein. In der Praxis muss man jedoch abwarten, wie extrem der Umbruch bei den Hütteldorfern wird. Die Unterschrift von Patrick Greil dürfte nur noch Formsache sein und auch der Name Eliel Peretz geistert bereits in Verbindung mit Rapid und seinem Ex-Coach Ferdinand Feldhofer durch die Medien. Um genauer zu analysieren, wie spezifisch Kerschbaum bei Rapid eingeplant ist, müssen demnach noch einige Verträge unterschrieben bzw. nicht unterschrieben werden…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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