Potzmann, Horvath und Dobras: Sturms ablösefreie Transfers unter der Lupe
Bundesliga 23.Juni.2015 Alexander Semeliker 0
Der SK Sturm Graz beendete die Saison 2014/2015 auf Platz vier und qualifizierte sich für den Europacup. Dennoch dürfte man nicht vollends zufrieden sein, verspielte man doch in der letzten Runde den dritten Platz. Für die kommende Spielzeit haben die Steirer bereits vier neue Spieler verpflichtet.
Noch während der abgelaufenen Saison gab Sturm neben der Verpflichtung von Tormann Michael Esser (VfL Bochum) jene von Marvin Potzmann bekannt. Dieser kommt ablösefrei vom SV Grödig. Ebenfalls ablösefrei wechseln Sascha Horvath (Austria Wien) und Kristijan Dobras (SC Wiener Neustadt) in die steirische Landeshauptstadt.
Potzmann: Dauerhafte Lösung für rechts hinten?
Die größten Erwartungen dürften die Fans der Blackies an Potzmann haben. Der 21-Jährige, der beim SV Mattersburg ausgebildet wurde, soll bei Sturm das Rechtsverteidigerproblem beheben. Insbesondere dort war die Fluktuation an Spielern in den letzten beiden Jahren groß. Die Leistungen von Aleksandar Todorovski waren bestenfalls durchschnittlich, was angesichts seines Legionär-Status‘ wenig zufriedenstellend war. So spielte mit Martin Ehrenreich meist ein Akteur, der ebenfalls den Ansprüchen nicht gerecht wurde.
Der 32-Jährige ist ein Spieler, der hauptsächlich über seinen Einsatz und seine Physis ins Spiel kommt. Im Stellungsspiel hingegen hat er ebenso teils arge Mängel wie in der Entscheidungsfindung. Gemeinsam mit seinem Alter veranlasste dies die Verantwortlichen also dazu, nach einer neuen, möglichst dauerhaften Lösung zu suchen. Mit Potzmann könnte dies nun gelungen sein. In Mattersburg noch auf den Außenbahnen im Mittelfeld eingesetzt, entwickelte er sich in Grödig zu einem guten Bundesliga-Außenverteidiger.
Potzmann verfügt sowohl individuell als auch taktisch über viel Potenzial, das teilweise bereits gut entwickelt ist. So ist er trotz lediglich 70kg ein durchaus verlässlicher Balleroberer. Im Schnitt gewann er pro 90 Minuten 3,68 Tackles und fing 2,06 Bälle ab. Bei Ehrenreich liegen diese Werte bei 2,06 bzw. 2,21. Daneben ist Potzmann aufgrund seiner Ausbildung im Mittelfeld auch jemand, der mit dem Ball am Fuß gefährlich werden kann. Er kann in Dribblings gehen und sich passend in Kombinationen einbinden, während Ehrenreich meist eindimensional die Linie rauf und runter lief.
Dass Potzmann die Anlagen hat, Sturm dauerhaft weiterzuhelfen, dürfte unbestritten sein; ob es ihm tatsächlich gelingt, bleibt abzuwarten.
Horvath: Bekommt das Ausnahmetalent die Kurve?
Dass Horvath von der Wiener Austria zu Sturm Graz wechseln würde, schien vor einem Jahr utopisch. Damals stand das Ausnahmetalent angeblich bei einigen etablierten europäischen Klubs am Zettel. Jens Keller, damals Trainer von Schalke 04, sah ihm in Wiener Neustadt sogar persönlich auf die Beine. Horvath blieb bei der Austria, kam mit ihr bei den Vertragsverhandlungen aber auf keinen grünen Zweig. Die Folge: nur 65 Einsatzminuten in der abgelaufenen Saison.
Dass Horvath in der Spielzeit davor deren 618 hatte, lag zu einem Gutteil auch am damaligen Trainer Herbert Gager, einem großen Förderer des Nachwuchsteamspielers. Die Spielphilosophie des 45-Jährigen passte zudem zum Spielstil Horvaths. Dieser verfügt über eine gute Technik, ein starkes Passspiel und einen außergewöhnlichen Dribbelstil. Andererseits hat er – gerade aufgrund seiner schmächtigen Statur – augenscheinliche Probleme im physischen Bereich. Während er dies beim kombinationsorientierten Spiel unter Gager mit seiner guten Antizipation halbwegs kaschieren konnte, war dies unter dessen Nachfolger nicht mehr möglich.
Gerald Baumgartner wollte den Fokus auf das Spiel gegen den Ball richten, was bedeutete, dass die Spieler vor allem athletisch gefordert wurden. Ähnlich war es unter Andreas Ogris, unter dem es noch weniger Struktur gab und vermehrt auf die individuellen Qualitäten der Einzelspieler ankam. Für einen 18-Jährigen keine guten Voraussetzungen. Bei Sturm bekommt Horvath nun eine neue Chance, sich zu beweisen. Er kommt in ein intaktes Gefüge, was einerseits förderlich für die Entwicklung und Eingliederung sein könnte, andererseits erschwert es wohl den Schritt zum Stammspieler.
Dobras: Mehr als ein Ergänzungsspieler?
Nach dem Abstieg des SC Wiener Neustadt gab es im Wesentlichen drei interessante Personalfragen, die alle bereits beantwortet sind. Helgi Kolvidsson übernimmt das Traineramt bei der SV Ried, Philip Hellquist wechselt zum Wolfsberger AC und Dobras geht zu Sturm Graz. Letzterer war eine tragende Figur bei den Niederösterreichern, konnte den Gang in die zweite Liga aber nicht verhindern. Der Schritt vom Absteiger zum Europacupteilnehmer scheint durchaus groß zu sein.
In Wiener Neustadt konnte Dobras aufgrund der überschaubaren Qualität seiner Nebenleute relativ leicht herausstechen. Er war es, der meist für kreative und spielerische Impulse und Höhepunkte sorgte. Zudem verfügt er über eine gute Technik und Dynamikpotenzial – Fähigkeiten, die bei den Niederösterreichern kaum ein anderer besaß. Bei Sturm ist dies anders und es wird interessant sein, ob er sich der Ex-Rapidler dort durchsetzen wird können.
In Frage kommt der 22-Jährige für die drei offensiven Positionen der Dreierreihe in der 4-2-3-1-Grundordnung. Die Konkurrenz ist recht groß. Rechts gibt es mit Thorsten Schick einen individuell kompletten Flügelspieler, links mit Andreas Gruber ein aufstrebendes Talent. Die Zehnerposition besetzt mit Donis Avdijaj ein ähnlicher Spielertyp, der jedoch noch größere Anlagen hat. Die Schalke-Leihgabe ist ebenfalls technisch enorm gut, kombinationsstark und an vielen Torszenen direkt beteiligt.
Aus Sturm-Sicht macht der Transfer zunächst schon deshalb Sinn, weil damit der Kader in der Breite gestärkt wird. Andererseits eröffnet er auch die Möglichkeit ein 4-4-2, wie in der Meistersaison 2010/2011, zu spielen. Mit Roman Kienast und Bright Edomwonyi gibt es zwei körperlich starke Angreifer, die sich mit den spielerisch guten Dobras und Avdijaj ergänzen. Außerdem könnte bei Dobras‘ Verpflichtung aufgrund seines ähnlichen Fähigkeitenprofils auch der Gedanke mitgespielt haben, ihn als „Nachfolger“ von Avdijaj aufzubauen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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