Rapid bezwingt Salzburg mit 2:1 – Europa ist für Grün-Weiß fix!
Bundesliga 29.April.2014 Rene Maric 0
Vor über 17.000 Zuschauern konnte der SK Rapid Wien gegen Meister Red Bull Salzburg gewinnen. Damit machten die Hütteldorfer nicht nur einen großen Schritt in Richtung Vizemeisterschaft, sondern sind nun praktisch von den Grödigern dank einer um 22 Tore besseren Tordifferenz sowie sechs Punkten bei noch zwei ausstehenden Spielen nicht mehr auf Platz 4 zu verdrängen; Europa ist somit sicher. Red Bull hingegen konnte im ersten Spiel seit Verkündung des Abgangs von Trainer Roger Schmidt nicht punkten und verlor in der Fremde. Die Ursache daran lag an der starken Abwehrarbeit der Rapidler in den strategisch wichtigen Zonen.
Die Aufstellungen erklärt
Vor der taktischen Analyse geht es um die Personalwahl für die Partie. Rapid begann mit Novota im Tor, Dibon und Sonnleitner als Innenverteidiger davor, während Schrammel und Trimmel die Außenverteidigerpositionen gaben. Hierbei gab es eine kleine Asymmetrie im Spiel nach vorne, was man am Vergleich der Heatmaps der beiden Außenverteidiger gut sehen kann.
Davor agierten Behrendt und Wydra als Doppelsechs, wobei Behrendt hierbei tiefer blieb, sich etwas horizontaler im eigenen Aufbauspiel bewegte und viel absicherte. Vorab: Diese beiden spielten eine wichtige taktische Rolle. Steffen Hofmann gab den Zehner vor ihnen, Boyd agierte in seiner üblichen Rolle als Mittelstürmer mit viel Bewegungsradius als Zielspieler, Sabitzer und Burgstaller kamen über die Flügel.
Red Bull Salzburg bot die vermutlich beste Elf auf. Klein und Ulmer spielten als Außenverteidiger, Ramalho und Hinteregger zentral komplettierten die Viererkette. Mit Ilsanker und Leitgeb spielten auf der Sechs zwei Stammspieler, ebenso wie jenes Offensivquartett, welches schon in Europa für Furore sorgte: Kampl, Mané, Soriano und Alan. Letzterer rochierte immer wieder auf links, Kampl zog von rechts weit ein und Mané bewegte sich mehrmals in die Spitze oder ins offensive Zentrum. Besonders Kampls Rolle war sehr auffällig, er ging einige Male sogar bis auf den linken Flügel, ihn hielt nur wenig an der rechten Außenbahn.
Dennoch konnten die Salzburger nicht die offensive Effektivität und Gefahr ausstrahlen, wie sie es in dieser Saison fast unaufhörlich taten. Sogar defensiv waren sie schwächer als üblich.
Red Bulls Pressing mit Problemen
Das extreme Pressingspiel der Salzburger konnte in dieser Partie nicht die volle Effektivität entfalten. Im normalen Pressing hatten sie Probleme wirklichen Zugriff auf Rapids Innenverteidiger zu erzeugen. Diese wurden von einem abkippenden Sechser unterstützt, was Red Bull zwar mit der Herstellung einer 4-3-3-Asymmetrie (aufrückender Flügelstürmer auf den Innenverteidiger) gut kontern konnte, doch gegen den Fokus auf lange Bälle, den zweiten Ball danach und die intelligente, situative Einbindung des Torwarts fanden sie kein perfektes Mittel.
Das Problem war hierbei, dass Rapid dann im Zweifel eben selbst auf zweite Bälle spielte; Basel tat dies ebenfalls, Ajax bei den zwei klaren Niederlagen weigerte sich. Interessant war allerdings, wie gut Rapid abgesichert nach diesen zweiten Bällen war, wie stabil die Sechser und Außenverteidiger in ihren aufrückenden Bewegungen waren und wie gut man selbst auf die zweiten Bälle ging. Die Aggressivität und Kompaktheit dabei war ein Schlüssel in dieser Partie.
Ein anderer war es, nicht nur das Pressing, sondern auch das Gegenpressing der Bullen auszuhebeln.
Rapid umgeht das Gegenpressing
Nach direkten Balleroberungen pressen die Salzburger mit einer extremen Dynamik und Anzahl umgebender Spieler sofort auf den Ballführenden. Dieses Gegenpressing sorgt für zahlreiche Balleroberungen, verhindert einerseits Konter und ermöglicht andererseits das Fortsetzen der eigenen Angriffe. Rapid konterte dies relativ simpel: Viele lange Bälle, viele Seitenwechsel und Diagonalbälle in ballferne Zonen, wenig Risiko und eine gute Entscheidungsfindung, wann ein Kurzpass möglich war.
Bei diesen kurzen Pässen gab es dann viele direkte Ablagen auf die Seiten oder wieder nach hinten, was Red Bulls Gegenpressing und somit auch deren kollektive Staffelung zurückdrückte und Räume für die Innenverteidiger und Sechser Rapids ermöglichte. Diese spielten dann die Seitenverlagerungen und wollten somit das weite ballferne Einrücken der Salzburger Flügelspieler nutzen. Generell gab es auch entlang der Seite viele lange Bälle nach vorne, wo man das Herausschieben des Flügelstürmers der Bullen und die entstehenden Räume bespielen wollte.
Diese offensiven Mechanismen im Umschaltspiel neutralisierten Red Bulls Gegenpressing häufig.
In der ersten Hälfte gab es sogar eine Aktion mit drei Seitenwechseln hintereinander bei den Rapidlern, die Ecke zum 1:0 entstand ähnlich. Zuerst erhielt Boyds bei seinen ausweichenden Bewegungen rechts nahe am Flügel den Ball, er legte dann in die Mitte ab. Sofort folgte die Seitenverlagerung, die vier offensiven Spieler im 4-2-3-1/4-4-1-1 rückten nach vorne und bewegten sich mit viel Bewegung, um viel Raum abzudecken. Es folgte eine Flanke, die Hinteregger zum fatalen Eckball klären sollte.
Diese Spielweise erklärt somit nicht nur die Führung, sondern auch die defensive Instabilität Salzburgs. Rapid hatte deutlich mehr Abschlüsse aus der „Danger Zone“ als Salzburg.
Das erklärt allerdings nicht, wieso Red Bull so wenige hatte. Hier ist die grundsätzliche Formation Rapids zur Erklärung notwendig.
Rapids flexible Zentrumsverdichtung
Das Pressing der Hütteldorfer war sehr zentrumsorientiert. Sie pressten nicht in einem 4-4-2, sondern in einem 4-4-1-1, welches sogar in einer 4-5-1-Rollenverteilung interpretiert wurde. Das bedeutet, dass sich Hofmann immer wieder weit vor die Sechser zurückfallen ließ und diese unterstützte.
Mehrmals stand Rapid wegen der leichten Mannorientierung der Sechser sogar in einem 4-1-4-1 da, was die tiefe Spielweise Hoffmanns ebenfalls zeigt.
Durch diese Kompaktheit in der Spielfeldmitte wurde Red Bull auf die Seiten gedrängt. Dort haben sie zwar nominell starke Flügelstürmer, doch diese fühlen sich in der Mitte wohler und gehen immer wieder ins Zentrum. Die Außenverteidiger Salzburgs rücken dann zwar auf, können aber gut isoliert werden, sind nicht so kombinationsstark und eher linear. Gleichzeitig öffnen sie Räume für Rapids Umschaltmoment und agieren in strategisch eher weniger wichtigen Zonen.
Zusätzlich spielten die Flügelstürmer der Wiener situativ sogar etwas zockend, standen höher und versuchten die gegnerischen Außenverteidiger höher zu halten oder sich direkt für Bälle und gefährliche Konter nach Balleroberungen anzubieten. Außerdem tauschten sie einige Male die Seiten, um die Zuordnungen Salzburgs durcheinander zu bringen.
Red Bull fehlte es insgesamt an der nötigen Präsenz im Zehnerraum, der Möglichkeit vertikaler und diagonaler Durchbrüche über die Mitte, weswegen sie zu weit auf die Seiten kamen beziehungsweise in den falschen Momenten wieder ins Zentrum kamen.
Die relativ frühe Führung spielte Rapid natürlich ebenfalls in die Karten. Später im Spiel gab es vorrangig positionstreue Wechsel, Red Bull verstärkte mit Berisha und Lazaro für Ilsanker und Leitgeb die Offensive, Rapid blieb taktisch trotz der Wechsel relativ identisch.
Fazit
Insgesamt war es ein durchaus ansehnliches Spiel, wenn auch etwas zerfahren und unpräzise.
Es gab auf beiden Seiten allerdings kaum Verlegenheitsflanken bzw. Flanken generell (7:8), was auch an der Spielausrichtung lag; Salzburg versucht meistens Durchbrüche durch die engen Räume, während sich Rapid dank der tiefen Ausrichtung und des geringen Ballbesitzes (37,7%) auf das Umschaltspiel in die Offensive konzentrieren konnte. Letztlich war der Sieg auch statistisch verdient.
Rapid hatte mehr Schüsse als Red Bull. Die Wiener kamen auf zehn Schüsse (drei aufs Tor), die Salzburger auf acht (nur einer aufs Tor) und hatten nur wenige Abschlüsse aus den gefährlichen Zonen. Mané und Kampl kamen auf insgesamt nur zwei Torschussvorlagen, was die Stabilität der Rapidler unterstreicht.
Der dynamische Spielcharakter sorgte auch für die schwachen Passquoten. Bei Rapid hatte Dibon zwar 91,7% seiner Pässe erfolgreich, sonst kam aber keiner über 80%, nur ein Akteur über 70% und fast alle lagen unter 60%; Red Bull war hier trotz des hohen Ballbesitzes nur marginal besser. Alles in allem waren neben Matchwinner Terrence Boyd auch die zentralen Defensivspieler Sonnleitner, Dibon, Behrendt und Wydra dafür entscheidend. Ein großer Sieg für Rapid.
Rene Maric, abseits.at
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