Rapid-GF Peschek im Interview: „Muss keinen Beliebtheitspreis gewinnen“
Bundesliga 19.September.2019 Daniel Mandl
Bei Rapid ist stets viel los. Das hat auch der Geschäftsführer Wirtschaft Christoph Peschek in den letzten Jahren erfahren. Wir haben uns mit dem starken Mann der Rapid-Geschäftsstelle zum Interview getroffen und zahlreiche aktuelle Themen rund um den SK Rapid, seine Finanzen und seine Infrastruktur besprochen.
(Das Gespräch führten Daniel Mandl und Stefan Karger kurz vor dem Wiener Derby)
Daniel Mandl: „Was sind die Treiber hinter dem Problem, dass Rapid im nationalen Bewerb nicht ausgeglichen wirtschaften kann? Wird sich das in absehbarer Zeit ändern?“
Christoph Peschek: „Wir haben im Zuge der letzten Hauptversammlung bekanntgegeben, dass wir im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit die strategische Zielsetzung der „Schwarzen Null“ aufgegeben haben. Denn wir wissen, dass wir drei Geschäftsfelder haben: Die nationalen Bewerbe Bundesliga und Cup, die internationalen Bewerbe, sowie Transfererlöse bzw. Transfertätigkeiten. Wenn man sich den Durchschnitt der letzten Jahre ansieht, muss man festhalten, dass das Transfergeschäft eines ist, das sich rasant entwickelt und nach oben hin schier keine Grenzen gesetzt sind. Gegenüber 2013, als man in etwa davon ausgehen konnte, dass 1 – 1,5 Millionen Euro generiert werden, sind die Erlöse deutlich getoppt worden. Auf Grundlage einer regelmäßigen Chancen-Risken-Analyse haben wir uns darauf verständigt, hier ein kalkuliertes Risiko für das jeweilige Geschäftsjahr einzugehen, um damit verbunden mehr Mittel für den sportlichen Bereich zur Verfügung stellen zu können.“
Daniel Mandl: „Das steht doch im Gegensatz dazu, dass etwa Zoran Barisic gerade erst betonte, dass Rapid etwas abspeckt, bescheidener werden soll. Rapid hat aus der vergangenen Transferzeit immerhin knapp neun Millionen Euro Transfererlöse durch Müldür und Bolingoli auf der Habenseite.“
Christoph Peschek: „Das kann ich heute so nicht bestätigen.“
Daniel Mandl: „Aber man hat wesentlich mehr durch Spielertransfers eingenommen als ausgegeben. Wieso wird das mit dem Minus aus dem nationalen Bewerb aufgewogen und zugleich sportlich abgespeckt? Rapid riskiert damit doch, dass man womöglich noch einmal nicht europäisch spielt, die Setzung verliert und damit alles noch schwieriger wird…“
Christoph Peschek: „Wir konnten das Sportpersonalbudget im nationalen Bewerb gegenüber der letzten Saison im Hanappi-Stadion um 45% steigern. Wir generieren sehr viele Mittel und es ist wichtig die Mittel effizient einzusetzen. Demzufolge geht es auch darum, dass man die Gesamtbetrachtung sehen muss. Auf der einen Seite die Transferinvestitionen und die damit verbundenen Folgekosten. Es wäre eindimensional nur die Transferkosten zu sehen, denn gerade teure Spieler verdienen im Regelfall auch sehr gut. Völlig nüchtern betrachtet sollten die Topverdiener auch jene sein, die am meisten spielen und den Unterschied ausmachen können. Wir haben in den letzten Jahren am Transfermarkt sehr viel investiert. Ich darf in Erinnerung rufen, dass wir bereits die eine oder andere Saison hatten, wo wir bewusst einen negativen Transfersaldo in Kauf genommen haben, also mehr investiert hatten als an Erlösen generiert. Wenn du in den letzten drei Jahren zweimal nicht am internationalen Parkett vertreten warst und in der Bundesliga nicht die zu erwartende Tabellenplatzierung hattest, wirkt sich das natürlich auch finanziell aus. Aktuell geht es darum, dass wir die Gehaltsstruktur der Situation anpassen, was aber nichts daran ändert, dass wir für österreichische Verhältnisse über sehr viele Mittel verfügen und durch eine gute Bundesligaplatzierung einen internationalen Startplatz erreichen wollen. Es ist im Regelfall, so hart es für Rapid-Fans klingen mag, keine Frage ob es Transfers gibt, sondern nur die Frage wann und zu welchen Konditionen. Daher müssen wir gut vorbereitet sein.“
Daniel Mandl: „Du sagst, dass das Gehaltsgefüge angepasst werden soll. Wie konnte es deiner Meinung nach danach kommen, dass Rapid den teuersten Kader der Vereinsgeschichte hat und der sportliche Erfolg dennoch ausbleibt?“
Christoph Peschek: „Zunächst muss man erklären, wie ein Budgetierungsprozess funktioniert. Im Februar setzen wir uns zusammen – unser Finanzverantwortlicher Raphael Landthaler mit den zuständigen Direktoren – und besprechen die zu erwartenden Aufwendungen und welche Erlöse dem gegenüberstehen, welche Trends sind erkennbar, wie sind die Verlängerungsquoten im Hospitality- sowie Sponsoringbereich? Du musst entsprechende Planungsgrundlagen treffen. Unser Anspruch ist eine Top-3-Platzierung in der Bundesliga und damit verbunden ergeben sich Spiele für die Qualifikation eines internationalen Bewerbs. Wir budgetieren nicht die Gruppenphase, planen aber zumindest Qualifikationsspiele. Der Budgetierungsprozess funktioniert also so, dass wir beginnend mit Februar eine Planungsannahme samt Einnahmen und Aufwendungen erarbeiten und eine Chancen-Risken-Analyse vornehmen, auch was mögliche Transferaktivitäten anbelangt. Und sobald man weiß, dass man zum Beispiel einen Rekord-Transfer wie den von Maximilian Wöber tätigen kann, der in dieser Höhe so nicht zu erwarten war, liefert das wieder zusätzliche Handlungsmöglichkeiten. Demzufolge schaut man sich an, auf welche Transfers und beispielsweise Verlängerungen man sich einlassen kann, während man aber auch an gewissen Stellen entsprechende Abgänge plant. Wenn das alles nicht im Einklang ist, kann es aber auch so passieren, wie es zuletzt uns passiert ist. Was man auch sehen muss: Gerade in der heutigen Zeit haben wir aufgrund von Solidaritätszahlungen, die durch die FIFA geregelt werden, bis hin zu Nebengeräuschen von diversen Vorgängerklubs die Situation, dass nicht 100% von dem beim Verein bleiben, was die Öffentlichkeit womöglich glaubt. Bei Rapid gilt die Faustregel, dass Transfererlöse, die medial kolportiert werden, tendenziell zu hoch sind und medial kolportierte Transferinvestitionen tendenziell zu gering. Transfermarkt.at ist da nicht die beste Quelle… Jedenfalls sollten wir nicht in der Vergangenheit stehen bleiben, denn es gab entsprechende Veränderungen und wir blicken mit Zuversicht den kommenden Aufgaben entgegen.“
Stefan Karger: „Wieso gibt’s dann immer das berühmte „Stillschweigen“ um Ablösesummen und keine klaren öffentlichen Zahlen?“
Christoph Peschek: „Weil daraus möglicherweise abgeleitet werden könnte, welche Handlungsspielräume der jeweilige Klub hat. Im Vergleich zu vielen anderen Klubs agieren wir sehr transparent. Die Transparenz, die wir leben, kann aber da und dort auch eine Hemmung sein, gerade wenn es darum geht, mit Klubs, Spielern und deren Beratern Verträge auszuhandeln. Außerdem gehören zu diesen Dingen immer zwei Parteien und der „andere“ Klub möchte diese Transparenz im Regelfall nicht.“
Daniel Mandl: „Rapid hat derzeit nicht nur den teuersten Kader, sondern auch die teuerste Geschäftsstelle. Es gibt Kritiker, die davon sprechen, dass die Geschäftsstelle zu aufgebläht ist, zu viele Direktoren hat. Wie stehst du dazu?“
Christoph Peschek: „Wir haben uns bewusst für die Philosophie entschieden, möglichst viel der Wertschöpfungskette „in-house“ zu belassen. Natürlich könnten wir den Vertrieb an eine Agentur abgeben, der Unterschied wäre jährlich mindestens 2 Millionen Euro weniger an Erlösen, weil die Agentur natürlich für ihre Leistungen mitpartizipieren möchte. Insofern muss man das als Gesamtes betrachten, denn wenn wir über Personalkosten auf der einen Seite reden, sollte man auch sehen, was wir andererseits an Sachkosten einsparen. Beispielsweise die Konsolidierung des IT-Bereichs: Das ist mittlerweile eine Ersparnis von Geldern in sechsstelliger Höhe. Man kann immer nachdenken, wo man noch effizienter werden kann und das tun wir auch. Wir haben eine hohe Anzahl an Aktivitäten, die wir setzen, weil wir für jeden Euro für den Sport auch hart arbeiten müssen und diese Aufwände müssen Menschen entsprechend umsetzen. Ich darf hier nochmal betonen, dass im sportlichen Bereich eine signifikante Steigerung des Budgets passierte. Aus den Bereichen Sponsoring und Hospitality generieren wir mittlerweile rund 17 Millionen Umsatz (Saison 2017/18, Anm.) und wenn man solche Einnahmen erreichen will, stehen auch über den Spieltag hinaus Leistungen entgegen, die von uns umgesetzt werden müssen.
Daniel Mandl: „Es war ja nicht immer so, dass der Sport ein solch hohes Budget hatte. Exklusive der Lizenzspieler: Wie ist das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem und sportlichem Bereich, was den Personalaufwand betrifft? Wie ist bei Rapid aktuell die finanzielle Relation zwischen Wirtschaft und Sport?“
Christoph Peschek: „Der gesamte Personalaufwand im wirtschaftlichen und sportlichen Bereich, inklusive Lizenzspieler, ist im Geschäftsbericht nachlesbar. Im Geschäftsjahr 2017/18 war der Personalaufwand Sport rund 75% vom gesamten Personalaufwand.“
Daniel Mandl: „Sponsoren und TV-Gelder sind bei Rapid ja schon recht nah am Maximum. Welche anderen Bereiche möchtest du noch profitabler machen?“
Christoph Peschek: „Der TV-Vertrag ist ein spannendes Thema, weil ich immer wieder höre, wie unser Verhältnis zur Bundesliga – deswegen – ist und ob wir als SK Rapid und letztlich auch ich als Person möglicherweise Glasscherben hinterlassen und wie schlecht unser Verhältnis zu den anderen Klubs wäre. Das kann man so nicht stehen lassen. In Sachfragen wird natürlich kontroversiell diskutiert und es gibt unterschiedliche Interessenslagen. Gerade der TV-Verteilschlüssel ist ein Paradebeispiel dafür. Wenn es uns gelungen ist, dass wir den TV-Anteil des SK Rapid verdoppeln konnten, dann bringt mir das vielleicht nicht die größte Sympathie unter den Geschäftsführerkollegen ein, aber für den SK Rapid war es das Richtige. Alle, die unsere möglichen Sympathiewerte in der Liga kritisieren, sollten also auch berücksichtigen, was uns hier gemeinsam gelungen ist. Wir haben außerdem sehr intensiv zum Thema Kollektivstrafen diskutiert und haben verdeutlicht, dass wir diese nicht als adäquates Mittel sehen und hintanstellen wollen. Oder verschärfte Regelungen betreffenden Leih- und Kooperationsspieler. Das sind Ergebnisse aus kontroversen Diskussionen, aber es ist ein Spezifikum in Österreich, dass ein Klub wie Rapid ein erheblich höheres Zuschauerinteresse weckt als andere Klubs und der Abstand dann doch signifikant ist. In vielen anderen Ländern hast du einige Top-Klubs, die bei Zuschauerzahlen und Reichweiten ein vergleichbares Niveau haben und mehr TV-Gelder bekommen. Das führt zwangsläufig zu Interessenskonflikten und Debatten. Ich könnte sofort einen Beliebtheitspreis gewinnen, wenn ich im Namen des SK Rapid auf 500.000 Euro pro Jahr verzichte, aber die Frage ist, ob ich dann für den SK Rapid das Richtige tun würde. Oder das Thema Zentralvermarktung: Natürlich hat die Bandenwerbung, der Hospitality-Bereich oder die Werbung für den Bewerbssponsor bei Rapid einen anderen Wert als bei anderen Klubs. Natürlich machen wir uns stark für die Berücksichtigung von solchen differenzierenden Leistungsfaktoren bei gleichzeitigem Erhalt einer gewissen Grundsolidarität. Aber es gibt beispielsweise ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Altach. Die sind für mich momentan ein Role Model, wie sie ihr Stadion ausbauen, ein Trainingszentrum bauen, wo nachhaltig etwas für den Klub entwickelt wird und das ist gut für den österreichischen Fußball. Es gibt ein konstruktives Gesprächsklima mit meinem Geschäftsführerkollegen in Salzburg, mit St.Pölten und Admira habe ich mich auch erst unlängst zu richtig guten Gesprächen getroffen – also es gibt eine vernünftige Basis und man muss da und dort differenzieren, was öffentlich sichtbar ist und was in Sitzungen passiert. Abschließend gesagt, wir haben die größte Wachstumschance durch konstante sportliche Erfolge.“
Stefan Karger: „Bist du heute mit dem TV-Verteilungsschlüssel zufrieden?“
Christoph Peschek: „Das war ein Kompromiss, dem wir im Sinne des großen Ganzen zugestimmt haben. Dass wir nicht darüber erfreut waren, dass ein fertiggeschnürtes Paket wieder aufgemacht wird, weil wir davon überzeugt sind, dass Planungs- und Vertragssicherheit von großer Relevanz sind, ist klar. Aber wir haben gemeinsam, Seite an Seite mit Sturm Graz, sehr intensive Diskussionen geführt und dem Kompromiss zugestimmt. Auch Sturm ist ein Beispiel für einen Klub, mit dem es eine sehr gute Basis in der Zusammenarbeit gibt. Ich kann also einiges, was geschrieben wird, nicht nachvollziehen. Es stimmt einfach nicht, dass wir so „alleine“ in der Liga sind. Ich habe auch mit Bundesliga-Vorstand Ebenbauer ein sehr vernünftiges und professionelles Verhältnis. Wir müssen auch sehen, dass es hier nicht um eine Liebesheirat geht, sondern um eine Vereinigung, die eine Zweckgemeinschaft darstellt. Wir spielen Fußball und brauchen ein entsprechendes Regelwerk und müssen sicherstellen, dass das Ganze auf Basis gewisser Standards stattfindet, bei allen Unterschiedlichkeiten und Interessenslagen, die damit verbunden sind.“
Daniel Mandl: „Hat es dich gewundert, dass Gruber vom LASK gerade erst wieder nachgehakt hat? Stichwort: Beim Namen hört die Solidarität auf. Ist das tief drin nicht doch eine kleine Motivation, wieder über die Eigenvermarktung nachzudenken?“
Christoph Peschek: „Zunächst muss ich festhalten, dass es in unserer Gesellschaft so viele glattgebügelte Menschen gibt und es mir lieber ist, wenn einer Ecken und Kanten hat und Klartext ohne diplomatisches Herumeiern spricht. Was ich dem Herrn Gruber abnehme ist, dass er seine Interessen vertritt, genauso wie ich es für den SK Rapid mache. Demzufolge habe ich keine schlaflose Nacht, wenn Herr Gruber den SK Rapid kritisiert. Ich bin zwar da und dort verwundert, weil wir und auch ich uns immer freuen, wenn Traditionsvereine in der Bundesliga spielen, die über eine gewisse Fan-Base verfügen und man auch die sportliche Entwicklung des LASK anerkennen muss, auch wenn das Investoren-Konzept dahinter eines ist, das ich nicht für besonders sympathisch erachte. Es ist ein anderer Zugang und ein anderer Stil. Aber ich habe damit überhaupt kein Problem und genau diese Professionalität erwarte ich mir auch: Öffentlich eine Debatte zu führen ist das Eine, das Andere ist es, in den Gremien sachlich und nüchtern die relevanten Dinge zu diskutieren. Ich sehe mich immer als oberster Interessensvertreter für den SK Rapid und auch wenn es manchmal meiner persönlichen Reputation nicht dienlich ist, geht es ausschließlich darum, wie wir für Rapid das Optimum herausholen können.“
Daniel Mandl: „Wie sieht es aktuell mit internationalen Beziehungen aus? Tut sich hier auch etwas?“
Christoph Peschek: „Es gibt ein ausgezeichnetes Netzwerk! Einerseits jenes, dass ich mir seit 2013 aneignen durfte und da ist gerade der europäische Bewerb hervorragend. Wir hatten zum Beispiel tolle Gespräche mit dem CEO von Inter Mailand oder mit meinem Vorstandskollegen Alexander Jobst von Schalke 04. Mit Raphael Landthaler haben wir außerdem erstmals in der Geschichte Österreichs einen Vertreter im ECA-Board, also in der European Club Association. Auch er hat ein herausragendes Netzwerk. Allerdings muss man bei der Internationalisierung immer berücksichtigen, dass Know-how-Transfer, Netzwerke und Austausch wichtig sind, etwa rund um Digitalisierung oder auch das Trainingszentrum. Da waren wir bei Ajax Amsterdam, Bayern München und beim Hamburger SV zu Besuch. Wir hatten außerdem jahrelang einen tollen, beidseitigen Know-how-Transfer mit dem FC Basel. Etwas eins-zu-eins zu kopieren wäre aber falsch, weil wir immer unseren Rapid-Weg gehen müssen. Man muss lernen, was gut ist, aber auch die richtigen Schlüsse aus Dingen ziehen, die vielleicht nicht so gut funktionieren. Weil das auch mal ein Thema war: Bei einer Kooperation mit einem internationalen Klub profitieren im Regelfall die Großen immer von den Kleinen. Demzufolge muss man das immer kritisch betrachten, wenn es konkret um Spieler geht und wir der „Kleine“ sind. Wenn wir im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit Transfererlöse generieren und den Klub nachhaltig entwickeln wollen, dann ist es schon schade, wenn du Spieler entwickelst, aber nachher durch die Finger schaust, wenn er gut performt. Und wenn er nicht gut performt, hast du sowieso nicht das, was du dir erhofft hast. Insofern sind mir Networking und Wissenstransfer da noch wichtiger, als auf Biegen und Brechen einen passenden Kooperationspartner zu finden.“
Daniel Mandl: „Welcher dieser Erfahrungswerte, die man aus internationalen Kontakten schöpfen kann, ist in der Praxis der wertvollste?“
Christoph Peschek: „Dort wo es viel Geld und viele Ressourcen gibt, gibt es oftmals auch mehr Möglichkeiten, Maßnahmen zu tätigen, die für uns nicht finanzierbar wären. Man muss die Dinge betrachten, die gut funktionierten und dann in „unsere“ Relation setzen, sodass wir auch etwas Ähnliches machen könnten, nur eben mit unseren Möglichkeiten. Ein konkretes Beispiel wäre eSports. Wenn man sich ansieht, was Schalke in den letzten Jahren in dieses Thema investiert hat, muss man sich eingestehen, dass wir da nicht mitkönnen. Aber das Know-how kann man sich aneignen. Und bei großen Investitionsbereichen, wie es beim Stadion war oder jetzt beim Trainingszentrum, kann man sich auch viele Erfahrungswerte holen, die man dann praktisch umsetzen kann. Aber auch CRM- und Fanthemen sind für uns wertvoll. Zoki und ich haben einen zweitägigen Workshop mit den Erfolgsarchitekten des FC Basel gemacht, der sehr wertvoll für uns war. Wenn man mit Leuten wie Bernhard Heusler und Georg Heitz, die in Basel nachweislich über viele Jahre außerordentlich gute Arbeit geleistet haben, so offen über Kaderplanung, Scouting, Strukturen und Prozesse sprechen kann, weil man in keinem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis steht, dann ist das natürlich top.“
Daniel Mandl: „Themenwechsel. Das Trainingszentrum war zuletzt in aller Munde…“
Christoph Peschek: „Wir haben im Jänner 2016 die Gespräche über das Trainingszentrum begonnen und verschiedene Projektvarianten durchbesprochen. Eine Idee war, alle Trainingsplätze beim Happel-Stadion zu pachten, selbst zu bewirtschaften und eine ganzheitliche Nutzung für die Vertragspartner zu gewährleisten. War nicht möglich, wurde verworfen. Dann haben wir in Wien und darüber hinaus unterschiedliche Standorte geprüft. Wir sind ein Wiener Klub und haben unsere Wurzeln hier, aber natürlich müssen wir auch über den Tellerrand hinausblicken. In Wien gab’s Seestadt Aspern, Auhof, Mauerbach und Prater – wir haben intensiv gesucht und mit den Vertretern der Stadt zahlreiche Gespräche geführt und es hat sich herauskristallisiert, dass eigentlich nur im Prater in Kombination mit dem Areal des Kultur- und Sportvereins der Wien Energie die Erfordernisse des SK Rapid erfüllt werden können. Die Elektra war noch eine Herausforderung, die gelöst werden musste. Wir wurden beauftragt eine Lösung für die Elektra zu finden, woraus sich eine freundschaftliche und gute Partnerschaft ergeben hat. Es wurde beschlossen, dass die Elektra am selben Standort für zumindest zehn Jahre als kostenloser Untermieter bleibt und wir zusammenarbeiten werden. Wir haben dort nun zwei Areale: Das Eine sind die Plätze, die wir wie bisher von der Wiener Sportstätten Betriebs GmbH mieten und das Andere ist das Grundstück, das dem KSV der Wien Energie als Pächter gehört hat. Wir haben einen unterzeichneten Kaufvertrag für das Funktionsgebäude bzw. dieses übernommen und wir haben den Pachtvertrag für dieses Areal mit der Stadt Wien abgeschlossen. Wir hatten zahlreiche Behördentermine und haben sie weiterhin und sind nun in diesem Behördenverfahren eine Partei und werden im September im Zuge eines großen Meetings zwei mögliche Varianten einreichen. Die erste Variante ist die „Champions-League-Variante“ und die andere ist eine etwas schlankere „Europa League-Variante“, in der wir das bestehende Funktionsgebäude etwas adaptieren und den sanierten Bereich im Happel-Stadion weiternutzen. Damit bekommen wir eine signifikante Verbesserung der Infrastruktur, gewinnen 2.000 Quadratmeter und zu den bestehenden sechs Trainingsplätzen, drei weitere, also insgesamt neun im Prater und zusätzlich jene in Hütteldorf. Im bestehenden Funktionsgebäude werden wir U15, U16, U18, Rapid II und die Kampfmannschaft, sowie Lern- und Aufenthaltsräume, Schlafräume für die Profis, Rehabilitations- bzw. Physio- und Arzträumlichkeiten, Kantinen für Spieler für Frühstück, Mittagessen und bei Bedarf auch Abendessen und Zuseher und Büros für den sportlichen Bereich unterbringen. Im um mehrere Millionen Euro sanierten Bereich im Happel-Stadion bringen wir die U14 abwärts unter, weil die Infrastruktur dort eine gute ist und die Wege für die Kinder kürzere sind.“
Stefan Karger: „Und die „Champions-League-Variante“?“
Christoph Peschek: „Die wäre, dass wir das bestehende Gebäude auf rund 6.000m² ausbauen und dort auch noch ein Internat und die Tageszimmer, sowie auch unsere ganz kleinen Spieler unterbringen können. Wir haben in den letzten drei Jahren allerdings zweimal nicht europäisch gespielt und auch im nationalen Bewerb nicht die Performance an den Tag gelegt, die wir uns erwartet haben. Wir gehen immer sorgsam mit unseren Mitteln um, aber in Anbetracht dessen besonders und die Umsetzung der großen Variante ginge zu Lasten des jeweils aktuellen Sportbudgets. Es gibt für diese Variante alle Pläne, wir werden sie einreichen und können diese Pläne auch jederzeit aus der Schublade holen, aber unmittelbar und um voranzukommen und eine signifikante Verbesserung zu schaffen, die wir notwendig haben und auch wollen, werden wir die etwas schlankere Variante deutlich früher umsetzen. Die größere Variante kostet auf dem neuen Areal rund 18 Millionen Euro und die kleinere – bei der wir eben auch drei Plätze dazugewinnen – kostet insgesamt bis zu acht Millionen Euro.“
Daniel Mandl: „Ist die Wahl zwischen A und B eine reine Geldfrage oder gibt es noch andere relevante Entscheidungsgründe?“
Christoph Peschek: „Unter Berücksichtigung der momentanen Situation erscheint es uns der richtige, vernünftige Weg zu sein, die schlankere Variante umzusetzen, weil wir hier auch rascher in der Umsetzung sind. Wir gingen bereits zahlreiche Kompromisse ein, weil es Anforderungen von Politik, Behörden und Experten gab. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir zum Beispiel nach einer tollen Europacupsaison und einer positiven Gesamtentwicklung das Projekt noch modular vergrößern können. Aber es ist schon jetzt so, dass wir ein Funktionsgebäude mit rund 3.300 m² und drei Plätze gewinnen. In Summe verfügen wir dann über fast 4.000m² an Räumlichkeiten und gewinnen gegenüber dem Status Quo rund 2.000 Quadratmeter. Diese Variante ist für den SK Rapid eine sehr gute, mit der wir rascher eine klare Verbesserung schaffen können. Der wesentlichste Unterschied ist, dass wir das Internat in der schlankeren Variante nicht im eigenen Gebäude haben, wir aber mit einem Betreiber in der Nähe unseres Trainingszentrums kooperieren werden. Ajax Amsterdam betreibt übrigens deren Trainingszentrum auch ohne Internat, sie bringen die Jugendlichen lieber bei Gastfamilien unter. Zudem werden uns im gesamten Projekt wieder Dr. Binz vom Institut für Sportstättenbau und der Architekt Harald Fux begleiten. Mit der MA51 haben wir zudem eine Investitionskalkulation betreffend der gewünschten Adaptierungen der gemieteten Trainingsplätze beim Ernst Happel-Stadion erstellt. Hier sind wir nun mit der Betreibergesellschaft in Gesprächen. Pflege- und Betreuungsplan für die Plätze wurden ebenso unsererseits übermittelt wie auch, ergänzend zu unserer eigenen Betriebskostenschätzung, um ein entsprechendes Fußballplatz-Betreuungsangebot durch die WSB angefragt.
Daniel Mandl: „Wann ist Baustart?“
Christoph Peschek: „Am 30. September gibt es erneut einen großen Besprechungstermin mit diversen Magistratsabteilungen der Stadt Wien, die diversen Fachvorbesprechungen, zuletzt beispielsweise mit der MA 51 und der Wiener Sportstätten Betriebs GmbH, haben bereits stattgefunden. Dann können wir einreichen. Ich hoffe, dass es eine reibungslose Kooperation gibt und wir sehr rasch zu entsprechenden Genehmigungen kommen.“
Daniel Mandl: „Das heißt, wenn im Frühling 2020 Baubeginn wäre, ist eine Eröffnung im Herbst 2021 realistisch?“
Christoph Peschek: „Ja, zweifellos und unser Ziel wäre eine deutlich frühere Eröffnung.“
Daniel Mandl: „Wieso hat sich dieses Projekt bis zum jetzigen Status so in die Länge gezogen?“
Christoph Peschek: „Weil’s immer wieder neue Anforderungen gab, die es mit zu berücksichtigen galt. Gerade bei Projekten dieser Dimension muss man viele Stakeholder unter einen Hut bringen. Wir haben beispielsweise jetzt schon Maccabi als Untermieter, wir haben den ÖFB, wir hatten das Thema Elektra und vor allem die Standortsuche und die Politik. Insofern haben wir sehr viele Varianten durchdiskutiert, unter anderem, dass wir zwischen Happel-Stadion und Trainingsplätzen ein zusätzliches Funktionsgebäude errichten, alle Varianten immer mit Investitions- und Betriebskostenkalkulationen unterlegt. Das wäre mit einem Widmungsverfahren verbunden gewesen, das dermaßen viel Zeit gekostet hätte, dass wir diese Idee wieder verworfen haben. Es gab die Diskussion über die generelle Zukunft des Happel-Stadions, aber auch über mögliche Nachmieter für unsere Räumlichkeiten im Happel-Stadion, weil auch hier eine Sanierung durchgeführt wurde. Die Entwicklung des Raumnutzungskonzeptes unter Einbeziehung unser diversen Sportverantwortlichen sowie Architekt Fux und Dr. Binz vom IFS war natürlich ebenso intensiv. Es gab also immer wieder neue Themen am Tisch, die alle besprochen werden mussten. Es mussten zahlreiche Kompromisse eingegangen werden, um nun diese beiden sehr guten Varianten einreichen zu können.“
Daniel Mandl: „Wurde von Seiten Rapids alles getan, um den Zeitrahmen dieser Planungen kurz zu halten oder sagst du heute, dass es auch von Seiten Rapids Verfehlungen gab?“
Christoph Peschek: „Es kamen immer neue Hürden auf. Klar kann man selbstkritisch überlegen, was man noch besser machen könnte. Aber in Summe haben wir unter diesen Rahmenbedingungen und dem Ziel in Wien, wie dies auch der Wunsch Vieler war, etwas umzusetzen, versucht, so effizient wie möglich zu agieren. Dass wir solche Projekte auf Schiene bringen können, haben wir schon beim Bau des Stadions gezeigt.“
Daniel Mandl: „Also würdet ihr im Nachhinein nichts anders machen?“
Christoph Peschek: „Wenn man nicht selbst über ein Grundstück verfügt und deshalb abhängig von diversen Stakeholdern ist, dann ist es immer herausfordernder. Vom Wiener Fußballverband über die Sportstätten Betriebs GmbH, die MA51 und die Politik bis hin zu den Vereinen, hatten wir derartig viele verschiedene Gesprächspartner und zugleich Wünsche, die eben alle Berücksichtigung finden mussten. Alleine, dass die Suche nach einem Alternativstandort für die Elektra uns übergeben wurde, hat einiges an Zeit gekostet. Ich bin vieles, aber kein Fußballplatzmakler, aber trotzdem musste man diese Fragestellung lösen. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe kann man auch daran erkennen, dass über Jahrzehnte über ein entsprechendes Trainingszentrum diskutiert wird, nun setzen wir um.“
Daniel Mandl: „Kommen wir wieder zu etwas anderem: Was sind die Aufgaben oder Verantwortlichkeiten, die dir in der Öffentlichkeit häufig zugeschrieben werden, aber gar nicht deinen Aufgabenbereich treffen?“
Christoph Peschek: „Der Obervertriebsakquisiteur für Sponsoren zu sein. Ich höre oft, dass „der Peschek jetzt einen neuen Sponsor finden muss“, aber wir haben ganz klare Strukturen mit Verantwortlichkeiten und Kompetenzen geschaffen. Ich sehe mich nicht als der Oberexperte für eh alles, sondern als Generalist, der sicherstellt, dass die strategischen Priorisierungen durchgeführt, unsere Konzepte weiterentwickelt und verfolgt werden, die Weichen richtig gestellt, Maßnahmen umgesetzt und auch kritisch evaluiert werden. Meine Aufgabe ist die ganzheitliche Sicht. Wir haben unglaublich starke Alphatiere und Experten in verschiedenen Gebieten und meine Aufgabe ist es, unter anderem, diese immer wieder in die gemeinsame Richtung zu bringen und zu gewährleisten, dass wir diese PS auf die Straße bekommen. Wir haben einen hervorragenden Vertrieb und ich unterstütze gerne und bin gerne auch beim einen oder anderen Meeting mit dabei. Aber wir haben uns dazu entschlossen einen eigenen Vertrieb mit einem klaren Beziehungs- und Betreuungskonzept aufzubauen und die tollen Mitarbeiter setzen dies auch um. Das haben wir damals mit der Modul-Universität, also auch unter Einbeziehung externer Experten, entwickelt.
Daniel Mandl: „Kannst du uns drei Ziele nicht-sportlicher Natur aufzählen, die du in dieser laufenden Saison 2019/20, persönlich mit dem SK Rapid hast?“
Christoph Peschek: „Die Dachmarke „Rapid leben“, wo wir zahlreiche neue Schwerpunkte setzen werden, aufzubauen. Grünes Blut spenden, 1.899 Bäume pflanzen, als Gemeinschaft einen Gemeindebau reinigen, der einen Rapid-Bezug hat. Diese Dinge sind mir ein echtes Herzensanliegen, weil ich natürlich weiß, wo unsere Wurzeln liegen und welche Verantwortung damit verbunden ist. Ein Konzept und Ideen zu entwickeln ist das Eine, aber die Umsetzung neben dem Daily Business, das bei uns ohnehin jeden Tag enorm herausfordernd ist, ist das Andere. Dann haben wir natürlich das Thema Trainingszentrum, bei dem ich Projektleiter Stefan Ebner und sein Team bestmöglich unterstützen möchte, sodass die nötigen Behördenwege positiv absolviert werden können. Das dritte Ziel ist es, der gesamten Rapid-Gemeinschaft wieder zu vermitteln, dass Rapid Spaß macht. Natürlich auch unsere Digitalisierung weiter voranzutreiben. Wir haben in den letzten Jahren einen enormen Fokus darauf gelegt, Rapid im wirtschaftlichen Bereich zu professionalisieren. Das wird manchmal, wie ich meine fälschlicherweise, als Kommerzialisierung eingestuft. Aber wir mussten Strukturen mit klaren Verantwortlichkeiten und einer klaren Definition eines Präsidiums und der Geschäftsführung schaffen. Wir haben mittlerweile über 300 Menschen, die ein Entgelt vom SK Rapid beziehen, also rund 170 Vollzeitäquivalent. Wir haben in den letzten Jahren Umsätze über 40 Millionen generiert. Das alles zu führen, zu verantworten und stetig weiterzuentwickeln, ist etwas Herausforderndes und Wichtiges, was wir konsequent fortsetzen müssen. Und ganz wichtig: Ich sehe den Weg der Reformen noch lange nicht am Ende. Die Entwicklung Rapids muss in Etappen gesehen werden. Wir mussten 2013 die wirtschaftlichen Strukturen des SK Rapid verändern. Der erste Schritt war die Sicherstellung der Organisationsprozesse, Geschäftsordnung, Richtlinien, In-House-Strategie. Der zweite Schritt war der Bau und die Inbetriebnahme des Allianz Stadions. Aktuell befinden wir uns in Schritt drei, der vorsieht, dass die deutlich höheren wirtschaftlichen Ressourcen für den sportlichen Bereich effizient, bestmöglich eingesetzt werden müssen und weiter professionalisiert wird.
Daniel Mandl: „Was ist dein erster Eindruck von der Arbeit von Zoran Barisic?“
Christoph Peschek: „Zoki macht in seinen ersten Monaten einen hervorragenden Job, hat das Thema Spielphilosophie aus der Schublade geholt und überarbeitet es derzeit. Alles unter Einbeziehung des Trainerteams, Steffen Hofmann und der Nachwuchsverantwortlichen. Die Schwerpunkte Scouting, Kampfmannschaft, Nachwuchs und all deren Schnittstellen werden derzeit von Zoki und seinem Team bearbeitet. Um das Thema Reformen aber abzuschließen: Der folgende, vierte Schritt ist die Umsetzung und die Inbetriebnahme des Trainingszentrums und allem, was damit an Prozessen verbunden ist. Das Ziel all dieser Maßnahmen ist es, wirtschaftlich und sportlich nachhaltig wettbewerbsfähig sein zu können. Das Buch der Reformen wird also nicht geschlossen, wir sind mittendrin. Deshalb tu ich mir mit altbekannten Slogans wie „Rapid braucht Veränderung“ schwer – wir sind mittendrin.“
Stefan Karger: „Das Kardinalsproblem ist aber, dass sich all diese Prozesse und Veränderungen, die es zweifellos gibt, nicht in der sportlichen Leistung widerspiegeln…“
Christoph Peschek: „Ich bin ein Freund davon, alle Dinge so rational wie möglich zu sehen. Natürlich steht der sportliche Erfolg im Mittelpunkt aller Aktivitäten und aller Bestrebungen. Aber wir müssen uns auch die Ausgangssituation vor Augen führen und uns fragen, was noch alles an Maßnahmen notwendig ist. Warum ist Zoran Barisic jetzt Geschäftsführer Sport? Sicher aufgrund seiner absoluten Fußballkompetenz. Aber auch weil er den Klub und die Notwendigkeiten der verschiedenen Bereiche, wie kein anderer kennt. Er war hier selbst erfolgreicher Spieler, dann im Nachwuchs tätig, Individualtrainer und sehr erfolgreicher Kampfmannschaftstrainer. Das heißt, er hat für Erkennung und Entwicklung von Talenten und für die Kaderzusammenstellung ein gutes Auge und zudem eine enorme soziale Kompetenz. Er betrachtet Rapid auch ganzheitlich. Im Status Quo haben wir natürlich die letzte Saison noch stark in Erinnerung und das ist spürbar. Aber Zokis erste Schritte, die ich miterleben durfte, geben mir eine enorme Zuversicht, dass wenn wir – und das kann man sich vom LASK schon abschauen – ein klares Konzept und die notwendige Geduld und Vertrauen ermöglichen, wir in die sportliche Erfolgsspur zurückkehren werden. Titel sind in dieser Ausnahmesituation, in der eine Mannschaft in den letzten sechs Jahren 11 von 12 möglichen Titeln holte, derzeit keine Selbstverständlichkeit für Rapid, aber es muss unser klarer Anspruch sein, dauerhaft erster Jäger von Salzburg zu sein. Daran glaube ich.“
Daniel Mandl: „Weil du Zoran Barisic und sportliche Veränderungen angesprochen hast: Wie sehr bist du selbst in sportliche Entscheidungen involviert?“
Christoph Peschek: „Ich versuche gemeinsam mit dem Team einen Rahmen zu ermöglichen, der so viel zur Verfügung stellt wie möglich, um sportliche Erfolge sicherzustellen. Alles was wir tun, jede Aktivität, die wir setzen, dient ausschließlich dem Ziel, dem SK Rapid jetzt und auch morgen sportlichen Erfolg zu ermöglichen. Wie gesagt gibt es mittlerweile mehr an Ressourcen, auch für das Umfeld der Kampfmannschaft. Ich sehe mich nicht als Obersportexperte, der zu jedem Transfer seine fixe Meinung abgibt, sondern sehe mich eher in einer hinterfragenden Rolle und als Helfer bzw. Ermöglicher, um die Prozesse bestmöglich gestalten zu können. Ich muss natürlich auch ein Grundvertrauen in den Sportchef und die sportlich Verantwortlichen setzen, andernfalls wäre unsere ganze Organisationsstruktur falsch.“
Daniel Mandl: „Hat sich diesbezüglich in deinen bisherigen Jahren bei Rapid etwas verändert? Hast du dich früher in sportliche Belange mehr oder häufiger „eingemischt“?“
Christoph Peschek: „Jeder Sportverantwortliche hat einen anderen Stil. Die Situation stellt sich heute schon ein wenig anders dar als 2015. Es hat sich durch die Ausgliederung in die SK Rapid GmbH eine andere Verantwortungssituation ergeben. Ich habe damals schon und auch heute hinterfragt, aber wenn sich alle sportlichen Verantwortlichen einig waren, dass eine Entscheidung richtig ist, wieso sollte ich dann der sein, der sagt „ihr irrt euch alle“? Bei Zoki und mir ist es jetzt so, dass wir uns als Team verstehen, in dem ich für jeden kritischen Hinweis oder Input sehr dankbar bin und ich das Gefühl habe, dass Zoki und ich gemeinsam auch die Organisationstruktur im sportlichen Bereich effizienter und dynamischer machen können. Sowohl was die Aufbau-, als auch was die Ablauforganisation betrifft. Auch die Sicherstellung einer bestmöglichen Transferstrategie bzw. -planung ist wichtig, aber über die sportliche Auswahl der Spieler spreche ich nicht mit. Wir wollen jedenfalls beide mit ganzem Herzen Erfolge mit Rapid feiern.“
Daniel Mandl: „Im November wird ein neues Präsidium gewählt. Ohne schon jetzt zu tief ins Detail zu gehen: Was wünscht du dir ganz allgemein von einem neuen Präsidium des SK Rapid?“
Christoph Peschek: „Eine Geschäftsführung hat das von den Mitgliedern gewählte Präsidium zu akzeptieren und bestmöglich zusammenzuarbeiten. Ich wünsche mir, dass wir den Weg der Professionalisierung weitergehen und gegenseitiges Vertrauen. Bei aller Demut denke ich, dass wir da im wirtschaftlichen Bereich einiges schon sehr gut zustande gebracht haben. Und der sportliche Bereich soll konsequent unterstützt werden, wir alle arbeiten für bestmögliche Rahmenbedingungen für größtmöglichen sportlichen Erfolg und es sollte rasche und gute Entscheidungswege geben, damit Rapid die harten, tagtäglichen Herausforderungen in einem immer dynamischeren Fußball-Business gut meistern kann.“
Daniel Mandl: „Was sagst du aber zu dem wiederkehrenden Vorwurf, dass trotz der gewachsenen Ressourcen immer wieder zu wenig ins Team investiert wurde?“
Christoph Peschek: „Wir haben in den letzten drei Jahren Transferinvestitionen im zweistelligen Millionenbereich getätigt. Wenn jemand behauptet, dass der SK Rapid nicht alles daran gesetzt hat, dass wir sportlich wettbewerbsfähig sind, ist das gänzlich falsch. Es sind dann sicher nicht alle Erwartungshaltungen erfüllt worden, die wir in die verpflichteten Spieler gesetzt haben, aber das ist ein anderes paar Schuhe. Ich lese manchmal, dass der Peschek keine Mittel zur Verfügung stellt. Sicher bin ich bei Rapid strenger als bei mir daheim, weil es ja nicht mein Geld ist. Das ist Geld von Rapid und deshalb müssen wir jeden Cent umdrehen, damit es auch richtig verwendet wird. Aber gerade für den sportlichen Bereich haben wir sehr systematisch investiert. Wir benützen mit soccerlab eine neue Sportmanagementplattform, die dafür sorgt, dass keine Inseln des Wissens entstehen, sondern unser Wissen gebündelt wird, was wiederum die Prozesse verbessert. GPS-Systeme für die erste und zweite Mannschaft, Analysetools, auch für den Nachwuchsbereich, das sind alles Dinge, die man eben nicht auf den ersten Blick sieht, die aber trotzdem viel Geld kosten. Zudem haben wir deutlich mehr in den Nachwuchs investiert und man sieht ja, dass immer wieder junge Spieler in die Kampfmannschaft aufrücken, womit auch diese Investitionen darstellbar sind. Also den Vorwurf, dass wir zu wenig Mittel in den Sport investieren, lasse ich schlichtweg nicht gelten.“
Daniel Mandl: „Wieso glaubst du, dass derartige Vorwürfe überhaupt auftauchen?“
Christoph Peschek: „Möglicherweise spielt hier die Unzufriedenheit über zu viele titellose Jahre mit. Ich sehe mich grundsätzlich als Ermöglicher und nicht als Verhinderer. Wenn jemand mit Wünschen oder Ideen an mich herantritt, dann versuche ich immer Lösungen zu finden und die Wünsche nicht einfach kategorisch zu verhindern. Dass aber eine mehrjährige sportliche Underperformance in der Bundesliga auch Auswirkungen auf der wirtschaftlichen Seite hat, sagt ja schon die Logik. Weder Zoki noch ich sind Zauberer. Im Vergleich zur ersten Saison im Allianz Stadion hatten wir beispielsweise im Consumer Bereich 2017/18 rund zwei Millionen weniger Erlöse. Wir spielen nicht europäisch, wodurch Spiele und Prämien wegfallen. Wir haben von Lieferantenseite sechsstellige Preissteigerungen gehabt, die wir nie den Fans „weitergegeben“ haben. Und es gab ja keine Index-Anpassungen, außer einmal eine 10 Cent Teuerung beim Bier im Stadion. Wenn wir wiederum das Bier günstiger machen würden, sagen wir 3,90 Euro, dann bräuchten wir 11% mehr Umsatz, um den gleichen Deckungsbeitrag zu haben wie jetzt. Dasselbe Spielchen kann man auch mit den Ticketpreisen oder bei anderen Themen spielen. Dementsprechend sorgsam müssen wir mit unseren Mitteln umgehen und können nicht jede populistische Idee umsetzen.“
Daniel Mandl: „Im Austrian Soccer Board wurde auch die hohe Mitarbeiterfluktuation in der Rapid-Geschäftsstelle angesprochen. Was kannst du dazu sagen?“
Christoph Peschek: „Wir bewegen uns im privatwirtschaftlichen Norm-Bereich. Wir haben für jeden Job, den wir vergeben ein Anforderungsprofil bzw. eine Stellenbeschreibung. Wenn wir einen Job neu besetzen, dann wird dieser im Regelfall auf karriere.at und auch intern ausgeschrieben. Und dann gibt es einen klaren Prozess, wo der Personalverantwortliche, wie auch der Fachbereichsverantwortliche zusammensitzen. Wir haben sechs Direktionen, also sechs Direktoren die unmittelbar mir zugerechnet sind und die wiederum darunter ihre Mitarbeiter zu führen haben. Wenn ich alle Mitarbeiter unterhalb der Direktoren selbst führen soll, bräuchte ich ja den Direktor dazwischen nicht. Das ist eine ganz klare Struktur von oben nach unten. Dass ich am Ende des Tages für alles verantwortlich bin, auch für die Dinge, für die ich gar nicht zuständig bin, ist ein anderes Paar Schuhe. Aber von den Direktoren sind vor einigen Monaten Harry Gartler, der ein sehr gutes Angebot vom LASK bekam und Jurist Niklas Belihart gegangen und ich habe die Ressorts Infrastruktur, Sicherheit und Recht verschmolzen, weil ich davon überzeugt bin, dass Infrastruktur und Sicherheit im Fußball artverwandt sind. Sales-Direktor Jürgen Gruber wird uns verlassen, weil er die Chance bekommt, in der Branche in der er 20 Jahre lang tätig war, Geschäftsführer zu werden. Das find ich für uns sehr schade, weil er einen hervorragenden Job gemacht hat. Aber wegen einigen wenigen begründeten Abgängen in gut fünf Jahren von hoher Fluktuation zu sprechen, ist schon sehr kurios. Und letztlich zeigt es, dass auch Rapid in der Wirtschaft mittlerweile sehr gut angesehen ist, denn solche „Abwerbungen“ sind ja letztlich auch ein Kompliment.“
Daniel Mandl: „Womit wir aber auch wieder irgendwie beim jüngsten Transferüberschuss sind. Es wurde ja öffentlich weithin von kolportierten neun Millionen Euro Transfererlös, bei etwas mehr als zwei Millionen Ausgaben gesprochen…“
Christoph Peschek: „Die kolportierten neun Millionen Transfererlöse für den SK Rapid bei Mert Müldür und Boli Bolingoli sind falsch und zu hoch angesetzt. Du hast oftmals in Verträgen immer gewisse Prämierungen unter gewissen Voraussetzungen. Aber mit denen von Haus aus zu planen entspricht nicht unserer Budgetpolitik. Demgegenüber haben wir auch Spieler geholt, die Ablöse kosteten und auch ein entsprechendes Gehalt beziehen. Das ist auch eine Sache, die wir in der nächsten Zeit hoch priorisiert haben: Wir müssen unsere Gehaltspyramide wieder zu einer Pyramide machen und vom „Gehaltscornetto“ wegkommen. Dabei ist uns schon einiges gelungen. Ich bin von Kindheit an Rapidler und es bringt mir auch in meiner jetzigen Position nichts, wenn ich von Rekordumsätzen, Rekorderlösen oder ähnlichem reden kann. Ich will das, was alle wollen, was uns alle miteinander antreibt. Ich will sportlichen Erfolg, Spiele und wenn möglich Titel gewinnen…“
Daniel Mandl: „Anders gefragt: Welche anderen Gründe kann es geben, dass Rapid mit seinen hohen Umsätzen, nicht deutlich stärker ist, als die so genannten „Kleinen“ oder Provinzklubs?“
Christoph Peschek: „Durch die Veröffentlichung unserer detaillierten Geschäftsberichte sind wir sehr transparent, bei vielen anderen Klubs ist dies bekanntlich nicht so. Red Bull Salzburg hatte und hat zahlreiche Spieler bei Bundesligisten geparkt – nicht bei uns. Wir haben innerhalb der Liga die Diskussion begonnen, dass es ein besseres Regelwerk benötigt, um sicherzustellen, dass es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommen kann. Es ist ein Faktum, dass sowohl Sturm Graz – mit Ausnahme von Gideon Mensah – als auch wir nicht unbedingt mit dem Füllhorn Spieler von Salzburg bekommen hätten. Ich bezweifle, dass die Spieler, die Red Bull an manche Klubs verleiht, ins Gehaltsgefüge des jeweiligen Klubs passen würden. Wenn es hier eine gewisse Form von Subvention gäbe, dann wäre das ein Eingriff in den Wettbewerb, den wir für sehr problematisch erachten. Wir haben das in der Liga zur Sprache gebracht, weil wir es für notwendig erachten, sowohl für Rapid, als auch für den österreichischen Fußball. Das bedeutet natürlich auch, dass du dann Klubs hast, die gegen dich sind, weil sie sich erhoffen, davon zu profitieren. Und genau in diesem Spannungsverhältnis leben wir dann. Aber Tatsache ist auch, dass viele sogenannte kleinere Klubs sehr gut arbeiten.“
Daniel Mandl: „Wenn man solche harten Themen anspricht, darf man sich aber nicht wundern, wenn so mancher Klub eine Retourkutsche parat hat.“
Christoph Peschek: „Wenn es rhetorisch ist, habe ich rein gar nichts dagegen! Es braucht eine vernünftige Basis. Man muss an einem Tisch sitzen und über Dinge reden können und die gibt es prinzipiell. Aber wir leben im Fußball von Emotionen. Wenn sich in Deutschland Hoeneß und Lemke in den 90ern in die Haare kriegten oder heute Watzke und Tönnies, dann ist das halt so. Die Öffentlichkeit findet’s unterhaltsam. Mein Gott, soll so sein! Ich sehe das überhaupt nicht als Problem. Ich sehe es total tiefenentspannt, wenn uns zum Beispiel der LASK rhetorisch attackiert oder Salzburg uns über soziale Netzwerke neckt. Ja, ok, das gehört dazu, wir machen es ja auch manchmal, da muss man gelassen sein. Problematisch wird es allerdings, wenn man Strafen gegen uns fordert oder Verträge aufschnürt. Dass wir in einer Rivalität leben ist schon gut so.“
Daniel Mandl: „Am Ende noch etwas ganz Anderes: Es ist immer wieder Thema, dass Rapid eine Frauenmannschaft aufbauen will oder soll. Wie ist da der Status?“
Christoph Peschek: „Wir haben infrastrukturell derzeit begrenzte Ressourcen. 15 Mannschaften trainieren derzeit auf sechs Plätzen. Daher würde die Gründung eines Frauenteams die infrastrukturelle Problematik derzeit noch weiter verschärfen. Die Grundvoraussetzung ist also die Infrastruktur und ein weiterer Punkt ist die wirtschaftliche Komponente. Mir ist derzeit kein Frauenteam eines Vereins, der auch Männerfußball betreibt, bekannt, der ein positives oder zumindest ausgeglichenes Ergebnis erzielt. Man kann bewusst in diesen Bereich investieren, gar keine Frage, aber gleichzeitig muss man auch immer darüber nachdenken, wo man das Geld stattdessen wegnimmt. Das muss genauso mitdiskutiert werden. Zudem halte ich unser Leitbild für unseren Kompass und wo Rapid draufsteht, sollte auch Rapid drin sein. Wenn wir jetzt möglichst schnell ein Frauenteam aufbauen und das ist dann aber „Rapid XY“ – ist das dann Rapid? Deshalb haben wir uns vorerst dafür entschieden, dass wir analog zur Tormannakademie eine Frauenakademie gründen, wo wir jungen, talentierten Frauen und Mädchen die Möglichkeit geben, mit Rapid-Trainern ihre Fähigkeiten und Talente weiterzuentwickeln und damit auch den Klubs, bei denen sie spielen, eine Unterstützung zu geben. Abschließend wissen wir natürlich um unsere Strahlkraft und wir müssten nachdenken, ob wir möglicherweise gut funktionierende Frauenteams in der Region mit einem eigenen Frauenteam nicht schwächen würden.“
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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