Nach der bitteren 6:0-Niederlage gegen Valencia unter der Woche hat Rapid die Chance zur Rehabilitation erhalten. In der heimischen Liga trafen sie gestern auf... Rapid im Fokus (5) – Bekannte Probleme beim Auswärtssieg in Graz

SK Rapid Wien vs SK Sturm Graz_abseits.atNach der bitteren 6:0-Niederlage gegen Valencia unter der Woche hat Rapid die Chance zur Rehabilitation erhalten. In der heimischen Liga trafen sie gestern auf Sturm Graz. In diesem Spiel hatten einige Experten und Statistiken gar die Grazer als Favoriten, während Rapid zurzeit jeden Sieg benötigt, um weiterhin im Kampf um die Tabellenführung mit Red Bull Salzburg mitzuziehen, sowie die nächsten Verfolger auf Distanz zu halten. Bei einer Niederlage hätte Sturm beispielsweise den Abstand auf sechs Punkte verkürzt; durch den Sieg schaffte Rapid allerdings mit zwölf Punkten einen fast uneinholbaren Vorsprung auf Platz 4.

In dieser Serie soll es aber weiterhin um die Mängel im Spiel Rapids gehen. Schon in den Partien davor hatten wir bei Siegen die Fehler der Hütteldorfer genauer betrachtet. Diese bestätigten sich in der Partie gegen Valencia. Gegen Sturm gab es wieder gewisse Probleme, es reichte dennoch zum Sieg.

Einmal mehr Abstimmungsprobleme

Was bei Rapid auffällig ist, ist die mangelnde Kohärenz im Spielsystem. Ist man eine Ballbesitzmannschaft? Eine Kontermannschaft? Manche Teams – wie der FC Barcelona unter Luis Enrique, um den größten Namen zu bedienen – wechseln flexibel dazwischen. Dennoch ist in all diesen unterschiedlichen Ausrichtungen erkennbar, dass die jeweiligen Aufgaben klar erkennbar sind. Bei Rapid fehlt es in beiden Ausrichtungen an den Mustern, welche von allen Spielern in den gleichen Momenten abgerufen werden.

Ein klares Beispiel sieht man beispielsweise hier:

1 - Abstimmungsprobleme

Der Rapid-Verteidiger hat sich hier gedreht, weil er noch recht viel Raum und Zeit am Ball hatte. Zuvor blickte er Richtung Flügel, nun dreht er sich in die Mitte. Normalerweise erwartet man sich davon einen geplanten Diagonalpass auf einen der Sechser. So ist hier ein Spieler im weit offenen Raum für einen solchen flachen Diagonalpass offen. Die anderen Spieler werden mannorientiert verfolgt, sind also nur unter Risiko anspielbar. Der richtige Pass auf den freien Spieler kommt jedoch nicht. Stattdessen spielt der Innenverteidiger einen langen Diagonalball in eine Drucksituation auf den vorderen rechten Flügel, der ins Aus geht und somit Ballbesitz für Sturm bedeutet. Solche Situationen kamen häufig vor, bei denen die Entscheidungsfindung der Spieler ohne Ball und der Spieler mit dem Ball nicht zusammenpasst.

Diese Probleme entstehen letztlich auch darum, weil die Spieler individuell keine genauen Orientierungsvorgaben haben. Wohin muss man gehen? In welcher Situation sollen welche Passoptionen wo offen sein? In welchen Situationen geht man lang oder nicht? Wäre dies eindeutig erklärt, dann hätten die Spieler in jeder Situation mehr Optionen und solche Aktionen wie in der obigen Grafik würden seltener vorkommen.

Auch gegen den Ball gab es wieder gewisse Probleme zu sehen. Hierbei sehen wir uns dieses Mal genauer an, welche Räume in der österreichischen Liga kaum bzw. nur zufällig bespielt werden, aber von stärkeren Mannschaften auf internationalem Boden bestraft werden.

Mannorientierungen und Kompaktheitsprobleme

Insbesondere im höheren Pressing nutzt Rapid gerne Mannorientierungen. Die Spieler stehen enger an bestimmten Gegenspielern und möchten dadurch Druck erzeugen, sowie Passoptionen versperren, um bei Pässen direkt Zugriff auf den Ball zu haben, oder den Gegner zu langen Bällen zu zwingen. Grundsätzlich ist dies keine schlechte Idee: Viele Mannschaften haben Probleme gegen Mannorientierungen zu spielen und lassen sich dadurch enorm einfach aus ihrem Aufbauspielrhythmus nehmen. Die Umsetzung muss allerdings passen.

2 - Mannorientiert im Pressing

In dieser Situation sehen wir die Mannorientierungen. Wie man gut erkennen kann, muss Sturm Graz in dieser Situation schnell und präzise spielen, ansonsten haben sie kaum Optionen um ohne Ballverluste nach vorne zu kommen. Die genaue Umsetzung dieses Pressings Rapids ist die Ursache, wieso Sturm dazu kommt. Einerseits sieht man an diesem Bild bereits, dass die Rapidler nicht besonders kompakt sind. Zwischen den Mannschafsteilen sind jeweils fünf bis zehn Meter zu viel Abstand in der Vertikale, auch die Horizontale könnte kompakter sein. Bayern oder Bayer Leverkusen lassen beispielsweise die ballfernen Flügelspieler bis in die Mitte einrücken, was natürlich dem ballfernen Sechser und Innenverteidiger ebenfalls eine engere Position erlaubt, wodurch wiederum die Spieler in Ballnähe doppeln und mit weniger Raum besser verteidigen können.

Bei dieser Umsetzung und diesen Mannorientierungen öffnen sich nämlich große Räume. Diese sind in der nächsten Situation sichtbar.

3 - Offene Räume

Der Sechser verfolgt Sturms Angreifer bei dessen Lauf und lässt sich in Richtung Flügel drücken. Der andere Sechser steht jetzt zwanzig Meter von ihm entfernt, es sind enorme Räume im Zwischenlinienraum nicht nur offen, sondern auch anspielbar. Der Flügelstürmer Sturms in dieser Situation kann in die Mitte ziehen oder den Außenverteidiger anspielen. Eine Mannschaft mit Angriffsaufbau auf allerhöchstem Niveau würde hier den Mittelstürmer oder einen der ballfernen Spieler einrücken lassen, um diese offenen Räume mit einem simplen Diagonalpass erreichbar zu machen. Die Bayern hätten etwa mit einem 3-2-4-1 oder einem 3-1-4-2 eine simple Möglichkeit hinten herauszuspielen, die Flügelstürmer in der Mitte einzubinden, die Rapidler Viererkette zu binden und sich zurückfallen zu lassen.

Eine kompaktere Spielweise ermöglicht hier viel mehr Präsenz und verschließt automatisch die Passwege. Dies mag gegen Sturm in dieser Situation keine Rolle spielen, aber kann über mehrere Situationen hinweg, oder gegen stärkere Mannschaften für enorme Defensivanfälligkeit sorgen.

Rapids Probleme mit den Mannorientierungen

Dass die Rapidler nicht unbedingt dazu gehören, zeigte sich auch darin, dass sie Sturm Graz‘ Mannorientierungen nicht sauber ausspielten. Das 0:1 für Rapid fiel aus einem schwachen Angriffsaufbau Sturms und einem schnellen Konter, welcher von Philipp Schobesberger hervorragend beendet wurde; das Konterspiel ist ohnehin eine Stärke Rapids, wenn sie sich auf eine kompakte Defensive im Mittelfeldpressing und schnelles Umschalten über die eingerückten Flügelstürmer konzentrieren. So hatte man auch Villarreal und Ajax enorme Probleme bereitet.

Im Spielaufbau selbst aber hatte man Probleme; und ebenso wie Sturm nicht über bestimmte Bewegungen Rapids Mannorientierungen bespielen konnte, schaffte auch Rapid dies im Gegenzug nicht konstant mit hochklassigen Chancen am Ende.

4 - Strukturkatastrophe

Zum Bespielen von Mannorientierungen benötigt man viele Sachen – unter anderem eine passende Struktur, die hier nicht gegeben ist: Viele Spieler stehen vor dem Gegenspieler, niemand versucht Raum zu öffnen oder die Zwischenlinienräume zu besetzen, auch die Abstände sind unpassend. Größere Abstände mit passenden Distanzen über den Platz verteilt bei passendem Geben von Tiefe und Breite ermöglichen mehr Raum zum Freilaufen, Drehen und für Dribblings für die einzelnen Spieler.

Dazu gibt es mehrere Maßnahmen, um sich von Mannorientierungen zu lösen: Das Antäuschen von Freilaufbewegungen mit schnellen Richtungswechseln, Positionswechseln, die Betrachtung der gegnerischen Aufmerksamkeit anhand des Sichtfelds, passender Rhythmus im Freilaufen, Doppelpässe und Läufe auf die ballferne Seite, um den Gegenspieler nicht mehr näher zum eigenen Tor verteidigen zu lassen, können beispielsweise genutzt werden.

Bei Rapid scheint es dabei wenige Vorgaben zu geben. Die Spieler bewegten sich eher intuitiv zum Ball und zogen ihre Gegenspieler mit, anstatt auf bestimmte Richtlinien Acht zu geben, was die Zirkulation weniger effektiv und träge machte.

abseits.at Redaktion

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