Der Abgang des Montenegriners Branko Boskovic, Rückennummer 27, hinterließ tiefe Furchen im Mittelfeld des österreichischen Rekordmeisters. Das einst erfolgreiche und flexibel umgesetzte 4-1-3-2-System mit... Rapid und das 27er-Problem

Der Abgang des Montenegriners Branko Boskovic, Rückennummer 27, hinterließ tiefe Furchen im Mittelfeld des österreichischen Rekordmeisters. Das einst erfolgreiche und flexibel umgesetzte 4-1-3-2-System mit Boskovic als Allrounder in der Mittelfeldzentrale wurde aufgegeben. Die Systemumstellung machte Rapid Schwierigkeiten und das Ergebnis schlägt sich 2010/11 in der Bundesligatabelle nieder.

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Nicht nur ein Spiel zeigte die großen Probleme Rapids, wenn Pacult das von den Fans ungeliebte 4-2-2-2-System, für dessen erfolgreiche Umsetzung der SK Rapid in der aktuellen Spielzeit, nicht über das passende Spielermaterial verfügt, auf den Platz schickte. Das für Rapid-Fans ärgerliche 0:0 gegen den LASK ist nur ein Beispiel in einer Reihe von missglückten beziehungsweise „vercoachten“ Spielen, die Rapid 2010/11 um einen internationalen Startplatz brachten.

DEFENSIVE ZU VORSICHTIG

Das Problem in der grün-weißen Taktik war bereits lange augenscheinlich. Die vorsichtige „Doppelsechs“, zwei defensive Mittelfeldspieler, machten jeweils zu wenig für das Spiel nach vorne. Im Gegenteil: Markus Heikkinen, vor etwa einem Jahr noch eine Stütze des Rapid-Mittelfelds läuft Gefahr das „Blanchard-Schicksal“ zu erleiden. Der ehemalige französische Mittelfeldmann des Stadtrivalens musste im Sommer 2009 gehen, weil er das Offensivspiel der Austria zu sehr bremste. Auch Heikkinens Spiel – der Finne ist heute vier Jahre jünger als Blanchard damals – beginnt bereits zu sicher für ein modernes Spielsystem zu werden. Auch neben dem Chef der zentralen Mittelfelddefensive ist die Grundausrichtung zu vorsichtig: Pehlivan machte das Spiel des SK Rapid mit riskanten Kurzpässen, oft in Laufrichtung des Gegners, gar noch unsicherer. Ähnlich wie Pehlivan wurde auch Kulovits in Pacults System oft für seine „Alibipässe“ kritisiert. Der Zug auf’s gegnerische Tor, den Branko Boskovic aus dem defensiven Mittelfeld heraus mit breiter Brust verkörperte, ist Vergangenheit. Rapid wurde mit dem Abgang seiner Nummer 27 zu einem offenen Buch für jeden Gegner.

RECHTS UNSICHER, LINKS ZWEIDIMMENSIONAL

Auch Steffen Hofmann wird nicht ausreichend entlastet. Da es den Deutschen gerne von der rechten Seite in die Mitte zog, war nicht selten die rechte Flanke Rapids nach hinten hin entblößt, wodurch wiederum keiner der Außenverteidiger, die Hofmann eigentlich den Rücken decken sollten, gut aussahen: Andreas Dober spielte sich mit körperlosen Leistungen aus den Herzen der Fans, Christian Thonhofer wurde gar temporär aussortiert und nach Wiener Neustadt verliehen, selbst Tanju Kayhan, anfänglich als neue Hoffnung für eine der wichtigsten Positionen im modernen Fußball gehandelt, musste im Frühjahr 2011 einige Unkenrufe von den Rängen wegstecken. Auf der gegenüberliegenden Seite findet sich zudem ein technisch-konträres Bild: Christopher Drazan ist als Flügelflitzer bekannt, entlastet seine Mittelfeldkollegen zentral kaum. Die Backups für die linke Seite, Veli Kavlak und Christoph Saurer, kommen mit Position und System nicht zurecht. Zu häufig laufen sich die technisch starken Rapid-Spieler fest, finden kaum Anspielstationen, die das Spiel nicht bremsen. Anspielstationen, wie sie der geschiedene 27er im Rapid-Mittelfeld seit Februar 2007 bot.

ZU VIELE „BRECHER“

Zu allem Überfluss verlor Rapids Angriff mit dem Abgang von Nikica Jelavic nicht nur an Qualität, sondern auch an Flexibilität. Während sich der mittlerweile von Manchester United umworbene Kroate Bälle aus dem Mittelfeld holte, zeitweise zwei Gegenspieler auf sich zog, haben Rapids aktuelle Angreifer einen zu selbstverständlichen Zug auf’s gegnerische Tor. Rapids „Kobra“ Hamdi Salihi bewies mit 17 Bundesligasaisontoren Klasse, Atdhe Nuhiu macht zwar durch Carsten Janckers anspruchsvolle Einzeltrainings Fortschritte, ist aber noch nicht der natürliche Heilsbringer. René Gartler könnte in eine spielende Stürmerrolle schlüpfen, bleibt jedoch weiterhin vom Verletzungspech verfolgt. Wie auch der dritte Strafraumstürmer im Bunde, Jan Vennegoor of Hesselink, der seinen Zenit offensichtlich überschritten hat.

DIE SUCHE NACH DEM NEUEN 27ER

Eine einfache Rechnung in Grün-Weiß: Unzureichende Aktivitäten auf dem Transfermarkt plus Fehler in der taktischen Praxis ergibt keinen Europacupplatz. Kaum ein Team war im Laufe der Saison einfacher auszurechnen als Rapid. Die Grundausrichtung der Angreifer wurde nach uns nach offensiver, die Grundausrichtung der alternden und zugleich verunsicherten Defensivzentrale im Mittelfeld wurde immer offensiver und inmitten des Spielfeld klaffte alsbald ein Loch, das bei Rapid niemand mehr zu stopfen wusste. Eben das Loch, das Branko Boskovic schloss und damit eine Schlüsselfigur der erfolgreichen letzten Jahre des Traditionsvereins wurde. Der junge Boris Prokopic ist als Ersatz für den heutigen Washington D.C. Legionär überfordert, anderen wie den defensiv zu laufschwachen Kavlak oder Saurer traut man die Position nicht zu. Rapids einziger Ausweg, benötigter schneller Angreifer oder neuer Abwehrchef hin oder her, ist es einen annähernd gleichwertigen Boskovic-Ersatz aus dem Ausland zu verpflichten, der dieser zentralen Position beim SK Rapid gewachsen ist.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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