Rapid und das Problem mit der fehlenden Power von der Ersatzbank
Bundesliga 8.August.2012 Daniel Mandl 3
Klar: Beim 0:3 im Wiener Derby bekleckerte sich kaum ein Rapid-Spieler mit Ruhm. Einzig Lukas Königshofer spielte in Normalform. Zusätzlich zur schwachen Darbietung von Rapids erstem Anzug, bot das Aufeinandertreffen mit dem Lokalrivalen auch einen guten Vergleich in Bezug auf die Kaderdichte bzw. –ausgewogenheit der beiden Teams. Und auch diesen Vergleich verloren die Grün-Weißen.
Die Austria stellte vor dem Derby um, brachte mit Roman Kienast und Tomas Simkovic die späteren Matchwinner des Derbies. Auch Innenverteidiger Kaja Rogulj blieb trotz des Drucks der Schnittpartie souverän, gewann 87% seiner Zweikämpfe und brachte von allen Austria-Spielern die meisten Bälle an den Mann. Stöger hat nicht den größten Kader aller Bundesligisten zur Verfügung, auch nicht den mit den variabelsten Spielern. Dafür hat er für einige Positionen echte „Spezialisten“, die ein Spiel nach ihrer Einwechslung oder bei ihrer Startelf-Chance punktuell umgestalten können.
Erster Anzug sitzt. Grundsätzlich…
Auf Rapid trifft dies weniger zu. Dass der erste Anzug sitzt zeigten bereits die ersten Saisonauftritte – und Peter Schöttel ist geduldig genug, um sich vom unglücklichen 1:2 in Novi Sad und dem verdienten 0:3 im Derby nicht verrückt machen zu lassen. Aber was Schöttel aktuell von der Bank bringen oder nicht bringen kann, könnte auf längere Sicht zu einem Problem werden.
Heikkinen alles andere als ein Antreiber / moderner 6er
Ein Sinnbild für die „Schwäche von der Bank“ ist der Finne Markus Heikkinen, dessen sechste Saison bei Rapid wohl auch seine letzte sein wird. Gegen Vojvodina Novi Sad spielte er über 90 Minuten – und das über weite Strecken schwach. Gegen die Austria musste er nach 74 Minuten für den angeschlagenen Ildiz einspringen, setzte aber keinerlei Akzente, ließ jegliche Präsenz vermissen. In den 20 Minuten, die er inklusive Nachspielzeit auf dem Platz stand, ging er nur in einen Zweikampf – und den verlor er. Man hat nie das Gefühl, dass der Finne das Spiel Rapids antreiben kann, sondern muss mittlerweile eher auch auf defensive Fehler des 33-Jährigen gefasst sein.
Prager brav, aber ohne zündende Ideen
Ein ähnliches Problem hat der sieben Jahre jüngere Thomas Prager. Der defensive Mittelfeldspieler sollte „Box-to-Box“ spielen, allerdings beschränkt er sich nur auf das Nötigste und ist angesichts seiner mangelnden Courage meilenweit von einem Assist oder Tor entfernt. Allerdings wäre er einer der Spieler, die zumindest für Assists sorgen müssten. Der talentierteste Mittelfeldmotor bringt allerdings nichts, wenn er sich seit vielen Monaten in einer schweren Formkrise befindet. Auch Prager ist kein Spieler, der für Rapid in heiklen Momenten die Kohle aus dem Feuer holen kann.
Esprit bei Burgstaller nicht spürbar
Der markanteste Flop der letzten Wochen und Monate ist allerdings Guido Burgstaller. Gegen die Austria stand er eine halbe Stunde auf dem Platz, „glänzte“ dabei mit technischen Ungenauigkeiten, viel zu geradlinigem, espritlosem Spiel und einer verheerenden Zweikampfbilanz: Der 23-Jährige verlor jedes seiner acht Duelle Mann gegen Mann. Gerade Burgstaller sollte nach den Negativschlagzeilen der letzten Wochen Vollgas geben, um wieder in die erste Elf zu rutschen. Spürbar ist der Biss des Kärntners allerdings nicht – auch in Novi Sad zählte er zu den Schwächsten.
Eine Positionsänderung auf der Zentralachse macht Rapids Elf schwindelig
Der Mangel an Spezialisten zeigt sich auch, wenn man das Resultat der womöglich sogar unbeabsichtigten Positionsrochade zwischen Ildiz und Kulovits betrachtet. Gegen Wiener Neustadt zählte Ildiz als tiefer Spielmacher zu den Stärksten, Kulovits spielte zuletzt ansprechende Partien auf einer etwas offensiveren Position, weil er dort mit seiner Laufstärke das Spiel ohne Ball ankurbeln kann. Gegen die Austria war Kulovits als „tieferer“ der beiden Spieler im Aufbauspiel absolut hilflos – und Ildiz hing in der Luft, weil er nicht am unmittelbaren Spielaufbau beteiligt war und eine Etappe höher keine Bälle bekam. Man setzte die Staffelung zweier zentraler Spieler anders und nichts funktionierte mehr. Obwohl dies natürlich nicht der einzige Grund für das Scheitern des grün-weißen Matchplans am vergangenen Sonntag war.
„Dunkle Seite der Flexibilität“?
Und die dauerhaften Bankdrücker? Michael Schimpelsberger ist ebenso wenig ein Schlüsselspieler wie Thomas Schrammel. Sie sind solide Ersatzleute für die Außenverteidigerpositionen, aber keine „Chefs“, die das Heft in einer schwierigen Phase in die Hand nehmen. Lukas Grozurek ist brav und sucht Überraschungsmomente, spielt jedoch noch zu körperlos, um zu einer Gallionsfigur reifen zu können. Und einen echten Ersatz für den wuchtigen Mittelstürmer Terrence Boyd gibt es de facto nicht. Die Zeiten, in denen man wenigstens einen Turm wie Nuhiu in die Schlacht werfen konnte, sind passé. Insgesamt bedeutet dies, sehr oberflächlich gesprochen, dass der Spielverlauf einer Partie Rapid in die Karten spielen muss, soll das Spiel erfolgreich enden. Denn viel Potential das Ruder herumzureißen hat man aufgrund der fehlenden Spezialisten nicht. Man könnte dies auch Kehrseite der Flexibilitäts-Medaille bezeichnen.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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