Rapid und das Suderantentum, oder: Mehr als drei Punkte kann man nicht holen
Bundesliga 17.Februar.2015 Daniel Mandl 6
Es war eine kuriose Partie, die die Frühjahrssaison in der tipico Bundesliga einläutete. Rapid besiegte die SV Ried mit 3:0, wobei das Spiel bereits nach 39 Minuten entschieden war. Als Deni Alar seinen zweiten Elfmeter verwandelte, standen die Rieder nur noch zu neunt auf dem Rasen. Ein weiteres Elfertor in der ersten Halbzeit setzte den Schlusspunkt. Die zweite Halbzeit war hingegen zähe Kost.
Rapid startete nicht unbedingt souverän in die Partie und wies, wie schon in den Vorbereitungsspielen, Probleme im Spielaufbau auf. Immer wieder wurde das Aufbauspiel unnötig riskant gestaltet. Im Rieder 3-4-2-1-System machten vor allem die aggressiven Außenspieler auf sich aufmerksam. Speziell Stefan Lainer lief gut an, schaltete nach erfolglosem Pressing wieder schnell auf Defensive um und machte Rapid damit das Leben schwer. Mit Fortdauer der Partie wurde auch sein Gegenüber Oliver Kragl stärker.
Gute Gegenpressingaktion und toller Pass leiten Rieder Untergang ein
Abspielfehler und Schwierigkeiten gegen die massige Rieder Dreierkette in den Strafraum zu kommen, prägten die Anfangsviertelstunde. Der geneigte Fan war bereits wieder am Jammern, als Dominik Wydra in der Zentrale leichtsinnig den Ball verlor und ihn dank gutem Gegenpressing doch wieder zurückbekam. Sein darauffolgender Pass auf Robert Beric war aller Ehren wert und leitete den Rieder Untergang ein. Der Rest ist ein kleines Stück Bundesliga-Geschichte: Gebauer und Trauner flogen jeweils wegen Torraubs vom Platz, Rapid verwandelte drei Elfmeter und siegte mit 3:0.
Rieder machen im 5-3-0 zu, Rapid zahnlos
Gut spielten die Grün-Weißen dabei nicht. Man tat vor 14.000 Zuschauern das Nötigste – die junge Mannschaft zündete in der zweiten Halbzeit bei Zwei-Mann-Überzahl kein Feuerwerk, sondern spielte die Partie unspektakulär nach Hause, ohne den Oberösterreichern so richtig weh zu tun. Die besten Chancen auf einen höheren Sieg vergaben Beric und Starkl. Ried konnte in der zweiten Halbzeit überzeugen und wollte sich den Grün-Weißen nicht auf dem Silbertablett servieren. Das engmaschige 5-3-0, das die Rieder aufzogen, war zu dicht für die Hütteldorfer. Durch konsequentes Defensivspiel „belohnten“ sich die Innviertler in einer undankbaren zweiten Hälfte damit, dass sie keine weiteren Treffer einstecken mussten.
Bei Rapid kriegt man nie genug
Auf der Tribüne sah man inzwischen einer entspannten zweiten Halbzeit entgegen. Die Fans im Ernst-Happel-Stadion freuten sich in der Pause auf ein Schützenfest. Rapid stand schon in grauer Fußballvorzeit dafür, unersättlich zu sein – da kam es schon mal vor, dass ein Trainer mit einem nahezu zweistelligen Ergebnis nicht zufrieden war, weil der Sieg eigentlich viel höher hätte ausfallen müssen. Diese Zeiten sind natürlich fast ein Jahrhundert her, aber viele Fans erinnern sich an die Zeiten des „50-Tore-Sturms“ Hoffer-Maierhofer, die Sternstunden des Nikica Jelavic und viele andere Akteure, die vom Toreschießen nicht genug bekamen.
„Nur Geduld, das wird schon…“
In der ersten Viertelstunde der zweiten Halbzeit herrschte noch Popcorn-Stimmung. Da und dort ein paar (unqualifizierte) Zwischenrufe, dann lauter werdende Forderungen nach einem vierten Treffer, um einer Rieder Mannschaft, die mit zwei Mann weniger bestimmt müde werden würde, den Todesstoß zu versetzen. Das letzte Mal, dass Rapid in einem Heimspiel fünf Tore erzielte, war am 17.September 2011 – damals gewann Grün-Weiß mit 5:1 gegen Kapfenberg. Der letzte Rapid-Sieg mit fünf Toren Differenz fand am 20.November 2010 statt, damals 5:0 gegen den LASK mit vier Toren von Hamdi Salihi nach einer überragenden Leistung von „Zuarbeiter“ René Gartler.
„Jetzt mocht’s hoid amoi a Tirl!“
Es war wohl ein solcher Kantersieg, nach dem die Fans lechzten. Wie schon Ex-Sportdirektor Helmut Schulte nach kurzer Amtszeit erkennen musste: Bei Rapid ist es nicht nur wichtig, dass man gewinnt, sondern auch wie man gewinnt. Und nachdem die Hütteldorfer in der Leopoldstädter Exilheimat beim Anbruch der Rapid-Viertelstunde weiterhin über ein 3:0 gegen neun Rieder nicht hinauskamen, machte sich Unmut breit. Vereinzelte, aber Minute für Minute häufiger werdende Pfiffe duellierten sich mit den genervten Blicken derer, die sich zu den Unzufriedenen umdrehten, weil sie die negative Haltung der Übernervösen nicht verstanden. Und die Pfiffe und Schimpftiraden wurden noch lauter.
„Wechsel hoid mi ei!“
Kurz vor der Schlussviertelstunde war die Stimmung endgültig gekippt, die kuriose erste Hälfte wie weggeschwemmt. Männer in ihren Fünfzigern forderten, dass Trainer Barisic sie doch einwechseln solle. Der brachte aber mit Steffen Hofmann einen Spieler in seinen Dreißigern, was das Publikum ebenfalls spaltete, zumal Hofmann nicht hundertprozentig fit und das Spiel bereits gewonnen war. Grantige Kurzzeit-Zufriedenheit machte sich unter den wenig fundierten „Kritikern“ breit, zumal der Kapitän wohl noch für einen höheren Sieg sorgen würde. Unverständnis unter denen, die vor dem Spiel ein 3:0 gegen bissige Rieder dankend „genommen“ und Rapids Nummer 11 vor den nächsten Aufgaben ein bisschen Ruhe gegönnt hätten.
„Endlich nimmt er den Blinden ausse…“
Eine weitere Viertelstunde verging, in der sich Rapid am Rieder Granit die Zähne ausbiss. „Ich will mir den Schas nicht mehr anschaun“ – einige Fans verließen das Happel-Oval vorzeitig. Als der gerademal 20-jährige Louis Schaub, Hoffnungsträger der neuen Generation, nach einer matten Vorstellung ausgetauscht wurde, wurde er mit Pfiffen bedacht. Fünf Monate ist es nun her, dass der Mittelfeldspieler das letzte Mal traf. Bei einem Verein wie Rapid ist das genug Zeit, um von den Fans kritisch beäugt zu werden, egal ob man 20 oder 30 Jahre auf dem Buckel hat. Veli Kavlak konnte mehrere Lieder davon singen. Die Kluft zwischen den Zufriedenen und den Unzufriedenen hatte mittlerweile ihre größte Ausdehnung erreicht.
Drei Punkte – mehr geht nicht
Starkls Stangenschuss in der Schlussphase wurde schließlich noch von so manchem Profilierungsneurotiker als symptomatisch bezeichnet – mehrere Minuten lang und laut. Rapid besiegte die SV Ried mit 3:0 und aufgrund der zweiten Halbzeit war dies vielen trotzdem viel zu wenig. Man hatte den Eindruck, dass recht viele Fans in der Halbzeit einen cerebralen Reset machten und ab der 46.Minute dachten, dass es wieder 0:0 steht. Aber so ist Rapid und die breite Palette an Fans, die dieser Verein anspricht. Auch wenn die diesmal sehr junge Barisic-Elf am Schluss mit fünf Treffern Differenz gewonnen hätte, wären vereinzelte „ein paar mehr wären aber schon noch drin gewesen“-Rufe zu hören gewesen. Rapid 2014/15 ist aber nicht so. Keine „fertige“ Truppe, keine Tormaschinerie, keine Mannschaft, die tiefstehende Gegner im American-Gladiators-Modus niederrennt, wie es noch 2008 und 2009 der Fall war. Ruhig Blut ist trotz der schwachen zweiten Halbzeit angesagt, denn mehr als drei Punkte kann man nun mal nicht holen. Apropos unterschiedliche Reaktionen: Die vielgescholtene Fankurve hat das im Gegensatz zu zahlreichen Längsseiten-Schreihälsen übrigens verstanden.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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