Bevor es an Duelle zwischen Rapid und Salzburg geht, zieht man gerne einen Vergleich zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen der beiden Teams und sucht Punkte, in denen sich Rapid gegen die Salzburger Qualität womöglich individuell durchsetzen kann. Aktuell findet man vor allem eine neu gewonnene Stärke in Grün-Weiß.
Die Außenverteidigerpositionen waren bei Rapid lange Zeit ein Problem. Just in der Zeit, als man begann die einstigen „Deckel“ zu „modernen Spielmachern“ umzubenennen und ihre Wichtigkeit in Aufbau und Halbraumspiel hervorzuheben, haderte Rapid zumeist mit diesen Positionen. Zumeist waren diese wichtigen Positionen in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit „unkompletten“ Spielern besetzt. Richtige, „komplette“ Leistungsträger fand man hier in Hütteldorf selten – was in Salzburg dank Spielern wie Ulmer, Bodnár oder Lainer anders war.
Rapids asymmetrische Außenverteidiger
Nun hat sich das aber geändert und Rapid kann in dieser einstigen Problemzone wohl sogar mit dem Serienmeister aus Salzburg mithalten. Auf der linken Seite glänzt „Marathonmann“ Maximilian Ullmann, rechts zieht mit Filip Stojkovic ein temperamentvoller Führungsspieler die Fäden. Auffällig ist die Unterschiedlichkeit dieser Akteure und damit auch die spannende Asymmetrie, die sie auf Rapids Außenbahnen bringen.
Marathonmann Ullmann
Auf der linken Abwehrseite macht derzeit Maximilian Ullmann seine Meter und sein Ausfall wäre wohl im gesamten derzeitigen Team einer der schwerwiegendsten. Aber der Linzer blieb bis dato standhaft und vor allem verletzungsfrei. Seit er bei Rapid unterschrieb, verpasste der 24-Jährige nur eine einzige Partie. In allen anderen Spielen stand er in der Startelf, ausgewechselt wurde er in 66 Spielen nur dreimal. In der laufenden Ligasaison verpasste der Linksfuß keine Minute.
Erstes internationales Interesse schon vergangenen Sommer
Zeit genug für Scouts aus aller Welt, dem einstigen U21-Teamspieler auf die Beine zu schauen. Nicht umsonst wird Ullmann als einer der wahrscheinlichsten Abgänge in absehbarer Zeit gesehen. Im letzten Sommer soll etwa Schalke 04 Interesse am Rapidler gezeigt haben. Es war wohl die richtige Entscheidung für den Spieler, dieses Interesse nicht weiter zu verfolgen.
Tiefe, Passoptionen und Sicherheit
Rapid gibt Ullmann vor allem eines, nämlich Tiefe. Der Aktionsradius des 180cm großen Defensivspielers ist enorm hoch, Ullmann beackert praktisch die gesamte linke Seite, bleibt dabei geradlinig, rückt nicht zu viel ein. Durch seine hohe Feldposition hat Rapid in der Offensive deutlich mehr Kombinationsmöglichkeiten am linken Flügel und zudem in hohen Zonen durchaus Sicherheit. Ullmann ist weitgehend ein sehr sicherer und pragmatischer Passspieler, den vor allem sein guter erster Kontakt – etwa auch volley nach hohen oder Wechselpässen – auszeichnet. Der Oberösterreicher hält das Spiel der Hütteldorfer flüssig, dynamisch und sorgt dafür, dass Rapid in der gegnerischen Hälfte deutlich mehr Tiefe hat.
Solide Flankenstatistiken
Mit 3,32 Flanken pro Spiel im Schnitt liegt Ullmann hier ligaweit eher am oberen Ende der Statistik. Ganz vorne liegt Reinhold Ranftl vom LASK mit einem großen Abstand auf die Konkurrenz (6,43 Flanken pro Spiel), dieser weist jedoch eine geringere Genauigkeit auf als Ullmann. Die höchste Flankengenauigkeit der Liga verbucht übrigens Salzburgs Rasmus Kristensen, der aktuell wohl als komplettester Außenverteidiger der Liga bezeichnet werden kann. Beim Dänen findet fast jede zweite Flanke einen Abnehmer, bei Ullmann immerhin jede dritte.
Passstatistiken ähnlich, Ullmann als besserer „Progressive Runner“
Rein statistisch steht ihm Ullmann dennoch um nichts nach: Die Passgenauigkeit ist mit mit 74:71 für Kristensen fast gleich, der Däne erzielte zwei Tore mehr als Ullmann, aber beide halten bei fünf Assists und drei Assist-Assists in der laufenden Ligasaison. Ullmann allerdings hat bessere Werte, wenn es um intensive Läufe mit und ohne Ball geht. Auch wenn Kristensen im besseren Team spielt und der insgesamt Robustere der beiden ist, ist Ullmann nicht weit vom Salzburger entfernt.
Stojkovic als „Antithese“
Hier wurden nun mit Ullmann und Kristensen die beiden „ähnlichsten“ Außenverteidiger der sonntäglichen Kontrahenten verglichen, wenngleich der Rapidler Links- und der Salzburger Rechtsverteidiger ist. Kristensen mit Filip Stojkovic zu vergleichen, hätte aber auch wenig Sinn gemacht. Der Montenegriner ist mittlerweile so etwas wie das Hirn der Rapid-Defensive und spielt auf der rechten Seite einen völlig anderen Part als Ullmann oder eben Kristensen in Salzburg. Zudem bringt er eine Facette mit, die im modernen Fußball immer wichtiger wird.
Pendelnde Viererkette dank Stojkovic’ Spielintelligenz
Stojkovic kann auch als rechter Innenverteidiger in einer Dreierkette eingesetzt werden. Viel wertvoller für Rapid ist aber die Tatsache, dass sich mit dem 28-Jährigen eine ideale pendelnde Viererkette bilden lässt, was Rapid im Aufbau deutlich stärkt und auch nach hinten absichert, wenn Ullmann hochschiebt. Da Stojkovic auch als klarer Innenverteidiger eingesetzt wurde, sind seine Passstatistiken leicht verfälscht. Insgesamt liegt er in dieser Metrik – auch deshalb – etwa gleichauf mit Kristensen.
Cleverer Zweikämpfer
Der einstige Roter Stern Belgrad Leistungsträger ist aber auch was Timing, Tempomanagement und Passspiel im zweiten Drittel betrifft, ein äußerst wichtiger Akteur für Rapid. Einerseits führt er seine Zweikämpfe sehr akkurat und verfügt über eine außergewöhnliche Balance. Er kann Gegenspieler gut abdrängen, zustellen oder auch in Laufduellen attackieren. Seine Fehlerquote ist hier sehr gering und auch seine Laufstärke ist durchaus hervorzuheben.
Durch Einrückbewegungen häufig „verwaist“
Einer seiner wichtigsten Parts liegt aber im Tempomanagement seiner Mannschaft. Anders als Ullmann geht Stojkovic nur selten bis zur Grundlinie, sondern bewegt sich in Ballbesitz mit Vorliebe am Übergang vom zweiten ins dritte Drittel, dort auch gerne einrückend, um den Halbraum zu besetzen und als Kombinationsspieler zu fungieren. So wird Stojkovic weniger als Flankengeber zu einem Spieler, der Torchancen einfädeln kann, sondern vielmehr als verwaister Eingerückter, der den Zwischenlinienraum direkt vor sich hat. So wurde beispielsweise in Wolfsberg das 2:0 durch Ercan Kara eingeleitet: Stojkovic’ Pass in den Zwischenlinienraum fand Ljubicic, der wiederum durch diese öffnende Aktion genug Zeit und Raum hatte, um Kara einzusetzen. In Liga und Europa League kam Stojkovic in der laufenden Saison auf sieben Assists und diese eine Toreinleitung in Wolfsberg. Auf seinen ersten Treffer in Grün-Weiß wartet er noch.
Temporegulierer
Wenn es nötig ist, nimmt Stojkovic aber auch einen beruhigenden und regulierenden Part ein und nimmt Tempo aus dem Spiel. Grundsätzlich hat er zwar durchaus einen ausgeprägten Offensivdrang, aber der Routinier hat zudem auch ein gutes Gespür für Spielsituationen, in denen es cleverer ist, Tempo herauszunehmen. Durch seinen teilweise untypischen Radius und seine Stärken im Passspiel und Zweikampfverhalten, ist er in diesen Situationen recht schwer zu pressen.
Mit allen Wassern gewaschen
Last but not least ist es auch die Ausgefuchstheit, die Stojkovic auszeichnet. Der gebürtige Serbe ist mit allen Wassern gewaschen, kennt alle Mätzchen, weiß, wie er seine Gegner abkochen kann. Dies sind Facetten, die viele, „brave“ Rapid-Außenverteidiger der letzten Jahre nicht mitbrachten und die Rapid phasenweise etwas dreckiger machen.
So „nah“ an Salzburg wie nirgendwo anders
Der Vergleich mit den Salzburger Außenverteidigern Kristensen und Ulmer, dem man in der laufenden Saison erstmalig ein wenig seine 35 Jahre ansieht, ist schwierig, weil Rapid wesentlich asymmetrischer agiert. Physisch könnte sich allerdings individuell nahezu eine Pattsituation ergeben und auch sonst haben die Salzburger Außenverteidiger in einer gesamt stärkeren Mannschaft in den meisten Punkten nur geringfügig bessere Werte als die Rapid-Spieler. Betrachtet man das Gesamtpaket würde es nicht verwundern, wenn diesmal auch Rapids Außenverteidiger gegen den Ligakrösus das Zünglein an der Waage sein könnten. „Näher“ ist man den Roten Bullen nämlich derzeit in keinem anderen Positionskomplex.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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