Aus der hausgemachten „Ergebniskrise“ kommt Rapid derzeit schlichtweg nicht heraus. Neben der fehlenden Leichtigkeit, die sich in stümperhaft vergebenen Sitzern niederschlägt, kommt aber nicht... Rapid verliert in Wolfsberg: Vergebene Sitzer nicht das einzige Problem

Louis Schaub - SK Rapid Wien_abseits.at

Aus der hausgemachten „Ergebniskrise“ kommt Rapid derzeit schlichtweg nicht heraus. Neben der fehlenden Leichtigkeit, die sich in stümperhaft vergebenen Sitzern niederschlägt, kommt aber nicht erst seit gestern zu, dass die Mannschaft einfach nicht gut spielt und in einzelnen Situationen zu blauäugig agiert. Eine allgemeine Nachbetrachtung zum 1:2 in Wolfsberg.

Die öffentlichen Kritikpunkte wurden ja schon mehrfach durchgekaut. Gerne belächelte man in Hütteldorf die Probleme von Red Bull Salzburg. Viele Trainer, viele sportliche Leiter, unterschiedliche Vorstellungen von Fußball. All das erfordert auch viele Neustarts, Neujustierungen oder Feintuning, das manchmal auch etwas brachialer ausfiel, als anfänglich erhofft. Nun ist Rapid in diesem „Radl“ drin. Mit einem Trainer, der gute Ideen hat, allerdings wenig mit dem vorhandenen Spielermaterial anfangen kann.

Keine Änderungen nach dem Admira-Match

Wie schon gegen die Admira schickte Damir Canadi ein 3-4-2-1-System auf den Platz. Erstmals ohne personeller Änderung. Das heißt, auch mit Dibon im defensiven Mittelfeld. Hierbei handelt es sich um Canadis Schachzug, die immer kämpfenden Galionsfiguren auf der Zentralachse aufzubieten, um für entsprechende Stabilität zu sorgen. Ein Traumduo werden die Freunde Dibon und Schwab allerdings nicht werden – es mutet eher wie eine Notlösung an, um zumindest die Zweikämpfe im Mittelfeld zu gewinnen.

Rapid stabilisiert sich…

Angesichts von vier sieglosen Spielen in Serie und nur zwei erzielten Toren im Frühjahr stellt sich jedoch die Frage: Ist diese übermäßige Stabilitätsdenke nicht gerade jetzt fehl am Platz? Rapid lässt nicht viel zu. Die Austria glich als ungefährlicher Gegner, der außergewöhnlichen Situation (Überzahl) geschuldet, aus, die Admira kam zweimal gefährlich vors Tor, der WAC dreimal, wovon zwei Bälle saßen – jeweils aus Standards. Die Stabilisierung sollte gerade gegen Gegner wie die Admira oder den WAC nicht unbedingt an erster Stelle stehen. Vielmehr sollte es bei Rapid darum gehen, was an der Schnittstelle von zweitem zu drittem Drittel vorangeht.

…ins Mittelmaß!

Wieso einen Innenverteidiger zum Sechser machen? Um auf Kosten der Passqualität im Mittelfeld die Stabilität der Defensive zu erhöhen, obwohl man ohnehin nicht allzu viel zulässt? Rapid stabilisiert sich ins Mittelmaß. Der Übergang ins dritte Drittel funktioniert so nur über die (für den Gegner einfacher zu verteidigenden) Flügel, Energieanfälle am Ball durch die Mitte (wenn, dann Schwab) oder über hohe Bälle bzw. Überbrückung (auf den meist manngedeckten Kvilitaia). Das Resultat ist, dass Rapid durch die Mitte keinerlei Überraschungsmomente überzeugt.

Enorm viele Flanken…

All das steht sinnbildlich dafür, wie Rapid in Wolfsberg agierte. Aber natürlich gab es auch Positives, wie etwa die konsequenteren Flügelüberladungen, die es erneut möglich machten, dass Rapid enorm viele Flanken hereinbrachte. Dies ist etwas, was unter Büskens oder Barisic nie so stark ausgeprägt war und damals auch entsprechend kritisiert wurde. Die Canadi-Elf brachte gegen den WAC 32 Flanken, bei einer passablen Genauigkeit von 37,5% zur Mitte. Allerdings gibt es bei der Genauigkeit bzw. bei der tatsächlich Verarbeitbarkeit sensible Abstufungen, wodurch Rapid trotz dieses hohen Flankenwerts nicht belohnt wurde. Grundsätzlich ist aber klar, was dieses Stilmittel bringen soll. Nur ist es im Training immer leichter, als gegen einen um die Wurscht kämpfenden WAC, der im Abwehrzentrum nicht nur einen bärenstarken Nemanja Rnic, sondern auch noch zurückarbeitende Sechser wie Tschernegg oder Leitgeb aufbot.

…aber kaum Abnehmer

Am Ende bleibt aber auch bei 32 Flanken die Crux mit den Abnehmern. Kvilitaia wird von jedem Gegner zugestellt, nur wenige Spieler aus der Etappe stoßen nach. Die für die Kreativität zuständigen Offensivspieler – in diesem Fall Traustason und Schaub – sind nicht gerade als ideale Abnehmer für hohe Hereingaben bekannt. Und wenn wir schon bei den Abnehmern sind: Die braucht es natürlich beim Spiel durch die Mitte oder die Halbpositionen. Wie schon im Spiel gegen die Admira, fehlten auch im Lavanttal die explosiven Läufe durch die Schnittstellen der gegnerischen Abwehr. Rapid sucht im letzten Drittel kaum nach Tiefe und intensiven Läufen, sondern versucht mit Wucht zum Ziel zu gelangen. Die diese Rapid-Elf nun mal kaum hat.

Passgeber-Abnehmer-Teufelskreis

Zwei Spieler, die gestern gefordert waren, diese Tiefe zu suchen, waren die bereits erwähnten Traustason und Schaub. Der Isländer wusste nur am ruhenden Ball zu gefallen und scheint weiterhin massive Abstimmungsprobleme mit den Passgebern zu haben, die ihrerseits wiederum große Probleme mit der Präzision in ihrem Passspiel haben. Der Faktor „Zufall“ ist dadurch für den Erfolg in Rapids Offensivspiel manchmal unumstößlich, was auch Sonnleitners Ausgleich bewies.

Schaubs Werte negativ rekordverdächtig

Der andere, Louis Schaub, bewies schon zig-fach, dass er dieser Aufgabe gewachsen wäre und vor allem durch seine Ballsicherheit eher in die Spitze stechen kann als andere. Den Filigrantechniker muss man oft nicht mal ideal anspielen – er kann trotzdem etwas aus schwierigen Situationen herausholen. Von allen Rapid-Spielern befindet sich der 22-Jährige aber momentan wohl in der tiefsten „Kist’n“. Seine dritte schwache Partie in diesem Frühjahr war zugleich seine schwächste. Obwohl er immer wieder nach außen pendelte, um die Flügelspieler zu unterstützen, spielte Schaub in seinen 54 Spielminuten nur 13 Pässe – davon nur drei (!) erfolgreich. Eine Passquote von 23,1% bzw. 8,3% in der generischen Hälfte ist in den letzten Jahren wohl einmalig für einen Offensivspieler eines Favoriten. Traustason und Schaub waren es am Ende auch, die die größten Sitzer für den SK Rapid ausließen.

Das Wie ist das Warum

Das Problem sind aber nicht unbedingt die Sitzer. Angesichts der angespannten Lage ist es nicht verwunderlich, dass nicht jeder Ball unwiderstehlich ins Kreuzeck genagelt wird. Rapid scheitert eher daran, dass das Herausspielen der Chancen zu unsystematisch ist. Klar: Wenn Schaub und Traustason je einmal treffen, verlässt Rapid das Lavanttal vermutlich als Sieger. Es wäre ein Aufschub gewesen. Trotz schwacher Saison und Unserie muss Rapid das zentrale und offensive Mittelfeld dominanter, direkter gestalten, im letzten Drittel die Tiefe und schnelle Abschlüsse suchen, sowie aus ebendiesem dominanten Mittelfeld mehr Spieler in die von Peter Pacult geprägte „Zone der Wahrheit“ bringen.

„Als Team sind wir angriffslustig…“

Allesamt Dinge, die Damir Canadi mit Sicherheit weiß. Bleibt nur noch die Frage der Prioritätensetzung. Dieser Mut und die damit einhergehende Explosivität wären für Rapid momentan wichtiger, als die hundertste Defensivstabilisierungsmaßnahme. Unter anderem weil Rapid in den letzten 12 Spielen nur 14 Tore erzielte und in nur 36% der Saisonpflichtspiele zwei Tore oder mehr erzielte (Vergleich: Austria 60%, Salzburg 53%). Und wie mittlerweile schon die biedersten Analytiker und Phrasendrescher feststellten: Man sieht sich Rapid „so“ einfach nicht mehr gerne an.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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