Samstag, 20:17 Uhr: Die 92.Minute in der UPC-Arena. Sturms Einwechselspieler Haris Bukva fasst sich ein Herz, läuft mit dem Ball von links in Richtung... Rapids Last-Minute-Niederlage in Graz: Helge Payer als Sündenbock, der damit wenigstens nicht alleine sein will…

Samstag, 20:17 Uhr: Die 92.Minute in der UPC-Arena. Sturms Einwechselspieler Haris Bukva fasst sich ein Herz, läuft mit dem Ball von links in Richtung Mitte und zieht knapp hinter der Strafraumgrenze ab. Ein Fehler der gesamten Rapid-Hintermannschaft, in der sich der eine auf den anderen verließ – aber die Hauptschuld trifft trotzdem den patzenden Keeper der Grün-Weißen: Helge Payer.

Die Szene in der Nachspielzeit in Graz war ein typisches Beispiel für eine alte Fußballerweisheit: Wenn der Torhüter einen Fehler begeht, hat er kaum die Chance diesen wieder auszubessern. Überhaupt, wenn der Fehler zum einzigen Tor in der 92.Minute führt. Was vor dem Tor passierte war ein Sinnbild der zweiten Halbzeit, in der Rapid de facto nicht vorhanden war, Sturm das Spiel machte, aber sich bis zum letzten Drücker an der statisch-kompakten Rapid-Abwehr (die Innenverteidiger Harald Pichler und Mario Sonnleitner gewannen beinahe jedes Kopfballduell) die Zähne ausbissen.

Abstimmungsprobleme in der Hintermannschaft

In der Nachspielzeit passte dann aber die Zuteilung nicht mehr, Bukva nützte eine sich bildende Schneise, befand sich am Anfang seines Sprints genau zwischen Abwehr und Mittelfeld der Hütteldorfer. Hofmann und Heikkinen verließen sich auf die Viererkette – irgendwie verständlich, immerhin waren noch drei Spieler (Katzer, Sonnleitner, Pichler) in unmittelbarer Nähe zum Ballführenden hinter dem Ball. Auf der linken Seite kam gegen Ende der Aktion auch noch Schrammel hinter den Ball. Sonnleitner entschied sich sehr spät seinen Platz in der Innenverteidigung zu verlassen, den Gegenspieler unter Druck zu setzen, hatte jedoch zuvor noch den kreuzenden Mario Haas, der sich auf der Zentralachse des Rapid-Sechzehners durchaus gut platziert und somit auch eine unmittelbare Gefahr darstellte, im Auge. Katzer hing in der Luft, Pichler reagierte ebenfalls nicht, weil ohnehin Sonnleitner den Ballführenden Bukva übernahm. Es war also im Prinzip schon eine Abstimmungsschwierigkeit der Grün-Weißen, die in dieser markanten Überzahlsituation nicht passieren darf, aber der berechtigste Vorwurf müsste in diesem Fall an den (allgemein sehr schwachen) Steffen Hofmann oder Markus Heikkinen gehen, die Bukva nachtrabten, anstatt zu versuchen hinter den Ball zu kommen und die Zentralachse (die schließlich auch zu Bukvas Schussbahn wurde) im Stile eines Vorstoppers zu schließen.

Payer „rettet“ keine Partien mehr

Den wohl größten Fehler fabrizierte jedoch Keeper Helge Payer. Bukvas Schuss war zwar scharf, aber nicht perfekt platziert, zudem hatte der Rapid-Keeper freie Sicht, sah auf der Stelle was Bukva machen würde. Payer war rechtzeitig am Boden, begegnete dort einem Ball, den man normalerweise als „dankbar“ für einen Torhüter bezeichnen würde – auch wenn sich das Leder leicht von ihm wegdrehte -, klatschte sich die Kugel jedoch selbst an die Stange, von der er zum entscheidenden 1:0 für Sturm, Rapids erstem Gegentor in der laufenden Saison, ins Tor kullerte. Es war nicht Payers erster Fehler, sogar eher einer von sehr vielen, wenn man die letzten fünf Jahre betrachtet. Der bald 32jährige Keeper, zwischen 2003 und 2005 wohl einer der besten Torhüter der heimischen Bundesliga, pendelte sich mittlerweile im eisernen Durchschnitt ein. Payer rettet Rapid de facto keine Spiele mehr, hält selten „Unmögliche“, im Gegenzug patzt er nicht selten entscheidend…

Weiterhin kein „das Tor gehört mir“…

…und präsentiert sich nach derartigen Spielen, wie man es von ihm gewöhnt ist, von seiner schlechtesten Seite. Nämlich völlig unfähig zur ehrlichen Selbstkritik. Trainer Peter Schöttel deckte Payer, sagte aber nicht, dass er völlig frei von Schuld ist. Es wären vorher schon zu viele Fehler gemacht worden, womit Schöttel, wie vorhin beschrieben, auch absolut Recht hat. Der entscheidendste Fehler passierte dennoch in letzter Instanz und Payers Reaktion im Interview nach dem Spiel war typisch: Als einer der routiniertesten Kaderspieler – nur Markus Heikkinen und Jürgen Patocka haben mehr Tage auf dem Buckel – dürfte man von Payer erwarten, dass er seine jüngeren Kollegen aus der Schusslinie und das Tor auf seine Kappe nimmt. Doch Payer versuchte sich einmal mehr, zumindest teilweise, aus der Affäre zu ziehen, indem er das Gegentor auf insgesamt „fünf, sechs Leute, inklusive mich“ schob. Immerhin gab’s den Zusatz „inklusive mich“, anders als etwa bei der 1:2-Cupniederlage in Ried in der Vorsaison, als Payer an beiden Toren nicht schuldlos war, sich aber bereits im Mannschaftsbus auf der Heimfahrt auf seiner offiziellen Homepage einloggte, um hinterrücks seinen Vorderleuten online die Schuld am Ausscheiden zu geben.

Grün-Weiße Tormanndiskussion bevorstehend

Derartige Selbstverteidigungsreflexe wären bei einem jungen Spieler, der sich noch profilieren muss und vielleicht nicht lange über eine akute Situation nachdenkt, verständlich. Niemand macht gerne Fehler, als Fußballer ärgert man sich am Heftigsten über seine eigenen. Aber Payer nimmt nach Eigenfehlern eine Rolle ein, die eines solch erfahrenen Spielers, der eigentlich die jüngeren Kollegen führen sollte, nicht würdig ist. Dass Peter Schöttel, auch wenn er Payer nach der Niederlage in Graz schützte, einen neuen Torhüter für die Saison 2011/12 wollte, kam nicht von ungefähr. Der Slowake Jan Novota wurde sicher nicht verpflichtet, um auf der Rapid-Bank alt zu werden und ein klares Statement, dass Helge Payer Rapids unumstrittene Nummer Eins im Kasten ist, gab es nie. Das Ligadebüt des Slowaken ist also mittelfristig zu erwarten, denn wenn Payer noch ein, zwei Fehler mit Torfolge macht, werden auch die Contra-Payer-Stimmen der längst unzufriedenen Fans wieder lauter. Im bevorstehenden Derby, in der die Rapid-Abwehr mit Sicherheit stärker strapaziert werden wird als beim 0:1 in Graz, gibt es für Payer wohl schon das erste Schicksalsspiel. Patzt der gebürtige Welser auch gegen den Lokalrivalen, wird beim traditionell ungeduldigen „Gesamtpaket SK Rapid“ wieder eine Torhüterdiskussion entflammen – und das obwohl das Team erst einen einzigen Gegentreffer kassierte.

Offensiv viel zu passiv

Aber die schläfrige Abwehr in der Nachspielzeit und Payers Bock waren nicht die einzigen Gründe für die Niederlage in Graz. Allgemein präsentierte sich Rapid offensiv zu passiv, das 4-4-2 erforderte einmal mehr, dass beide Stürmer viel nach hinten arbeiten mussten, was aber jeweils nur einer – hauptsächlich Salihi – machte. Gleichzeitig präsentierte sich Boris Prokopic erneut zu leichtfüßig und mit schwachem Positionsspiel, Christopher Trimmel war abgemeldet und einmal mehr nach gut 55 Minuten konditionell platt – und Kapitän Steffen Hofmann ist getrost als schwächster Spieler auf dem Platz zu bezeichnen. Hofmann kommt mit der 8er-Position weiterhin überhaupt nicht zurecht, bräuchte wieder die offensivere Mittelfeldposition in einem 4-2-3-1, in dem zwei Spieler für seine Rückendeckung zuständig wären. Heikkinen und Prager würden sich dafür anbieten, aber auch Kulovits oder gar Prokopic wären Varianten. Würde Prokopic die defensivere Position bekleiden, gäbe es für Rapid sogar die Möglichkeit ein klassisches 4-3-3 zu fabrizieren, in dem etwa Drazan und Trimmel die Positionen der Flügelstürmer einnehmen würden. Ein weiteres auffälliges Problem, wenn Rapid mit einem zentralen Spieler „zu wenig“ spielt: Die hohen Bälle in die Spitze, meist von Spielern der Viererabwehrkette geschlagen, sind vergebene Liebesmüh‘, weil Nuhiu sie zwar zumeist gut annimmt und behauptet, dann aber kaum Anspielstationen in unmittelbarer Nähe hat.

Vor den schweren Partien: Weg vom Pacult-Muster!

Die richtig schweren Spiele folgen in den nächsten Wochen: Die Austria im Happel-Stadion und Red Bull Salzburg in Wals-Siezenheim. Beginnt man auch in diesen Spielen mit einem 4-4-2-System, fiele man in ein altes Pacult-Muster zurück, in dem Rapid kein Übergewicht im Mittelfeld schaffte, immer eine der beiden Spitzen in der Luft hing, wodurch Rapid oft wie ein Team wirkte, das von Beginn an zu zehnt auflief.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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