Rapids zentrales Mittelfeld – so geht’s auch ohne echten Sechser!
BundesligaTaktik & Theorie 3.Juli.2013 Daniel Mandl 7
Dass die Grundformation Rapids in der kommenden Saison ein 4-3-3 sein wird, scheint klar. Angesichts dessen, dass das zentrale Mittelfeld bei Rapids Spielanlage in dieser Formation recht massiv sein sollte, ist noch unklar, welche Spieler für einen Startelfplatz als „Sechser“ zur Verfügung stehen. abseits.at nimmt mögliche Varianten und ihre Vor- und Nachteile unter die Lupe.
Es ist ein Unikum in der tipp3 Bundesliga: Der SK Rapid geht ohne gelernten Sechser in die neue Saison. Die Frage nach der Mittelfeldanordnung in einem 4-3-3 kann lang und breit beantwortet werden. Vereinfacht gesagt gibt es aber drei Varianten, wie die Staffelung im Mittelfeld aussehen könnte.
Ein Sechser, ein Achter, ein Zehner
Die typische Variante umfasst zwei defensive und einen offensiven Mittelfeldspieler, wobei sich einer der beiden defensiven von Strafraum zu Strafraum orientiert – also „Box to Box“ spielt. Es gibt also einen defensiv ausgerichteten Sechser, einen fluiden Achter und einen offensiv ausgerichteten Zehner. Dies ist die geradlinigste Möglichkeit in einem 4-3-3 das zentrale Mittelfeld zu organisieren.
Spielmacherfreundliche Variante
Eine zweite Variante ist aufgrund der Modernisierung der Fußballtaktik am Aussterben: Ein zentrales Mittelfeld mit zwei echten Sechsern, die hinten dicht machen und einem Zehner, der eine Rolle als Freigeist inne hat. In der Blütezeit der Spielmacher war diese Option gerne gesehen, wurde etwa Anfang der Neunzigerjahre faktisch in nahezu jedem 3-5-2-System praktiziert. Das geniale Hirn sollte genügend Rückendeckung erhalten, um seine spielerischen Vorzüge entfalten zu können. In der heutigen Zeit ist diese starre Variante aber fast nicht mehr tragbar. Auch aufgrund der hohen Grundpositionen der Flügelstürmer.
Drei Achter
Immer beliebter wird Variante 3: Drei zentrale Mittelfeldspieler, die zwar in ihrer Staffelung auf dem Platz unterschiedlich auftreten, aber dennoch alle gemeinsam „Box to Box“ spielen. Die ohnehin aussterbenden Zehner werden hier ebenso wie der stur abräumende Sechser durch ein Kollektiv aus drei Achtern ersetzt. Gruppentaktisch betrachtet ist diese Alternative äußerst interessant, allerdings ist sie auch am Schwersten in die Tat umzusetzen. Einerseits benötigt man für die Umsetzung spielintelligente Fußballer, andererseits ist die Schaffung von klaren, durchgängigen Automatismen schwieriger, weil die Rollen nicht klar verteilt sind und das gesamte Mittelfeldkonstrukt äußerst fluid und vorausschauend agieren muss. Bei Rapid könnte diese Variante allerdings durchaus funktionieren – wir werfen einen Blick auf die zentralen Mittelfeldspieler Rapids in der kommenden Saison.
Steffen Hofmann
Der 32-jährige Deutsche wird in der neuen Saison mehr denn je als Taktgeber gefragt sein. Die Grundausrichtung Hofmanns wird dabei aber nicht gezwungenermaßen defensiver. Einen typischen Zehner wird Hofmann aufgrund der prekären Personalsituation im defensiven Mittelfeld nicht spielen. Die lebende Rapid-Legende wird in der Saison 2013/14 definitiv einen Achter mimen.
Branko Boskovic
Der zweite Routinier im zentralen Mittelfeld wird hingegen etwas defensiver ausgerichtet sein als Hofmann. Boskovic ist freilich kein typischer Sechser, kommt dieser Bezeichnung dennoch näher als Hofmann. Wie dem Deutschen wird aber auch dem Montenegriner eine „Box-to-Box“-Rolle zukommen. Die beiden erfahrensten und zugleich technisch besten Spieler des Rapid-Kaders werden also fluide Rollen einnehmen, um das Spiel besser lenken und gestalten zu können.
Dominik Wydra
Ein Mittelfeld mit Hofmann, Boskovic und Wydra ist im Bereich des Möglichen. Dies wäre eben eine solche Variante mit drei Achtern. Wydra ist aufgrund seiner mangelnden Physis und taktischer Mängel in keinster Weise als Sechser zu bezeichnen. Da er sich in seinem Passspiel allgemein stark nach vorne orientiert und sich auch eher dorthin bewegt, ist er sehr anfällig auf Gegenpressing durch den Gegner. Außerdem kommt der 19-Jährige noch viel zu langsam hinter den Ball und verliert speziell die härter geführten Zweikämpfe. Das Mittelfeld Hofmann-Boskovic-Wydra, das praktisch aus drei Achtern bestehen würde, wäre eine der beiden offensivsten Varianten. Für Wydras Entwicklung wäre diese Konstellation mit Sicherheit von Vorteil, da er defensiv enorm gefordert würde. Wollte Barisic eine Sicherheitsvariante mit Wydra wählen, bräuchte er einen kampfstarken Nebenmann wie etwa Pichler, der seine Defizite im Defensivspiel ausmerzt (zum Beispiel Pichler-Wydra-Hofmann).
Louis Schaub
Die zweite sehr offensive Option erfordert den 18-jährigen Louis Schaub. Dieser ist wiederum ein völlig anderer Spieler als Wydra, kann aber dennoch als Achter bezeichnet werden. Allerdings weist Schaub in seinem Laufspiel einen stärkeren Drall nach außen auf, als der zentrumlastige Wydra. Eine Aufstellung mit Hofmann, Boskovic und Schaub würde zwar auch wie ein fluides Mittelfeld mit drei Achtern anmuten, würde aber speziell Boskovic etwas stärker in die Defensive zwingen. Schaubs Laufspiel ist auf der Zentralachse nicht geradlinig. Von den drei genannten Spielern wäre er in dieser Konstellation mit Sicherheit der offensivste. Durch den größeren Aktionsradius im Vergleich zu Wydra, müssen Schaubs Hinterleute ihn in der Breite des Feldes viel stärker absichern. Das macht Rapid zwar einerseits unberechenbarer, dafür ist diese Option auch sehr riskant und möglicherweise laufintensiver.
Achter-Mittelfeld – zusammenzuwürfeln aus vier Spielern
Um einen Mannschaftsteil gruppentaktisch möglichst homogen zu machen, ist es meist von Vorteil, wenn man wenig Varianz auf Personalebene hat. Würde Barisic ein Mittelfeld aus drei Achtern kreieren wollen, ist es insofern von Vorteil, dass er nur vier Kandidaten hat, weil die Automatismen leichter einzustudieren sind. Dennoch gibt es mehrere Probleme:
- Wenn sich ein oder mehrere Spieler verletzen, wird die Umsetzung dieser Variante sehr schwierig.
- Die Abwehr der Hütteldorfer ist nicht die sicherste, wird in der kommenden Saison speziell an den Flanken anfällig sein. Um defensive Schwächen auszugleichen, muss das zentrale Mittelfeld nach vorne außerordentlich gut funktionieren und in der Lage sein, Gegnern das eigene Spiel aufzuzwingen.
- Rapid kann und wird nicht gegen jeden Gegner mit demselben Konzept im zentralen Mittelfeld spielen. Gegen einige Teams ist ein defensiv robuster und kompromissloser Mittelfeldspieler ein Muss.
Für die Sechser-Position hat Zoran Barisic drei weitere Alternativen:
Brian Behrendt
Der 21-jährige Deutsche ist eigentlich Innenverteidiger, spielte bei den Rapid Amateuren aber phasenweise sogar als solcher „Box-to-Box“. Behrendts Stärken liegen insgesamt natürlich im defensiven Bereich. Dies qualifiziert ihn in einer personell schwierigen Phase für die Rolle als Sechser. Da man Pichler und Dibon voraussichtlich in der Viererabwehrkette benötigen wird, hat der einstige Amateure-Kapitän Behrendt wohl sogar die besten Karten für einen Platz im Dreiermittelfeld, so ein robuster Abräumer benötigt wird.
Harald Pichler
Pichler steht vor seiner dritten und schwersten Saison mit dem SK Rapid, zeigte aber national und international, dass man auch als Sechser auf ihn zählen kann. Pichler überzeugte bei seinen Mittelfeld-Auftritten mit dem für ihn typischen Kampfgeist und war stets imstande seine Fähigkeiten richtig einzuordnen. Der Kärntner tat nie mehr als er konnte und wusste, wo seine technischen Grenzen anzusiedeln sind. Sofern der 26-Jährige nicht in der Innenverteidigung benötigt wird, ist er ein heißer Tipp für die Sechserposition. Anders als Behrendt, der auch nach vorne Akzente setzen kann, ist Pichler allerdings klar und deutlich ein Sechser. Gut möglich, dass Pichler in schweren Spielen als Kettenhund hinter einem Kreativduo (Hofmann-Boskovic, Hofmann-Schaub, Hofmann-Wydra) eingesetzt wird, wie man es über die Jahre immer wieder mit Stefan Kulovits machte.
Christopher Dibon
Außenseiterchancen auf einen Platz im Mittelfeld hat auch Christopher Dibon, der mit seiner Spielintelligenz zwar alle Voraussetzungen mitbringt, aber woanders dringender gebraucht wird. Dibon ist wie Pichler für die Innenverteidigung eingeplant, könnte auch als Rechtsverteidiger einspringen. Im defensiven Mittelfeld würde dem 22-jährigen Leihspieler dieselbe Rolle zukommen wie Harald Pichler. Dibon ist also nur im Falle mehrerer Verletzungen oder Sperren eine Alternative.
Spielaufzwingen durch fluidere Mittelfeldzentrale
Attraktiverer Fußball ist für Rapid in der Saison 2013/14 (und darüberhinaus) ein wichtiges Stichwort. Man möchte die Fans mit einer hungrigen, mutigen Mannschaft versöhnen – auch das berühmte grün-weiße Selbstbewusstsein ist hierbei ein Faktor. Dass Zoran Barisic keinen echten Sechser zur Verfügung hat, ist zwar bitter, die Möglichkeit ein zentrales Mittelfeld aus drei Achtern aufs Feld zu schicken, könnte nicht nur für die emotionalen Ziele Rapids eine große Chance sein. Rapid wurde in den letzten Jahren immer wieder dafür kritisiert, dass man kleinere Klubs nicht dominieren konnte bzw. es nicht einmal versuchte ihnen das eigene Spiel aufzuzwingen. Es ist wahrscheinlich, dass Rapid das Konzept mit drei Achtern verfolgt und in Spielen gegen starke Gegner (Salzburg, Sturm, Austria, Europacup?) auf eine Fighter-Lösung mit Behrendt oder Pichler statt Boskovic zurückgreift. Die größte Herausforderung ist die Mittelfeld-Baustelle für Trainer Zoran Barisic, der in den nächsten Wochen, trotz kurioser Personalsituation, Philosophie und Automatismen schaffen muss.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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