Didi Kühbauer forderte bereits seit längerem einen Flügelspieler, um Rapids Kaderdichte in der Offensive zu vergrößern. Doch nun verpflichteten die Hütteldorfer Emanuel Aiwu von der Admira – einen Innenverteidiger. Wir analysieren, wie der 20-Jährige ins Konzept von Rapid passt.
In erster Linie ist Emanuel Aiwu für Rapid eine nicht zu verachtende Wertanlage. Bereits vor 1 ½ Jahren wollte Red Bull Salzburg den heutigen U21-Teamspieler von der Admira loseisen. Salzburg bot den Südstädtern zwei Millionen Euro plus eine Million an Boni. Die Admira sagte nein. Rapid bekam den mittlerweile durchaus bundesligaerfahrenen Defensivspieler nun etwa für ein Viertel dieses Gesamtkaufpreises und statteten ihn mit einem Dreijahresvertrag aus. Es ist gut denkbar, dass sich die Hütteldorfer – so man Aiwu gut entwickelt – eines Tages über ein sattes Transferplus freuen würden. Aber wie wird der Ex-Admiraner in Wien 14 eigentlich eingesetzt werden?
Innenverteidiger für beide Seiten
Bei der Admira spielte Emanuel Aiwu praktisch immer in der Innenverteidigung. Auch wenn der Eigenbauspieler der Südstädter als Rechts- und Linksverteidiger aushalf, was auch daran lag, dass der Rechtsfuß mit seinem schwächeren linken Fuß eine sehr passable Passgenauigkeit mitbringt, war er in der zentralen Abwehr zu wichtig für die Admira. Mit seinen 184cm Körpergröße ist er zwar nicht der robusteste Abwehrspieler, dafür aber durchaus wendig, schnell und gut im Spielaufbau. Während er unter Andreas Herzog immer als rechter Innenverteidiger-Part auflief, spielte er vor gut einem Jahr hauptsächlich auf der links-inneren Position. Insgesamt bestritt Aiwu für die Admira 87 Pflichtspiele, was für einen 20-Jährigen ein durchaus beeindruckender Wert ist.
Schwer statistisch mit aktuellen Rapid-Abwehrspielern vergleichbar
Statistisch betrachtet hinkt Aiwu seinen neuen Teamkollegen – wir nehmen exemplarisch die aktuelle Stamm-Innenverteidigung Rapids mit Maximilian Hofmann und Leo Greiml – in fast allen Belangen hinterher. Hofmann und Greiml erobern mehr Bälle, gewinnen mehr Zweikämpfe, haben höhere Passquoten, fangen mehr Bälle ab. In den meisten Fällen handelt es sich hier aber um Faktoren, die stark von Absolutzahlen leben, demnach sind die Verteidiger nur schwer miteinander zu vergleichen. Während Hofmann im Schnitt 50 Pässe pro Partie spielt, spielt Aiwu nur 37. Klar, weil die Admira deutlich seltener das Spiel macht als Rapid und damit reaktiver agiert. Rapids Innenverteidiger haben durchschnittlich einfach deutlich mehr Ballaktionen als die Abwehrspieler der Admira und Aiwu muss sich in jedem Fall an eine höhere Intensität mit dem Ball gewöhnen.
Relativ betrachtet auf ähnlichem Level
Auffällig ist aber die Metrik der erfolgreichen Aktionen. Hier findet sich Aiwu durchaus in einer ähnlichen Klasse wie die Rapid-Innenverteidiger wieder. Speziell in der Saison 2019/20 stach er hier besonders heraus – dies war auch die Spielzeit, in der Salzburg Interesse am Spieler zeigte. 2020/21 konnte er diese enorme Sicherheit nicht eins-zu-eins prolongieren, hatte unterm Strich aber dennoch gute Werte. Dafür startete er 2021/22 gut in die Saison und fiel nur bei der 0:1-Niederlage gegen Salzburg merklich ab. Durch die unterschiedlichen Spielweisen von Admira und Rapid ist „Zahlenscouting“ in Aiwus Fall definitiv nicht trivial. Insgesamt sind die Werte des Rapid-Neuzugangs in Ordnung, können aber in einigen Vergleichskategorien gar nicht im hohen Ligaschnitt liegen, weil die Spielweise der Admira dies nicht zulässt.
Zweikampfintensive Option für die Sechs
Deshalb lohnt sich ein Blick auf Werner Gregoritschs U21-Nationalteam. Zwar spielte Aiwu erst siebenmal in der U21-Auswahl, aber der routinierte Coach lässt ihn immer wieder im defensiven Mittelfeld auflaufen – teilweise sogar vor einer Dreierkette, wo er grundsätzlich auf allen Positionen einsetzbar wäre. Betrachtet man die Spiele, in denen Aiwu auf der Sechs agierte, so findet man durchaus spannende Auffälligkeiten: Etwa, dass er entgegen seiner etwas filigran wirkenden Spielweise sehr viele Zweikämpfe zieht, was bei Rapid seit dem Abgang von Stefan Schwab ein relevantes Thema ist. Zudem gewinnt er auf der Sechs zahlreiche Kopfballduelle, die er gegen robuste, größere Angreifer womöglich verlieren würde. Seine Passmuster sind grundsätzlich ähnlich wie in der Innenverteidigung bzw. sehr von Sicherheit geprägt und häufig ohne markanten Raumgewinn. Das bedeutet nicht unbedingt, dass Aiwu aus der Innenverteidigung heraus kein progressiver Passspieler ist, sondern eher, dass er sich als Sechser mit Ball kaum in den Achterraum, sondern eher in die Breite oder nach hinten orientiert. Das ist aber durchaus normal, wenn ein etatmäßiger Innenverteidiger plötzlich im Schnitt 15 bis 20 Meter höher spielt.
Alternative auf der Sechs, wenn Rapid klarer Außenseiter ist
Nimmt man die Intensität in der Zweikampfführung als Maßstab wäre Aiwu also auch durchaus eine nennenswerte Option fürs defensive Mittelfeld. Dagegen sprechen die geringe Progression im Passspiel und auch nicht besonders gute Werte in der aktiven Balleroberung. Allerdings ist der weitgehend beidbeinige Aiwu eine gute Alternative für Rapids defensives Mittelfeld, wenn man die Mitte massiv verdichten will – beispielsweise in Spielen, in denen man klarer Außenseiter ist. Ein typisches Beispiel: Beim 2:0-Sieg gegen die polnische U21-Auswahl im vergangenen März ließ Gregoritsch sein Team im 3-4-2-1 auflaufen. Aiwu spielte dabei neben Austrias Vesel Demaku auf der Sechs vor einer Dreierkette, bestehend aus Geyrhofer, Daniliuc und Klarer. Die Möglichkeiten des Abkippens nach hinten sind offensichtlich und wenn sich Rapid für eine Defensiv- bzw. Kontertaktik entscheidet, könnte Aiwu eine solche Rolle, mit einem möglichst progressiven Passspieler neben sich, gut ausfüllen. Eine echte Option für die Sechs, wenn Rapid in Spielen Dominanz ausstrahlen und das Spiel machen muss, ist er allerdings weniger.
Auch als tiefer Außenverteidiger in einer Viererkette denkbar
Aiwu darf außerdem als Backup für beide Außenverteidigerpositionen betrachtet werden. Mit Schick als Stojkovic-Ersatz auf rechts konnte man zuletzt kaum zufrieden sein und Jonas Auer füllt eine eher offensive Rolle aus bzw. muss in die defensive Rolle noch hineinwachsen. Wenn Aiwu also nicht als Flügelverteidiger, sondern als klassischer Außenverteidiger in einer Viererkette aufgeboten wird, dann kann er diesen Part recht tief und im Stile eines Innenverteidigers abspulen und situativ auch zentral aushelfen oder pendeln. Die Flexibilität des 20-Jährigen ist also nicht zu verachten, wenngleich es sehr unwahrscheinlich ist, dass diese Ausflüge auf eine andere Position von großer Häufigkeit sein werden. Wir halten es für deutlich wahrscheinlicher, dass Aiwu auf der Sechs, als auf einer Außenverteidigerposition spielt.
Aiwu vor einem Eingewöhnungsjahr
Seine Hauptrolle spielt er allerdings klar in der Innenverteidigung. Dies ist sein Naturell, hier wird man über kurz oder lang auf ihn setzen. Die Konkurrenz ist mit Hofmann, Greiml und Wimmer derzeit sehr groß, aber Rapid tätigte hier eine durchaus clevere Investition in die Zukunft. Greiml wird bei gleichbleibenden Leistungen nicht mehr lange beim Verein bleiben und ist wohl sogar schon einer der nächsten Wechselkandidaten. Hinzu kommt, dass sein Vertrag im Sommer 2022 ausläuft. Mit Aiwu bringt man frühzeitig weitere Breite in die Personaldecke und man kann seine erste Saison bei Rapid wohl als Eingewöhnungsjahr betrachten. Zu seinen Einsätzen wird er aufgrund des dichten Spielplans bestimmt kommen, aber in einer Viererkette einen der beiden zentralen Verteidiger kurzfristig herauszuspielen, wird für den Ex-Admiraner natürlich sehr schwierig.
Nachhaltiger und vorausschauender Transfer, aber keine sofortige Hilfe
Dennoch muss man die Sinnhaftigkeit des Transfers auf lange Sicht betrachten. Würde Greiml Rapid in einem halben oder in einem Jahr verlassen, müsste er nicht nachbesetzt werden. Weiters ist positiv zu bewerten, dass man hier vorausschauend einen Österreicher gefunden hat und eine einmalige Chance nutzte, schnell zuzuschlagen. Damit wird das Ausländerkontingent auf dieser Position nicht belastet und obendrein verpflichtete man einen U21-Teamspieler, der Spieler wie Auer, Greiml, Sulzbacher, Grüll oder Arase bereits von den Teamlehrgängen kennt. Auch ein einschneidender Ortswechsel ist bei einem Wechsel von der Admira zu Rapid nicht zu erwarten und so ist wohl die höhere Spielintensität bei Rapid der schwierigste Faktor in der Eingewöhnung. Rapid agierte hier clever, aber man darf nicht erwarten, dass Aiwu im ersten Jahr eine zentrale Rolle spielt. Hier handelt es sich eindeutig um einen nachhaltigen Transfer, der einer guten Okkasion geschuldet ist, aber weniger um eine sofort spürbare Hilfe.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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