Mit der 1:3-Niederlage in Salzburg erlitt Rapid einen kleinen Dämpfer im Titelrennen, verlor die Tabellenführung an den Salzburger Titelfavoriten. Dennoch lieferte das Spiel einige positive Erkenntnisse und das Programm der nächsten Wochen spricht auch eher für den SK Rapid als für Red Bull Salzburg oder den FK Austria Wien, die derzeit punktegleich mit den Grün-Weißen die Tabellenspitze belagern.
Die zweite Halbzeit gegen die SV Ried weckte die Hütteldorfer Lebensgeister. In Unterzahl spielte Rapid mehr Torchancen heraus als in Vollbesetzung. Ein Problem der letzten Wochen wurde vorsichtig abgestellt: Die Innenverteidiger Sonnleitner und Pichler, vor allem Letzterer, nahmen sich ein Herz und nahmen aktiv am Aufbauspiel der Mannschaft teil – was etwa in den Spielen gegen Wiener Neustadt oder die Austria ganz und gar nicht funktionierte. Auch gegen Salzburg nützten die Defensivspieler immer wieder den sich ihnen bietenden Raum für Vorstöße. Es handelte sich dabei nicht um unwiderstehliche Vorstöße, wie man sie zum Beispiel vom Brasilianer Lucio kennt, aber es war doch eine Steigerung merkbar, wodurch Rapid mehr Torchancen herausspielte, als in den Spielen zuvor. Angenehme Nebenerscheinung: Auch Thomas Prager wirkte durch das bessere Antizipieren der Innenverteidiger gelöster, bewegte sich freier, ohne Ball ungezwungener und es lastete allgemein weniger Druck auf seinen Schultern.
Rapid wird ruppiger
Die Spiele gegen Ried und Salzburg brachten jedoch auch ein neues Problem in Grün-Weiß zum Vorschein: Unnütze Aggression. Kratzen und Beißen sind Tugenden, die den SK Rapid seit jeher ausmachen, aber die roten Karten für Christopher Trimmel (gegen Ried) und Guido Burgstaller (gegen Salzburg) fallen in die Kategorie „überflüssig“. Der sonst ruhige Trimmel musste für seine Tätlichkeit an Anel Hadzic aufgrund seiner Unbescholtenheit nur ein Spiel pausieren, darf am Wochenende gegen Mattersburg wieder ran. Auch Burgstaller hatte Glück, denn sein Foul an Leonardo hätte bei einer glatten roten Karte, die vertretbar gewesen wäre, mehr als ein Spiel Sperre nach sich gezogen. Unter Peter Pacult wurden Rapids Spieler zeitweise für ihre lasche Gangart kritisiert; gerade in technisch schwächeren Spielen erwarteten sich viele Fans mehr Härte von ihren Lieblingen – quasi um ein Zeichen zu setzen. Die Härte, die derzeit bei Rapid an den Tag gelegt wird, ist jedoch kein gutes Zeichen. Von vier roten Karten in der laufenden Bundesligasaison resultierten drei aus Tätlichkeiten oder schweren Fouls. Mit Heikkinen und Pichler halten derzeit zwei Rapid-Akteure bei acht gelben Karten. Der unfairste Rapid-Spieler der Vorsaison war Tanju Kayhan mit neun Gelben, ein Jahr davor Andreas Dober mit derselben Anzahl an Karten. Ein Wert, den die Rapid-Defensivspieler schon in den nächsten Spielen egalisieren oder übertreffen werden. Rapid wird ruppiger – angesichts der letzten Jahre ein ungewohntes Bild, aber vielleicht auch genau das Richtige für eine anstrengende Meisterschaft, in der auch die richtige Einschüchterungstaktik Gold wert sein kann!?
Burgstaller am Flügel wertvoller
Doch nun wieder zurück zu den offenkundig positiven neuen Erkenntnissen der letzten Rapid-Spiele: Rapid wird flexibler. Sowohl nach Trimmels Ausschluss im Heimspiel gegen Ried, als auch in Salzburg, spielte Guido Burgstaller am Flügel, statt wie in den Spielen davor im Angriff. Burgstaller machte technisch keine guten Spiele, aber die weiteren Wege, die er in seiner veränderten Aktionszone abspulte, waren für das Mittelfeldspiel des SK Rapid äußerst wichtig. Auch wenn das moderne 4-5-1-System (in welcher Ausführung auch immer) durch das laufintensivere, moderne Fußballspiel von vielen Trainern immer mehr zu einer Art 4-6-0 gemacht wird, ist Burgstaller für die Position der Solospitze ungeeignet.
Nuhiu spielt in die Tiefe, Burgstaller in die Breite
Der Grund dafür ist der, dass sich Burgstaller in seinem intensiven Laufspiel auf die Breite fokussiert. Es zieht den 22-jährigen Kärntner aufgrund seines Naturells automatisch auf den Flügel. Wenn dann aber Bälle in die Gefahrenzone kommen, ist Burgstaller nicht mehr dort, wo er als Stürmer stehen sollte. Anders verhält sich dies bei Atdhe Nuhiu: Der baumlange Stürmer bewegt sich etwas weniger als Burgstaller, ist grundsätzlich weniger dynamisch, arbeitet jedoch nicht in die Breite, sondern in die Tiefe. Während sich Burgstaller also zwischen den Seitenlinien bewegt und einen großen Radius beackert, konzentriert sich Nuhiu größtenteils aufs Spiel auf der Zentralachse. Der eine schiebt nach links und rechts, der andere nach vorne und hinten. Das Ergebnis: Wenn Nuhiu spielt, ist Rapid grundsätzlich gefährlicher, was auch Torschussstatistiken beweisen. Nuhiu erarbeitet sich aufgrund seines zielgerichteten Positionsspiels Torchancen, die Burgstaller nicht bekommt. Auch die Gefahr, die zusätzlich durch die Kopfballstärke Nuhius ausgeht ist nicht zu unterschätzen.
Gartler mit Schritt nach vorne
Für ein weiteres Aha-Erlebnis sorgte schließlich René Gartler in Salzburg. Man wusste eigentlich gar nicht mehr, wie es um den 26-Jährigen steht. War er aussortiert? Kam er an den anderen Angreifern einfach nicht vorbei? War er eigentlich fit? Das letzte Mal stand Gartler am 29.Oktober 2011 in der Startelf des SK Rapid – gegen Red Bull Salzburg klopfte er jedoch wieder um einen Platz in der ersten Elf an. Gartler glänzte vor allem durch enorm durchdachtes Laufspiel, immer an der Grasnarbe zum Abseits und räumlich clever. Zudem behauptete er Bälle, holte Freistöße heraus (so auch den, der zum 1:1 durch Steffen Hofmann führte) und verarbeitete die Bälle intelligent weiter. Rechnete man vor kurzem noch mit Alar als As im Ärmel, darf man ab sofort auch Gartler als zusätzliche Facette des grün-weißen Offensivspiels nicht außer Acht lassen.
Rapid als „Elf“ oft schwach – aber als Kader stark
Rapid verlor unglücklich in Salzburg – und trotzdem hat man eigentlich erst seit der Niederlage den Eindruck, dass es nicht Schöttels mehr oder weniger eingespielte Einsergarnitur, sondern der Kader ist, der Rapid zu einem heißen Eisen im Titelkampf macht. Klassisches Beispiel: Zu Beginn der Saison war Lukas Königshofer die Nummer Drei im Rapid-Tor. Nun ist er der unumstrittene Einser und spielt in der Rolle eines modernen, offensiv denkenden Keepers eine gute Saison. Echte Klassespieler sind in Hütteldorf zurzeit Mangelware, das beweisen auch die raren Teameinberufungen. Doch die nicht selten wechselnde Tages- oder Wochenform einzelner Spieler machen Rapid interessant – und das nicht als „Elf“, sondern als „Zweiundzwanzig“. Das Aufbäumen hungriger Akteure wie Gartler, Thonhofer, Königshofer oder Nuhiu in den letzten Spielen zeigt dies klar und deutlich.
Vier Wochen der (Vor)Wahrheit
Sofern man in dieser seltsamen Saison überhaupt Prognosen wagen sollte: Das Programm der nächsten vier Wochen spielt Rapid in die Karten. Dem Team von Peter Schöttel stehen fünf Spiele bevor, in denen der Tabellenzweite zu favorisieren ist: Zunächst die Heimspiele gegen Mattersburg und Kapfenberg, dann Auswärtspartien gegen Wacker Innsbruck und die Admira und schließlich das Heimspiel gegen den SC Wiener Neustadt am Osterwochenende. Wenn diese Spiele vorüber sind, stehen nur noch sieben Spieltage auf dem Programm. Die Wiener Austria hat in derselben Zeit Auswärtsspiele gegen Wiener Neustadt, Mattersburg und Ried und empfängt zu Hause Sturm Graz und Red Bull Salzburg. Salzburg hat ebenfalls drei Auswärtsspiele, gegen Kapfenberg, die Admira und die Austria, empfängt dafür zu Hause Wiener Neustadt und Wacker Innsbruck. Möchte Rapid Meister werden, muss die Tabellenführung am Osterwochenende das nächste Etappenziel sein. Denn danach geht’s ans Eingemachte: Austria (a), Sturm (h), Ried (a), Salzburg (h)…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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