Statistikanalyse: Der Verlauf von Total Shots Ratio und PDO der Wiener Austria seit 2011
Bundesliga 27.März.2015 Alexander Semeliker 1
Zehn Spieltage vor dem Ende der Saison 2014/2015 entließ die Wiener Austria Gerald Baumgartner aus dem Traineramt und stellte Andreas Ogris als interimsmäßigen Nachfolger vor. Dies bedeutete den bereits sechsten Trainerwechsel in den letzten dreieinhalb Jahren. Eine Zeit, in der es sowohl Höhen als auch Tiefen gab und die wir statistisch aufarbeiten wollen.
In diesem Artikel soll untersucht werden, ob es eine Überstimmung zwischen der subjektiven Wahrnehmung, die Fans der Wiener Austria haben, und der Realität gibt. Wie sehr spiegelt sich die emotionale wie sportliche Berg- und Talfahrt der letzten Jahre auch in den Statistiken nieder? War die Austria in der einen oder anderen Trainerwahl zu voreilig? War es vielleicht nur Pech, dass in zwei der letzten drei Saisonen das internationale Geschäft verpasst wurde? Oder war es aufgrund der sportlichen Leistungen gerecht?
TSR, PDO und die Methodik dahinter
Als statische Werkzeuge bedienen wir die bereits erklärten Methoden der Total Shots Ratio und des PDO. Die Total Shots Ratio (TSR) gibt an, wie einseitig das Schussverhältnis eines Teams ist. Je mehr Torschüsse man verglichen mit dem Gegner erzielt, umso höher ist die TSR. Damit wird ein kontrolliertes Ballbesitzspiel ebenso honoriert wie eine scheinbar destruktive, aber effiziente Mauertaktik. Die TSR-Methode wird zwar zunehmend von der „Expected Goals“-Methode abgelöst, bei der berücksichtigt, dass nicht jeder Schuss gleich gefährlich ist, für die Betrachtung im Rahmen dieses Artikels ist sie jedoch als Näherung ausreichend.
Während die TSR also eine Aussage über die Dominanz bzw. Stärke eines Teams erlaubt, gibt der PDO an, ob ein Team überdurchschnittlich viel Glück oder Pech an. Als Messwerte dienen dabei die eigene und gegnerische Chancenauswertung. Ein besonderes Merkmal des PDO ist, dass er schnell und selbst nach relativ wenigen Spielen bereits dem Mittelwert entgegenstrebt – Glück und Pech heben sich also über einen gewissen Zeitraum betrachtet auf. Dieser Grenzwert hat aufgrund der zugrundeliegenden Formel den Wert 1000.
Im betrachteten Zeitraum bestritt die Austria insgesamt 134 Spiele in der Bundesliga. Aufgrund dieser großen Anzahl und um den unerwünschten Effekt einzelner Ausreißer zu beseitigen, sind die in den Grafiken aufgetragenen Daten jeweils eine Mittelung der vergangenen zehn Spiele. Die Rohdaten stammen von transfermarkt.at.
2011/2012: Ein konsequentes Auf und Ab
Als erstes wollen wir uns die Saison 2011/2012 ansehen, in die der FAK mit Karl Daxbacher als Trainer startete. Unter diesem holten die Veilchen in den ersten 19 Spielen nur 28 Punkte, sodass man als Tabellenvierter in die Winterpause ging. Während des Frühjahrs saß Ivica Vastic auf der Trainerbank, unter dem aber ebenfalls keine überzeugenden Ergebnisse heraussprangen. Die Wiener verpassten den Europacup und der Vertrag von Vastic wurde nicht verlängert.
Die TSR der Austria war zu Saisonbeginn unterdurchschnittlich, wurde mit Fortdauer des Herbstes jedoch immer besser. Der Höchstwert betrug 0,612 – zwei Spiele bevor man sich von Daxbacher trennte. Andererseits zeigt der Verlauf des PDOs, dass die Austria in dieser Phase vergleichsweise wenig Glück hatte. Die Ergebnisse der letzten vier Spiele vor dem Winter lauteten 2:2, 0:0, 1:5 und 0:3. In der Vastic-Ära ging der PDO wieder nach oben, die TSR fiel zwischenzeitlich aber auf einen extrem niedrigen Wert – eine Bestätigung dafür, dass die Austria unter Vastic fußballerisch nicht wie gewünscht funktionierte.
2012/2013: Titel dank Glück in wichtiger Phase
Der Meistertitel in der Saison 2012/2013 war nicht nur der emotionale Höhepunkt in den letzten Jahren, sondern auch fußballerisch waren die Veilchen in dieser Spielzeit klar stärker als in den Zeiten davor und danach. Zu Saisonbeginn gab es einen kurzen Abfall der TSR, die Ergebnisse passten jedoch. Dann begann Stögers Konzept immer besser zu greifen und die TSR stieg ebenso wie das Punktekonto rapide an.
Aus der Winterpause kam man eher schleppend, was sich in einem Rückfall der TSR wiederspiegelte. Die Austria erzielte dennoch weiterhin gute Ergebnisse, verlor die erste Partie erst Anfang April (0:4 gegen den WAC). Man beachte in diesem Zusammenhang den hohen PDO. Vereinfacht gesagt: die Austria spielte schlechter, hatte aber Glück, dass sich das nicht in den Ergebnissen widerspiegelte. Erst zum Ende der Saison hin fiel der PDO. Da die TSR gleichzeitig aber wieder schnell anstieg, blieben die Ergebnisse weiterhin konstant gut und man konnte sich zum Meister krönen.
2013/2014: Mit Bjelica in den Keller, mit Gager wieder raus
Unter Stögers Nachfolger Nenad Bjelica gab es den wohl stärksten Kontrast. Zwar qualifizierte man sich für die Gruppenphase der Champions League, zu Saisonende belegte man in der Bundesliga aber nur Platz vier und verpasste damit die erneute Qualifikation für den Europacup. Der Saisonstart verlief unter dem Kroaten noch passabel, dann folgte aber ein starker Einbruch, was zum subjektiven Gefühl der damaligen Lage passt. Bjelica wollte an und für sich gleich spielen lassen wie Stöger, seine Mannschaft wirkte aber zunehmend verkrampft.
Nach der Trennung von Bjelica übernahm Herbert Gager und die TSR ging wieder nach oben, zudem stimmten die Ergebnisse weitestgehend – nur Stöger hatte von hier angeführten Trainern im betrachteten Zeitraum einen besseren Punkteschnitt. Die Erinnerung an Gagers Ära wird aber durch das verpassen des Europacups eine eher negative bleiben. Ausschlaggebend dafür war unter anderem, dass man im letzten Spiel einen Elfmeter ans Aluminium setzte, was landläufig gerne als Pech bezeichnet wird. Passend dazu sank der PDO in der entscheidenden Saisonphase.
2014/2015: Das Baumgartner-Mysterium
Die Statistik unter dem jüngst entlassenen Baumgartner ist gewissermaßen ein Mysterium – ebenso wie die Leistungen am Platz. Taktisch zeigten die Veilchen durchaus interessante Ansätze und auch Baumgartner konnte durch gutes In-Game-Coaching auf sich aufmerksam machen, allerdings wurden diese Aspekte über einen längeren Zeitraum hinweg nicht aufrechterhalten. Auf Grundlage der Spielergebnisse und der Tabellensituation war die Entlassung Baumgartners fraglos nachvollziehbar, doch wie sehen nun die entsprechenden Statistiken aus?
Die TSR bewegte sich zunächst in etwa auf der Ebene, die Garger hinterlassen hatte. Je näher das Ende der Baumgartner-Ära kam, umso mehr gab es jedoch einen Abfall. Die Austria wurde also schwächer – genauso wie man es aufgrund der subjektiven Beobachtung erwarten konnte. Interessant ist die Entwicklung des PDO: In der Anfangsphase der Saison fiel er rapide ab. Die Gegner hatten also vergleichsweise eine viel bessere Chancenauswertung, also mehr „Glück im Abschluss“.
Nach den ersten vier Spielen der Saison 2014/2015 hatte der PDO mit 759 den niedrigsten Wert im gesamten Betrachtungszeitraum. Zur Erinnerung: die Austria gewann erst am siebten Spieltag ihr erstes Saisonspiel und die TSR hatte ein durchaus gutes Niveau. Danach stieg der PDO wieder an und bestätigt damit die anfangs erwähnte Aussage, dass ein Team über längeren Zeitraum nie permanent Glück oder Pech hat. Die Form des Anstiegs ist allerdings insofern seltsam, als er beträchtliche Schwankungen aufweist. Ebenfalls interessant: der PDO lag nur dreimal über dem Durchschnittswert 1000.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die nachstehende Grafik zeigt nun abschließend die Verläufe von TSR und PDO der einzelnen Trainerperioden chronologisch aneinandergereiht.
Zum Schluss sehen wir uns noch die gemittelten Werte der einzelnen Trainer an und werden nochmals erkennen, dass die Methode der TSR und des PDO zusammen eine meist sehr treffende Aussage über die Entwicklung zulassen und sich mit subjektiven Eindrücken durchaus gut decken.
Explizit herausgreifen wollen wir an dieser Stelle die Werte von Vastic und Stöger. Unter ersterem hatte die Austria die niedrigste TSR – man spielte also am schlechtesten – doch konnte man aufgrund des überdurchschnittlich hohen PDO einiges kompensieren, sodass der Punkteschnitt der drittbeste ist. Jener von Stöger überragt alle, was wenig überraschend kommt, denn unter dem derzeitigen Köln-Trainer war sowohl die TSR, als auch der PDO so hoch wie bei keinem anderen. Der Meistertitel konnte also auf der einen Seite dank guter Arbeit, aber auch dank des nötigen Glücks eingefahren werden. Was wie eine abgedroschene Floskel klingt, ist also mittels der erwähnten statischen Methoden auch erwiesen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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