Statistikanalyse: Wie dynamisch spielen die österreichischen Bundesligisten?
Bundesliga 21.Januar.2016 Alexander Semeliker 0
Nachdem abseits.at in der Winterpause der tipico Bundesliga bereits ausführlich das Aufbauspiel der österreichischen „Top 4“-Teams und das Pressingverhalten aller zehn Bundesligisten unter die Lupe genommen hat, widmen wir uns in diesem Artikel einem komplexeren Thema – der Spieldynamik.
„Schnell nach vorne spielen“, „schnell umschalten“ oder „Tempo aus dem Spiel nehmen“ – all das sind weitverbreitete Phrasen im Fußball. Obwohl vermutlich jeder Interessierte weiß was gemeint ist, wenn er mit ihnen konfrontiert wird, gibt es kein objektives Maß, das diese Dinge beschreibt. Dementsprechend schwierig gestaltet sich eine modellhafte Beschreibung.
„Tempo“ oder „Dynamik“?
Die Phrase, das Tempo sei sehr hoch, hört man vor allem von Spielern, die gerade eben in eine „bessere“ Liga gewechselt sind. Diese Formulierung kann zu Missverständnissen führen, denn selten ist damit gemeint, dass man schneller laufen oder ähnliches muss. Vielmehr ist damit gemeint, dass die Zeit, die einem am Ball gewährt wird, viel kürzer ist. Dieser wird bewegt sich schneller – also in höherem Tempo – über den Rasen. Die Folge: Aktionen müssen schneller, präziser, idealerweise automatisiert bzw. ohne nachzudenken ausgeführt werden. Insofern ist es besser, diesem Umstand eine andere Bezeichnung zu geben: Dynamik.
In der Physik beschreibt der Begriff „Dynamik“ die Lehre vom Einfluss der Kräfte auf die Bewegungsvorgänge von Körpern, was die genannten Abläufe auf einem Fußballfeld durchaus passend abbildet. Dass das Tempo höher ist, liegt nämlich in erster Linie daran, dass die taktische Ordnung besser ist und man in der Folge selbst dadurch leichter unter Druck gerät, sich entsprechend verhält.
ÖFB-Sportdirekter Willi Ruttensteiner sagte vor Kurzem in einem Interview mit dem KURIER, man suche Spieler, „die unter Druck entscheidende Dinge vollbringen“. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Dynamik im modernen Fußball. Ein simpler Pass in einer Drucksituation versetzt das Publikum in aller Regel weniger in Stauen als eine spektakuläre Ballannahme nach einem Wechselpass, kann aus strategischer Sicht aber viel wichtiger sein.
Die grundlegenden Daten
In dieser Statistikanalyse werden drei unterschiedliche Größen untersucht. Der Begriff der Pressingintensität wurde erst kürzlich erläutert. Er wird mithilfe des Ballbesitzes und der Quote an erfolgreichen Pässen gebildet. Eine hohe Pressingintensität bedeutet, dass es viele Drucksituationen gibt, was wiederrum bedeutet, dass die Dynamik des Spiels hoch ist. Er gibt allerdings keine Auskunft darüber, in welcher Zone dies geschieht. Deshalb wird als weitere Größe der Anteil an Pässen in die gegnerische Hälfte herangezogen.
Die dritte Größe ist die Anzahl an Pässen, die ein Team durchschnittlich pro Schuss spielt. Sie kann auch als Indikator für die Geschwindigkeit der Angriffe angesehen werden. Bei einem Team, das ständig den Weg nach vorne sucht und versucht die Spieldynamik hoch zu halten, wird dieser Wert niedriger sein als bei einem, das das Spiel über den Ballbesitz kontrollieren möchte.
Die Resultate
In der nachstehenden Grafik sieht man die Resultate für die österreichischen Bundesligisten. Je größer ein Datenpunkt ist, umso mehr Pässe spielt ein Team pro Schuss. Außerdem sind die Durchschnittswerte für Pressingintensität und dem Anteil an Pässen in der gegnerischen Hälfte über alle zehn Mannschaften mit einer vertikalen bzw. horizontalen Linie gekennzeichnet. Mit allen drei Kategorien zusammen lässt sich schließlich im Groben die Spielphilosophie ableiten.
Herausstechend ist Red Bull Salzburg, das als einziges Team im rechten oberen Quadranten ist. Sie pressen außerordentlich viel und bringen den Ball auch selbst häufig in die gegnerische Hälfte. Dass sie noch dazu relativ schnell zum Abschluss kommen (34 Pässe pro Schuss) ist ein weiteres Indiz dafür, dass das Spiel der Mozartstädter extrem dynamisch ist. Nicht immer wirken sie dabei vollkommen organisiert, durch die hohe individuelle Klasse konnten sie in der Post-Schmidt-Ära aber einige Mängel kompensieren.
Dass neben den Bullen nur die Abstiegskandidaten aus Grödig, Ried und Wolfsberg überdurchschnittlich viele ihrer Pässe in die gegnerische Hälfte spielen, scheint zunächst ungewöhnlich zu sein. Im Verbund mit den anderen beiden Größen erhält aber ein passendes Bild. Die geringe Pressingintensität und die niedrigen Pass-pro-Schuss-Werte lassen darauf schließen, dass diese drei Teams ihren Schwerpunkt auf das klassische Konterspiel legen. Angesichts der Tabellenposition nachvollziehbar.
Die Werte der beiden Wiener Klubs liegen im erwarteten Bereich, wo die Dynamik im Allgemeinen gering ist. Die Wiener Austria spielt anteilig die wenigsten Pässe in die gegnerische Hälfte (52,9%), holt sich aber ebenso wie Rapid den Ball vom Gegner schnell wieder zurück. Es wird jedoch meistens nicht direkt nach vorne gespielt, sondern versucht, aus der Ordnung heraus zum Abschluss zu kommen. Die Austria schließt im Schnitt nach jedem 45. Pass ab, Rapid gar erst nach jedem 53. Auch die Admira agiert eher vorsichtig.
Im linken unteren Quadranten finden sich Mannschaften wieder, die gewissermaßen ein Kompromiss zwischen den anderen genannten Philosophien eingehen. Insbesondere die Streuung bei der Angriffsgeschwindigkeit ist hier beachtlich. Während Mattersburg nach Rapid die meisten Pässe pro Schuss spielt (49), sind es bei Sturm die wenigsten (33). Zu berücksichtigen ist dabei, dass hier keine Information über die Qualität der Schüsse vorhanden ist. Die Methode der „ Expected Goals“ wäre beispielsweise ebenso präziser wie eine Methode, die Thom Lawrence in seinem Blog präsentierte. Die dafür nötigen Daten sind jedoch nicht frei zugänglich.
Alexander Semeliker, abseits.at
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