Daniel Mandl hat sich mit Rapid-Präsidiumsmitglied Stefan Singer getroffen und die Entwicklungen, einen Selbstreinigungsprozess und die positiven Aspekte eines Skandals, aber auch Corona-Unsicherheiten, Geisterspiele... Stefan Singer im Interview: „Die Aufregung kann langfristig zum ethischen Gewinn werden“

Daniel Mandl hat sich mit Rapid-Präsidiumsmitglied Stefan Singer getroffen und die Entwicklungen, einen Selbstreinigungsprozess und die positiven Aspekte eines Skandals, aber auch Corona-Unsicherheiten, Geisterspiele und schwierige Planungsbedingungen besprochen.

Daniel Mandl: Wie waren deine ersten Monate im Präsidium? Gab es Themen oder Agenden, die dir vor deinem Amtsantritt am Herzen lagen, die du bereits umsetzen konntest?

Stefan Singer: Die ersten Monate im Präsidium waren angenehm und konstruktiv, weil wir ein Team haben, das gut zusammenpasst. Die Gegenwart ist aber natürlich extrem von der Corona-Geschichte geprägt. Wenn du überhaupt keine Face-to-Face-Präsidiumssitzung machen, sondern nur über digitale Kanäle kommunizieren kannst und die Arbeit im Verein durch Kurzarbeit auf ein Minimum reduziert ist, dann ist das Umsetzungspotential eben auch reduziert. In Wahrheit, das kann man ganz offen und ehrlich sagen, sind viele unserer Planungen ins Hintertreffen geraten, weil wir einfach Maßnahmen setzen mussten, um den Verein zu retten. Die Liquidität zu sichern war das allerwichtigste und somit war es bisher hauptsächlich Krisenmanagement und nicht Gestaltung.

Noch dazu wird es bei Rapid noch etwas schwieriger sein, als bei anderen Klubs. Vielleicht auch weil andere Klubs alteingesessene Präsidien und allgemein dünnere Strukturen haben, während ihr erst „zueinandergefunden“ habt.

Das stimmt nur zum Teil. Im neuen Präsidium sitzen ja auch drei Mitglieder, die bereits im vorherigen Präsidium waren und somit ist eine gewisse Kontinuität und Routine gewährleistet. Das ist naturgemäß im kritischen Zeiten – Stichwort Covid-19 – ein großer Vorteil, dass zum Beispiel der Präsident zuvor als Finanzverantwortlicher des Präsidiums Krammer keine Einarbeitungszeit benötigte. Daher war dieser Transformationsprozess nicht sehr problematisch und wir haben uns eigentlich sehr schnell „gefunden“. Auch die Geschäftsordnung und die internen Abläufe sind gleichgeblieben, das Organigramm wurde geringfügig geändert, die Organisationsstruktur ist aber auch dieselbe. Es ist aber natürlich schon ein Problem, wenn dir dann Leute wie Andy Marek abhandenkommen. Er wäre noch ein erfahrener Krisenmanager gewesen, der eben jetzt nicht da ist. Aber ich denke, dass wir den Verein trotzdem gut für die nächsten Monate aufgestellt haben.

Wie intensiv war in der Corona-Zeit die Kommunikation unter den Präsidiumsmitgliedern? Blieben viele Themen liegen?

Die Kommunikation war so, wie bei allen anderen Unternehmen. Nicht im persönlichen Gespräch, sondern via Videokonferenzen und Telefon. Das ist natürlich nicht so ideal, wie wenn man an einem Tisch sitzt, keine Frage. Wie bereits erwähnt, haben wir die Rettung des Vereins in den Vordergrund gestellt. Themen wie der Satzungskonvent sind dadurch ein bisschen nach hinten geschoben worden, aber der Präsident hat ebenfalls schon erklärt, dass sich manche Projekte um ein paar Monate verschieben werden.

Von der „Opposition“ im Verein kommt häufig der Vorwurf, dass auch vor Beginn der Corona-Krise zu wenig weitergegangen ist.

Vor der Corona-Krise gab es sämtliche Vorbereitungsarbeiten für diverse Themen, die in unserem Wahlprogramm standen. Jetzt, im Zuge der Krise, ist es nicht nur so, dass wir die Prioritäten umstellen mussten, es standen auch plötzlich viele wichtige Personen nicht zur Verfügung, beziehungsweise konnte man sich nicht mit ihnen treffen. Wichtig ist es, dass wir die Krise gesellschaftlich zumindest auf dem aktuellen Niveau stabilisieren können. Wenn es zu einem weiteren Lockdown kommt, dann wird’s für alle österreichischen Vereine, mit Ausnahme von Red Bull, richtig kritisch.

Was kannst du allgemein zur Zusammenarbeit im Präsidium sagen? Welche neuen Mitglieder brachten sich in dieser schwierigen Zeit besonders gut ein.

Die Zusammenarbeit im Präsidium funktioniert sehr gut. Wir haben ein amikales Verhältnis, geprägt von gegenseitiger Wertschätzung. Jede und jeder kümmert sich um ihre und seine Spezialbereiche und da bringen sich eigentlich alle gleichermaßen gut ein. Alle tun das, was sie können und wo sie Spezialisten sind. Die vielen politischen Themen, die es aktuell gibt, also beispielsweise die Termine in den Ministerien, waren hauptsächlich Sache des Präsidenten und des Geschäftsführers. Aber auch Philip Newald hat zum Beispiel ein großes Netzwerk und hat auch einige wichtige Kontakte hergestellt. Die Hauptarbeitslast in der letzten Zeit lag aber sicher auf Martin Bruckner und Christoph Peschek. In Pescheks Fall sicher auch, weil er die Strukturen und Gepflogenheiten in der Bundesliga gut kennt. Bei Martin ist es so, dass es meiner Meinung nach der Respekt gebietet, wenn man in einer solch schwierigen Lage ist und mit Ministern spricht, dass dies durch den höchsten Funktionär des Vereins getan wird.

Was waren die ersten Gedanken als du das Transparent gesehen hast? Was sind die Lehren die man aus der Transparent-Geschichte gezogen hat? Was ist deine Meinung zu der Causa?

Ich habe kurz vor Spielbeginn ein Foto des Transparents per WhatsApp bekommen. Mein erster Gedanke war, dass es schlichtweg unangebracht ist. Es war derb, ordinär und vor allem sexistisch, was aus meiner persönlichen Sicht das größte Problem darstellte. Das war mein Empfinden, aber offenbar haben es Andere anders empfunden. Ich bin mir aber sicher, und das konnte ich im persönlichen Gespräch klären, dass die Fanszene nicht bewusst sexistisch agieren wollte. Die wollten einen derben Spruch loslassen, nicht mehr.

Waren die Reaktionen der Medien deiner Meinung nach überzogen?

Sehr schwieriges Thema. Manche, nämlich diejenigen, die die Political Correctness bis ins kleinste Detail leben, werden sagen, dass die Reaktion der Medien genauso ist, wie sie sein soll – nämlich scharf. Viele andere, die in einer anderen Meinungswelt und in einer anderen sozialen Umwelt leben, werden es vielleicht als nicht so arg abtun. Ich denke man muss schon akzeptieren, dass es da verschiedene Empfindungen gibt. Das merkt man auch, wenn man sich Foren oder die sozialen Medien durchliest. Meine persönliche Meinung ist da eher die der „Bildungseliten“, die auch gesellschaftlich sicher einen Kurs vorgeben: Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen sind ganz klar Probleme in unserer Gesellschaft. Wir als Gesellschaft müssen uns natürlich fragen, wie wir derartige Probleme lösen können, aber eines ist auch klar: Schnell geht so etwas nicht. Für so etwas braucht man sehr viel Geduld, denn derartige Sensibilisierungsprozesse gibt es seit Jahrhunderten und Jahrtausenden. Aber: Jeder einzelne Prozess hat zu einer aufgeklärteren und gerechteren Gesellschaft geführt. Unsere Gesellschaft ist noch lange nicht perfekt, wird sie auch nie sein, aber wir leben dennoch in einer Welt, die gerechter ist, als sie es noch vor einigen Jahrhunderten war. All diese Prozesse haben lange gedauert und der, über den wir sprechen, wurde vor einem guten Jahrhundert angestoßen, damals mit dem Frauenwahlrecht. Man sieht ganz klar, dass wir es hier mit einem Thema zu tun haben, für das man Zeit, Geduld und viel Kommunikation benötigt. Es ist auch naiv zu glauben, dass man ein solches Problem innerhalb einer Fanszene mit Verboten oder einer Bestrafung kurzfristig in den Griff bekommt. Die Akzeptanz und das Commitment muss am Ende aus der Szene, wie auch aus der Gesellschaft selbst kommen, sonst ist diese ganze Diskussion sinnlos.

Berechtigterweise werden Kritiker jetzt aber betonen: Das ist doch nicht euer erstes Problem. Bei Rapid ist doch immer „irgendwas“…

Richtig, bei Rapid passiert immer wieder etwas, das kann man nicht abstreiten. Ich beobachte das bereits seit 40 Jahren. Wir bei Rapid haben ein Spiegelbild und einen Querschnitt der Bevölkerung zu Gast. Vom einfachen Arbeiter zum Uniprofessor, vom Milliardär bis zum Schüler gehen alle Bevölkerungsschichten ins Stadion und bringen natürlich ihre Sichtweisen, ihre Erfahrung, irgendwie ihr ganzes Leben mit. Ein Fußballplatz ist aber auch traditionell ein Ventil, wo man Dinge auslassen kann, die man im „normalen“ Leben nicht tun würde und die man sich vielleicht die ganze Woche verbeißt. So viel zur Vorgeschichte. Man muss aber auch ganz klar sagen, dass sich der SK Rapid vor diesen Dingen nicht fürchtet. Der SK Rapid lebt mit diesen Dingen, obwohl sie uns manchmal um die Ohren fliegen, wie zum Beispiel jetzt. Und wir leben deshalb damit, weil wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Wir wollen kein Elitenklub sein, wir wollen kein Geschäftsmodell sein, wir sind der SK Rapid und der SK Rapid ist eine Gemeinschaft. Und in dieser Gemeinschaft gibt es auch Menschen, die manchmal gegen einen gesellschaftlichen Konsens verstoßen. Wir haben aber einige dieser Situationen in der Vergangenheit sehr erfolgreich gelöst! Wir haben das Problem der politischen Radikalität gelöst und Unterwanderungsversuche in den 80ern als Gemeinschaft abgewehrt. Wir haben keine organisierten Rechtsradikalen im Stadion, unser Stadion ist politikfreie Zone. Die Pyrotechnikproblematik haben wir in den letzten Jahren auch in eine gesetzeskonforme Position gebracht. Auch Gewaltausbrüche kommen im Stadion kaum mehr vor. Die Problematik der steigenden Armut in unserem Land wurde insbesondere durch unsere Fanszene, aber auch vom Verein selbst schon vor Jahren erkannt und wird seither mit wunderbaren Projekten und einem unglaublichen Engagement bekämpft. Vor 40 Jahren hatten wir im Stadion einen Frauenanteil von vielleicht 1%. Heute sind es 20 – 25%. Wir haben alle gemeinsam in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr viel weitergebracht und sehr viel Aufmerksamkeit für wichtige gesellschaftliche Themen geschaffen. Und wenn es mal wieder eine kontroverse Situation gibt, wie eben jetzt das Transparent, dann nehmen wir uns dieses Problems an und werden langfristig daran arbeiten.

Ohne das Transparent im Speziellen relativieren zu wollen, aber ist es nicht – ganz allgemein – nahezu unmöglich ein Stadion zu einem Ort voller Liebe und Political Correctness zu machen? Auf jeder Tribüne hört man doch ab und an ein Schimpfwort? 

Ein Stadion ist traditionell ein Ort, wo man am Wochenende hingeht und wo der eine oder andere auch mal gerne Dampf ablässt. Das kann verbal sein, indem der Schiedsrichter beflegelt wird. Das kann körperlich sein, indem er sich beim Supporten und Singen verausgabt. Am Fußballplatz ergibt sich ein besonderes Gemeinschaftsgefühl. Da unten spielen „deine“ Repräsentanten und es entwickelt sich eine Art Clan-Situation. Dein Clan kämpft dann eben gegen die Repräsentanten eines anderen Clans. Klarerweise ist diese Auseinandersetzung zwischen zwei Clans aber auch mit Regeln versehen, die eingehalten werden müssen. Dass aber bei Ungerechtigkeiten – und das kann schon ein fragwürdiger Pfiff sein – die Emotionen hochgehen können, ist ja ganz klar. Das ist eben das „Gefühl Fußballplatz“. Jetzt wo wir Geisterspiele haben, muss man sich nur mal die TV-Quoten ansehen. Viele Fußballfans sagen, dass sie sich die Geisterspiele nicht mal im Fernsehen anschauen, weil sie so fad und unemotional sind. Fazit: Der Fußballplatz ist ein hochemotionaler Ort, klar gelten alle Regeln unserer Gesellschaft auch dort, aber sie werden am Fußballplatz tendenziell bis an die Grenzen ausgereizt und das wird auch immer so sein.

Vielleicht ein Vergleich von Äpfel und Birnen, aber wie ist die Diskrepanz bezüglich öffentlichem Aufschrei zu erklären, dass ein Plakat, das vor Spielbeginn abgenommen wurde, weit höhere Wellen schlägt, als die homophoben Gesänge bei jedem Derby – Stichwort „schwuler FAK/SCR“ und ähnliche Schlachtgesänge, bei denen zwar sicher nicht das ganze Stadion mitmacht, aber doch ein durchaus großer Teil.

Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass es ein soziologisches Phänomen des Fußballplatzes ist, gewissermaßen ein Stilmittel der Fußball-Anhänger, den Gegner herabzuwürdigen um die eigene Mannschaft zu überhöhen. Das ist möglicherweise nicht sehr sympathisch, aber es ist ein weltweites Phänomen und über die Jahrzehnte zur, möglicherweise unreflektierten, Gewohnheit geworden. Mir persönlich gefällt es nicht, schon gar nicht, wenn es in diskriminierender Form praktiziert wird und ich bringe das auch zum Ausdruck.

Nun zur Beantwortung deiner Frage, warum das Transparent so hohe Wellen geschlagen hat:

Das hat meiner Meinung nach zwei Gründe. Der erste Grund ist der, dass es verschriftlichte Sprache ist. Wenn ich mir das immer wieder ansehen kann, weil auch die Fotos vom Transparent in den Medien abgespeichert sind, hat das eine andere Qualität und Wirkung. Der zweite Grund ist, dass wir in einer hochdigitalisierten Zeit und Welt leben und eine visuell zu verbreitende Sache wie diese, von den Medien eher aufgegriffen wird, als etwa „gesungene Verfehlungen“. Medien befinden sich in Konkurrenzsituationen, jeder ist auf der Suche nach einer griffigen Geschichte, die Klicks, Aufrufe und Likes bringt. Abgesehen von den regelmäßigen Corona-Updates und Krankheits-News gibt es derzeit ja recht wenig Content. Alle anderen Sportarten sind praktisch noch immer in der Corona-Pause. Das ist sicher auch ein Mitgrund, weil sich sportlich gerade alles auf Fußball konzentriert. Es gibt sogar noch einen dritten Punkt: Wir haben derzeit mit dem Thema Black Lives Matter eine sehr intensive und große gesellschaftspolitische Diskussion am Laufen. Das Thema Diskriminierung hat sogar den Klimawandel total in den Hintergrund gedrängt. Somit ist das Thema Gerechtigkeit aktuell medial ein so großes Thema, dass es nicht verwunderlich ist, dass das Transparent so stark thematisiert wurde.

Beim Peschek-Interview zu diesem Thema hatte man das Gefühl, dass es ihm wichtiger sei im Block niemanden zu kränken, als den Verein ordentlich nach außen zu vertreten. Ist Peschek mit der Fanszene zu stark verbandelt, sodass es ihm an Objektivität fehlt?

Klar ist das Interview unglücklich rübergekommen, aber ich kenne Christoph und er ist weit davon entfernt, so etwas gutzuheißen oder kleinreden zu wollen. Als Geschäftsführer eines Vereins will er sich natürlich so erklären, dass alle Leute ihn verstehen und, dass er den Verein, für den er spricht, gut repräsentiert und sicher auch schützt oder verteidigt. Das ist in diesem Fall eben nicht gut gelungen, was sicher auch der Stresssituation geschuldet war, in der Christoph sich befand. Aber nach ein paar Stunden Reflexionszeit gab es jede Menge Erklärungen, Entschuldigungen für die unglückliche Wortwahl. Demnach würde ich das erste Interview nicht überbewerten. Wichtiger ist, was danach kam, denn das ist der Standpunkt des Vereins. Durchdacht, ausformuliert, ungestresst. Aber die weiteren Reaktionen erfuhren eben leider keine große mediale Präsenz mehr, weil sie halt nicht annähernd in Richtung Skandal gingen. „Bad news are good news“, leider. Eine Entschuldigung am nächsten Tag ist für einige Medien eben nicht so interessant, wie eine skandalöse Geschichte.

In Bezug auf Entschuldigungen und Klarstellungen denke ich, dass Rapid alles Menschenmögliche korrigiert hat, auch durch Christoph Pescheks Statement auf RapidTV. Aber trotzdem kommen wir auf ein zusätzliches Thema in dieser Causa: Mehrere Sponsoren sprachen davon, dass sie vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen wollen bzw. die Zusammenarbeit nicht verlängern werden. Glaubst du ist das Transparent ein „willkommener Grund“ gewesen, da aktuell viele Unternehmen mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen haben.

Prinzipiell sehen wir unsere Sponsoren und Partner als integrierten Teil unserer Gemeinschaft. Wenn jemand bei uns Sponsor oder Partner ist, geht es nicht nur um die reine Geschäftsbeziehung, sondern auch um die Stärke unserer Community, aus deren Kraft, Emotionalität und Vereinstreue er eben profitieren will. All diese Attribute sollen ein bisschen auf sein Produkt abfärben. Darum kommt ein Sponsor zu uns. Das heißt, dass er sich im Vorfeld damit beschäftigt, wie es bei uns zugeht und tritt dann in diese Community mit ein. Und da weiß er natürlich auch, dass es hie und da zu Problemen kommen kann, die aber aus dieser Emotionalität entstehen. Soweit zum Ausgangspunkt. Aber unsere Sponsoren sind allesamt Wirtschaftsunternehmen, die Zahlen zu verantworten haben und ein bestmögliches Geschäftsergebnis erzielen müssen. Wir befinden uns in einer schweren Wirtschaftskrise, die all unsere Sponsoren trifft. Es gibt meines Wissens keinen, der ein Gewinner der Krise ist. Alle werden durch Einnahmenverluste getroffen, das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben beginnt bei sämtlichen Unternehmen nicht mehr zu stimmen. Und jetzt muss sich jeder selbst überlegen, wie ich das Gleichgewicht wiederherstelle und wenn meine Einnahmen sinken, schaffe ich das nur, indem ich Kosten reduziere. Beim Kürzen des Marketingaufwands geht das natürlich am schnellsten. Ich unterstelle keinem unserer Partner irgendeine Böswilligkeit, sondern ich verstehe, dass Partner teilweise ihre Kosten reduzieren müssen. Wenn das Transparent als Grund angegeben wird, weshalb man seine Aufwände reduzieren oder sogar ganz einstellen möchte, ist das eher eine juristische Frage, da bin ich der falsche Ansprechpartner. Was ich mir aber wünsche ist, dass sich unsere Partner darüber bewusst werden, was sie an uns haben, denn wir würden es sehr schade finden, wenn jemand die Rapid-Gemeinschaft verlässt, ganz egal aus welchen Gründen. Ich hoffe, dass es nicht soweit kommen wird.

Aus der Öffentlichkeit kommt aber auch wegen der Gleichzeitigkeit dieser Meldungen immer wieder die Kritik, dass Handlungen des Fanblocks dem Klub schaden. In diesem Fall ethisch und finanziell. Denkst du, dass das Transparent als solches „nur“ ethisch zu betrachten ist oder denkst du, dass es über kurz oder lang auch einen wirtschaftlichen Schaden bringen kann?

Es könnte natürlich sein, dass es finanziell schadet. Auch wenn es vielleicht nicht die Ursache ist, sondern lediglich ein Anlassfall, der eine juristische Möglichkeit bringt, aus einem Vertrag auszusteigen. Ich glaube aber, dass die wahren Gründe in der Wirtschaftskrise liegen.

Dann ist das Sponsorenthema aber eines, das nicht nur jetzt gerade auf Rapid zukommt, sondern den Großteil der Liga über kurz oder lang treffen wird.

Ja. Es gibt auch bei anderen Klubs Sponsoren, die ihre Leistungen reduzieren oder aussteigen wollen. Ganz ohne einen Skandal. Viele Unternehmen stehen eben mit dem Rücken zur Wand und man kann’s ihnen absolut nicht vorwerfen, so zu denken und zu handeln. Ein Geschäftsführer einer Gesellschaft muss eben das Beste für sein Unternehmen tun und wenn’s wirtschaftlich nicht mehr geht, muss er schauen, wo er Geld einsparen kann.

Viel schwerwiegender als der mögliche finanzielle Schaden ist in dieser Causa aber – zumindest gefühlt – der ethische Schaden. Ihr seid als „Liste Leitbild“ angetreten, habt euch diesem Leitbild klar verschrieben und dieses Transparent hat das Leitbild konterkariert. Obwohl es rechtzeitig vor Spielbeginn abgenommen wurde. Insofern muss es euch ja ein besonderes Anliegen sein, solche Fälle in Zukunft zu verhindern.

Der ethische Schaden, den du ansprichst, ist vordergründig. Es ist auf der anderen Seite aber außerordentlich begrüßenswert, dass es jetzt einen Anlassfall gibt, diese Dinge auszudiskutieren. Gäbe es diesen Anlassfall nicht, würden diese Meinungen im Untergrund des Vereins schlummern und nicht zum Thema gemacht werden. Jeder Krise wohnt eine Chance auf Erneuerung inne. Jetzt gerade ist es ein ethischer Schaden, gar keine Frage, aber langfristig wird der Diskurs, der jetzt gezwungenermaßen aufkam, zu einem ethischen Fortschritt führen.

Das heißt, dass du die Situation im Grunde mit den „politischen Selbstreinigungsprozessen“ in den 80ern und 2000ern vergleichst, die ja am Ende des Tages auch gemeistert bzw. intern gelöst wurden?

Beispiel 80er: Da war es so, dass organisierte Rechtsradikale den Verein unterwandern wollten. Das wurde von unserer Gemeinschaft abgewehrt, in erster Linie durch die vernünftigen Leute innerhalb der Fanszene, die für diese Selbstreinigung gesorgt haben. Das konnte auch gar nicht vom Verein ausgehen, weil es damals noch nicht mal irgendeine Fanbetreuung gab. Unsere Gemeinschaft war mit einer Problematik konfrontiert, hat sie richtig erkannt und schließlich langfristig positiv gelöst. So war es mit mehreren schwierigen Themen in der jüngeren Rapid-Geschichte. Ja, es sind Dinge schiefgelaufen, aber weggeduckt hat man sich nie und man hat sich immer klar mit den Problematiken beschäftigt. Das ist auch bei der jetzigen Causa der Fall. Wenn wir unsere Gesellschaft als Ganze, aber auch das Soziotop Rapid im Speziellen langfristig weiterbringen wollen, dann müssen wir diese Dinge bearbeiten. Es nützt nichts, irgendjemanden aus dem Verein zu werfen und es damit als getan zu betrachten. Dadurch wird nichts aufgearbeitet, das Glutnest wird irgendwo weiterschwelen, aber ich kann es so nicht ablöschen. Wenn ich gesellschaftlich etwas weiterbringen will, brauche ich einen Diskurs. Das „Rausschmeißen“, was uns immer wieder mal von außen „empfohlen“ wird, löst kein Problem und arbeitet nichts auf. Es hat keinen Sinn durch so etwas, „jetzt erst recht“-Standpunkte zu generieren. Wir müssen uns mit diesen Dingen befassen und den Dingen ihren Lauf und ihre Zeit lassen. Das Transparent hat, das kann ich definitiv sagen, sehr viele Menschen zum Nachdenken gebracht. Und zwar auch solche, die sonst nie über solche Dinge nachgedacht haben. Ich sehe langfristig also einen ethischen Gewinn für den SK Rapid.

Per 1. September wird Helmut Mitter als hauptberuflicher Fanbetreuer tätig sein. Was wird sich konkret dadurch ändern?

Heli Mitter kennt die Fanszene ganz genau und ist ein ausgesprochen kluger Mann und ein sehr reflektierter Mensch, dem ethische Grundbegriffe und soziale Verantwortung nicht fremd sind. So einen Mann an Bord zu haben, der gerne diskutiert und vor allem selbst Diskussionen anstößt, ist ein riesiger Gewinn. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass er einiges zustande bringen wird.

Wie intensiv wird dein Austausch mit Helmut Mitter sein, nachdem du ja im Präsidium derjenige bist, der sich das Fan-Thema auf seine Fahnen heftet?

Ich bin sicher einer seiner ersten Ansprechpartner. Ich kenne ihn schon sehr lange, weshalb es da keine Anlaufschwierigkeiten geben wird. Das Präsidium sieht sich bei uns bekanntlich nicht als erste operative Ebene, sondern als Weichensteller, um alle Themen im Hintergrund auszubalancieren und die Richtung vorzugeben. Wir schaffen die Rahmenbedingungen und unsere Angestellten nehmen sich der Problemstellungen dann an. Insofern bin ich sicher, dass Heli viel mit mir kommunizieren wird, aber bestimmt auch mit den anderen Präsidiumsmitgliedern.

Kommen wir kurz zum Sport. Wie zufrieden warst du mit dem Verlauf der Meistergruppe?

Damit war ich natürlich sehr zufrieden. Ich habe wieder etwas gesehen, wie Rapid sein sollte. Wir haben zwar nicht unbedingt dominant gespielt, wie es früher oft der Fall war, aber ich gebe beispielsweise zu bedenken, dass man dem LASK im Herbst von allen Seiten unglaublich zugejubelt hat. Die haben sehr aggressiv und sehr körperbetont gespielt, aber spielerisch dominant waren sie auch nicht. Wir als Rapid haben die Zeichen der Zeit erkannt, Teile der LASK-Spielweise sicher auch übernommen und da muss man auch zugeben, dass die leeren Ränge rein sportlich betrachtet, kein Nachteil waren, weil unser etwas reaktiveres Spiel teilweise manchmal sicher nicht schön anzuschauen war. Aber ich nehme für uns in Anspruch, dass man, wenn man den LASK oder den WAC für eine solche Spielweise lobt, auch Rapid für diese Spielweise zu loben hat. Wir haben eine ähnliche Effizienz aufgebaut, wie diese beiden Mannschaften, haben viele Spiele gewonnen und uns das auch sehr hart erarbeitet. Außerdem freue ich mich darüber, wie wir uns physisch präsentiert haben. Was wir im Wahlkampf postuliert haben, nämlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind, ist meines Erachtens absolut eingetreten. Wir sind physisch top, wir haben den vielzitierten Plan B, wir haben viele Methoden um die Gegner zu entnerven und dass Salzburg für uns und alle anderen Mannschaften in diesem Meisterplayoff eine Nummer zu groß war, muss man eben neidlos anerkennen. Wir haben außerdem versprochen, den Weg der Jugend zu gehen und es hat mich sehr gefreut, dass wir mit so vielen Eigenbauspielern einen so guten Saisonabschluss hingelegt haben. Wer da noch sagt, dass wir nicht auf dem Weg der Besserung sind…

Hand aufs Herz: Wäre der dritte Platz dieses Jahr nicht besser gewesen?

In unserem Leitbild steht „wo immer wir antreten, wir wollen gewinnen“. Das ist einfach so und das verlangen wir von unseren Trainern und von unseren Spielern. Das macht Rapid aus. Wenn es dann aufgrund einer regeltechnischen, nicht nachvollziehbaren UEFA-Arithmetik so ist, dass wir auf einem vorderen Platz landen, der nicht so „gut“ ist, wie der Platz dahinter, dann soll es so sein.

Ist es eigentlich nach all dem, was in Pasching passierte, eine kleine Genugtuung, dass der LASK am Ende nur Vierter wurde?

Mir geht es in der Sache um die Sportler. Die Spieler des LASK haben keine große Schuld auf sich geladen. Die wurden einfach angewiesen etwas zu tun, was nicht in Ordnung war. Aber die Spieler sind weisungsgebundene Mitarbeiter einer Kapitalgesellschaft und die müssen eben das machen, was ihre Chefs ihnen anschaffen. Drum ist es mir gegenüber den Spielern überhaupt keine Genugtuung. Sie haben einen tollen Herbst gespielt und hatten mit der Situation im Frühjahr auch sicher zu hadern. Genugtuung empfinde ich eigentlich nur gegenüber denen, die uns den LASK immer als Vorbild vor Augen hielten. Diejenigen, die gesagt haben: „So wie die müsst ihr’s machen“. Wir haben uns für unseren Weg entschieden und der war offenbar mindestens genauso gut, wenn nicht besser. Das ist in der ganzen Sache für mich die einzige Genugtuung, hat aber auch nichts mit den Corona-Verstößen des LASK zu tun.

Wie schätzt du kurz- und mittelfristig die wirtschaftliche Lage des SK Rapid ein, wenn a) die erste Hürde genommen wird und somit zumindest die Europa League Gruppenphase fix ist und b) das vollständige Ausscheiden aus der Qualifikation unterm Strich steht?

Diese Frage ist praktisch nicht zu beantworten, ich werde sie aber trotzdem beantworten. Zuerst: Sie ist deswegen nicht zu beantworten, weil wir nicht wissen, wie sich die Corona-Situation weiterentwickeln wird. Würde es zu einem zweiten Lockdown kommen und die Geisterspiele weitergehen, ist das ein Faktor, der die wirtschaftlichen Gegebenheiten Rapids ganz klar beeinflussen wird. Aber das ist ein Faktor, den wir nicht abschätzen können, weil wir nicht mit einem eindeutigen Verlauf der Pandemie kalkulieren können. Wenn wir zumindest vor verringerter Kulisse spielen dürfen, ist es natürlich leichter, die Liquidität über die nächsten Monate und Jahre zu halten. Wenn wir die Gruppenphase der Europa League erreichen wird alles planbarer und wir können uns ein Polster schaffen. Aber man darf nicht vergessen, dass das und auch die erhöhte Vorsicht in Bezug auf Ausgaben, ein nahezu weltweites Fußballphänomen sind. Ein paar Riesenklubs ausgenommen. Das hat nichts damit zu tun, dass wir Sparmeister sein wollen, sondern es geht schlichtweg um Krisenmanagement. Wenn wir aber nicht in eine Gruppenphase kommen, wird der Liquiditätspolster fehlen und wir werden andere Wege finden müssen, zu Erträgen zu kommen. Wenn wir in einer Gruppenphase spielen, ist die Wahrscheinlichkeit einen Spieler verkaufen zu müssen, natürlich geringer. Aber Achtung: Spielerverkäufe kommen nicht alleine durch wirtschaftliche Notwendigkeiten zustande, sondern viel häufiger dadurch, dass der Spieler selbst woanders größere Chancen, größere Entwicklungsmöglichkeiten und letztendlich mehr Geld sieht. Wenn attraktive Angebote für Spieler kommen, schaut man sich’s aber so oder so an.

Das heißt, dass es eigentlich so ist wie „eh immer“…

Richtig. Würde ein beträchtlicher Teil der Einnahmenverluste durch einen staatlichen Zuschuss abgedeckt werden, was wir natürlich alle hoffen, dann ist die Situation ein wenig entschärft. Eine Ausnahme sind sicher die Situationen bei den Sponsoren. Das ist aber noch immer schwer abschätzbar. Der ganz große Unsicherheitsfaktor ist schlichtweg der Verlauf der Pandemie. Diesbezüglich setzen wir uns wirklich mit absolut allen Eventualitäten auseinander, aber wir werden eben trotzdem erst sehen, was passiert, wenn’s soweit ist. Drei oder vier Jahre vorauszuplanen ist momentan einfach für fast alle Klubs in ganz Europa praktisch unmöglich. Eine Grundmaxime können wir aber trotzdem ausgeben: Sparsam sein, auf den Nachwuchs setzen, auf unsere eigenen Stärken vertrauen. Das Tagesgeschäft ist derzeit unplanbar. Du kannst 50 Forecasts durchrechnen, was wir auch tun, dann weißt du, was in 50 speziellen Situationen eintreten wird. Aber welche dieser Situationen letztendlich eintritt, weißt du trotzdem nicht.

Stand jetzt dürfen ab September wieder Zuschauer an Spielen teilnehmen. So ganz fix ist das aber natürlich noch nicht. Wie geht ihr mit dieser Ungewissheit um?

Wenn man ein gutes, breitgefächertes Covid-19-Konzept hat – und wir entwickeln dieses derzeit – dann werden wir vor bis zu 10.000 Zuschauern spielen können. Das ist der aktuelle Zugang. Da wir aber mehr Abonnenten haben, versuchen wir nun zu verhandeln, ob es noch weitere Lösungsmöglichkeiten für mehr Zuschauer gäbe. Zum Beispiel 50% der Stadionkapazität, vielleicht sogar 70% – in diese Richtung könnte man verhandeln, das wäre derzeit ein Best-Case-Szenario. Ob uns das gelingen wird, hängt von zwei Faktoren ab. Einerseits von der Flexibilität unserer Regierung, aber noch viel mehr von der Entwicklung der Krankheit. Wenn die Zahlen weiter nach oben gehen, stehen wir vielleicht im Winter wieder vor einer problematischen Situation, die wieder Geisterspiele bedeuten könnte. Es ist sowohl im Stadion, als auch in der Öffentlichkeit an sich, eine große Frage der Disziplin aller, was möglich sein wird und was nicht.

Wie sieht dein Appell an die Rapid-Community aus?

Ein paar unbescheidene Wünsche: Bleibt bitte weiter Mitglied, verlängert eure Abos. Überredet vielleicht noch den Nachbar oder die Nachbarin, Rapid-Mitglied zu werden. Nutzt den Fanshop. Bleibt Sponsor beim SK Rapid. Bleibt unserer Gemeinschaft treu! Lasst uns an einem Strang ziehen.  Wir brauchen jeden Einzelnen von Euch! Die Zukunft von Rapid hängt zu einem großen Teil von euch ab.

Wir sind bis zu einem gewissen Grad auf uns allein gestellt, denn irgendwann kann uns auch die Politik nicht mehr weitertragen. Unser Kapitän hat sich am Anfang der Krise wie ein Leuchtturm vor die Mannschaft gestellt und seinen Kollegen gesagt, dass alle zugunsten des Vereins auf Geld verzichten müssen. Alle zogen mit. Wenn wir alle nur ein bisschen so handeln und unser Herz in die Hand nehmen, solidarisch sind und problemfokussiert, wie unser Kapitän, den ich für einen großen Rapidler halte, dann mache ich mir um unseren Verein keine Sorgen.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen