Sture Fanbewegung, sturer Verein – bei Rapids Fanproblematik liegen Lösung und Wahrheit in der Mitte!
Bundesliga 30.Juli.2011 Daniel Mandl 0
Rapids Fanszene protestiert. Unter dem Titel „United We Stand“ versuchen die aktiven Fanklubs des SK Rapid Aktionen gegen die durch den Verein gesetzten Maßnahmen – als Reaktion auf den Platzsturm vom 22.Mai 2011 – zu setzen. Viele boulevardeske Medien beleuchten die Vorgehensweise der Rapid-Fans bei weitem zu oberflächlich. Es steckt eben schon mehr dahinter, als ein paar „Asoziale“, die ihren Klub momentan nicht supporten.
Die Rapid-Fanszene ist kein kleines, leicht überschaubares Konstrukt. Es gibt Fanklubs in ganz Österreich, dazu sehr viele Leute, die sich keinem Fanklub und keiner strukturierten Fanideologie zugehörig fühlen, zudem Familien, Erfolgsfans, Mitläufer… wie es eben bei jedem großen Verein der Fall ist. Der Zusammenschluss „United We Stand“ umfasst zwanzig Fanklubs, die sich nicht nur gegen die Maßnahmen des Vereins stellen, sondern auch die unverhältnismäßigen Stadionverbote und gar einige Hausdurchsuchungen – Überbegriff kriminalpolizeiliche Verfolgung von Fans – anprangern. Doch die Bewegung hat auch einige Probleme. Einerseits hadern nicht wenige Mitglieder mit sich selbst, zumal es für viele Fans innerhalb der Bewegung, die allesamt Rapid im Herzen haben, auch wenn es viele Medien gerne anders darstellen, eine große Belastung ist, nicht supporten zu „dürfen“. Die Tornados Rapid feiern etwa dieses Jahr ihr fünfzehnjähriges Bestehen, hätten Konzepte für aufwändige Choreografien in der Hinterhand, würden gerne zur Feier des Jubiläums bedingungslos ihr Team nach vorne peitschen. Jubiläumsfeierlichkeiten vertagt. Ein weiteres Problem soll die interne Kommunikation sein, die sich bei einem ebenfalls ziemlich umfangreichen Konstrukt wie „United We Stand“ schwer gestaltet, zumal nicht jeder der Partizipanten internetaffin oder –willig ist.
KONKRETE GRÜNDE FÜR DIE PROTESTE
Was ist es nun, gegen was diese Bewegung derzeit tatsächlich protestiert und was sind die Gründe, dass es derzeit noch zu keiner Einigung oder befriedigenden Lösung mit dem Verein kam? Rund um das Derby geschahen Dinge, die nicht entschuldbar sind. Das traditionelle Aufeinandertreffen zwischen Rapid und Austria musste nach einer knappen halben Stunde abgebrochen werden, weil Rapid-Fans das Feld stürmten. Eine Situation, die sich abzeichnete, aber die nicht geplant war – und somit auch nicht konzipiert. Eine wilde Horde stürmte das Feld, aber kaum einer mit System. Keine Spur von gewaltlosem, vielleicht sogar kreativem Protest. Der Platzsturm artete zu einer Wutentladung einiger Fans aus, obwohl stille Proteste, etwa ein Sitzstreik oder das kollektive Verlassen des Stadions, andere, im Nachhinein schwer absehbare Auswirkungen gehabt hätten. Das Unheil nahm seinen Lauf, und dass es Maßnahmen von offizieller Seite geben würde, war schon nach wenigen Minuten allen klar. Manche der Maßnahmen sind gerecht und nachvollziehbar, andere nicht. So wurde etwa der Fotograf des Fanklubs „Ultras Rapid“ mit Stadionverbot belegt, obwohl er – wie auch sonst immer – mit Akkreditierung am Spielfeldrand stand. Es folgten polizeiliche Hausdurchsuchungen, teilweise bei Leuten, die nicht mal am Derby zugegen waren. Einer der größten Kritikpunkte ist, dass das Abo-Weitergaberecht auf West- und Osttribüne fällt. Ein Problem, das man von Vereinsseite mit kleinen logistischen Schachzügen in den Griff bekäme, zumal eine einfache Onlinemaske genügen würde, um Fans die Möglichkeit zu geben, das Abo für einzelne Spiele zu überschreiben.
STURHEIT AUF BEIDEN SEITEN
Warum aber in dieser Causa nichts weitergeht, liegt de facto an der Sturheit beider Parteien. Zwar gibt es kommenden Montag ein Treffen zwischen Rapid-Verantwortlichen und „United We Stand“, jedoch fiel in der Vergangenheit hauptsächlich auf, dass Rapid in seinem „Katalog der Ehrlichkeit“ teilweise Maßnahmen aussprach, die mit dem Derby direkt nichts zu tun haben – und gleichzeitig bleibt auch der Zusammenschluss der Rapid-Fans in manchen Bereichen stur, distanziert sich etwa nicht geschlossen von den Bengalenwürfen in den Gästesektor, obwohl man von aktiven Rapid-Fans sehr wohl hört, dass sie wissen und eingestehen, dass die Vorgehensweise nicht in Ordnung war. Dies wiederum passiert wohl deshalb nicht, weil auch vereinzelte Vereinsverantwortlichen wie etwa Rudolf Edlinger und Norbert Darabos, der in diesem Fall nicht als Verteidigungsminister gesehen wird, sondern als Rapid-Funktionär, auf einen gewissermaßen boulevardesken Zug aufspringen und von „Kreaturen“ und „Geschwüren“ reden, wobei es zum Teil dieselben Leute waren, die sie selbst in erfolgreicheren Tagen als einzigartigste Fans des Landes betitelten und feierten.
DIE LÖSUNG LIEGT IN DER MITTE
Die Wahrheit und die Lösung der aktuellen Fanproblematik beim österreichischen Rekordmeister liegen – so wie vieles im Leben – in der Mitte. Sowohl der Verein als auch „United We Stand“ haben durch ihre durchaus konsequenten Maßnahmen in den letzten Wochen viel Spielfläche zum Nachgeben zugelassen. Wobei der Fanblock nicht in vielen Dingen entgegenkommen kann, weil seine Waffen nicht so scharf sind, wie die des Vereins. Die Fanklubs können dem Klub im Grunde nur mit einem Stimmungsboykott zusetzen – weitere Mittel, außer das Fernbleiben aus dem Stadion, was sich aber praktisch kaum umsetzen ließe, haben die Fans nicht, um ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen.
ZWEI HINTERGRÜNDIGE SICHTWEISEN
Zwei Sichtweisen, die bisher sehr selten in offiziellen Medien thematisiert wurden und gegen die Traumlösung vieler Fans sprechen: In den letzten Jahren nahm bei Rapid das ganze Stadion am Support teil. Die Nordtribüne war in die lautstarke Unterstützung des Vereins ebenso eingebunden, wie die Südtribüne, zudem bildete sich auf im Osten Hütteldorfs eine neue Support-Instanz. Dass der Block West das umgebaute Rapid-Team (und dieser Umbau war es, der von allen gefordert wurde!) derzeit nicht unterstützt, missfällt daher auch den gemäßigten Fans, die die Unterstützung Rapids nicht so sehr zum persönlichen Lebensinhalt erklären, wie viele Leute im Block West, aber dem Klub dennoch sehr nahe stehen und eine an vielen Positionen veränderte Rapid-Mannschaft, mit einer Rapid-Legende auf der Trainerbank, gerne unterstützen würden. Die Beziehung zwischen Rapids „Hardcore-Fans“ und den gemäßigten Anhängern, die jedoch auch gerne für ihren Klub schreien, ist hiermit auf einem Sattelpunkt angelangt, der nicht zu unterschätzen ist. Nicht selten liest man in Fanforen, dass der Block West seine Sympathien und seinen Respekt durch den laufenden Stimmungsboykott teilweise verspielt und das metaphorische Glas, das die sonst so homogenen Rapid-Fans symbolisieren soll, hat bereits jetzt einige Sprünge. Die zweite Sichtweise, die man im Sinne einer positiven Einigung immer bedenken sollte: Der Verein sitzt stets am längeren Ast. Und zwar weil Rapid nicht ganz so romantisch ist, wie es einige Fans gerne wahr haben würden, sondern ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen. Und es ist nun mal so, dass der durchschnittliche Block-West-Abonnent Rapid jährlich zwischen 150 und 250 Euro einbringt. Je nachdem, ob er Mitglied ist oder nicht. Rapids Fanblock produziert größtenteils seine eigenen Fanartikel, an Auswärtsfahrten verdient Rapid nichts, die Einnahmen aus der Gastronomie (die im Hanappistadion ohnehin städtisch betrieben wird) sind zu vernachlässigen. Anders jedoch die weitaus größere Fanschicht, nämlich gemäßigte Fans oder Familien: Die Kosten für die Nord- oder Süd-Abos eines Vaters und seiner beiden Söhne belaufen sich schon mal eher auf 500 Euro (und aufwärts), vor jedem Kindergeburtstag rennen Vater, Mutter und Großeltern in den offiziellen Fanshop und lassen dort schon mal einen weiteren Hunderter für die Sprösslinge liegen. Das sind eben die Leute, die den Verein Rapid finanzieren. Klar, der SK Rapid ist stimmungstechnisch auf seinen zu 90% vorbildlichen Fanblock angewiesen, aber auch wenn es von Rapid wieder früher oder später Bestrebungen geben wird, die über Jahre aufgebaute Romantik rund um den Verein wieder einkehren zu lassen, darf „United We Stand“ nie vergessen, dass Stimmung kein Geld bringt. Und da es im modernen Fußball hauptsächlich um „Knedl“, „Marie“, „Knete“, kurzum „CASH“ geht, wird es der Fan-Zusammenschluss sein, der den ersten Schritt in Form von Zugeständnissen machen muss, wenn die beiden Parteien tatsächlich in einer gesunden Mitte zusammenfinden sollen. Es liest sich hart und ist angesichts des (positiven) Einsatzes vieler Fans aus dem Westen des Hanappi-Stadions ein trauriges Paradoxon, aber Rapid kann aus rein rationaler Sicht auf jeden einzelnen Fan der Westtribüne leichter verzichten, als auf ein oder zwei Familien, die es sich auf den Längstribünen bequem machen würden, ab 2011/12 wegen so manches Block-West-Abonnenten das Stadion meiden könnten.
SALIHI MIT FÜNFMAL SO VIELEN TOREN WIE DIE INTERNE KONKURRENZ
Bevor das Matchwochenende losgehen kann, noch kurz zum Sportlichen: Zwar muss Schöttel gegen die SV Ried auf Burgstaller, Thonhofer und Schimpelsberger verzichten, trotzdem hat der neue Rapid-Trainer die Qual der Wahl. Einerseits im zentralen Mittelfeld, wo es mit Heikkinen, Kulovits, Prager und Hofmann vier Kandidaten für zwei Plätze gibt. Prager überzeugte nicht nur im Testspiel gegen den FC Valencia, sondern auch in den letzten Trainingseinheiten, in denen er großen Spielwitz und Engagement zeigte. Die kniffligste Position der Hütteldorfer ist aber aktuell der Angriff. Binnen weniger Monate wurde Zukunftshoffnung Atdhe Nuhiu zu Rapids Einserstürmer, dahinter folgen Neuverpflichtung Deni Alar und René Gartler, der gegen den FC Valencia zwei Tore erzielen konnte. Kaum zu glauben, aber Rapids Goalgetter vom Dienst, Hamdi Salihi, scheint nach der letzten Woche nur noch vierter Stürmer des SK Rapid zu sein. Und das obwohl Salihi einerseits von zahlreichen internationalen Klubs gejagt wird und andererseits im Laufe seiner Karriere mehr als viermal so viele Erstligatore erzielte als seine drei Konkurrenten zusammen. Zählt man Cup, Europacup und Länderspiele hinzu, erzielte Salihi gar fünfmal so viele Tore wie die anderen drei Rapid-Stürmer in Union. Salihi erzielte für Rapid, Ried, KF Tirana und Vllaznia Shkoder 140 Ligatreffer – dem gegenüber stehen 21 Tore von Deni Alar (alle für Kapfenberg), sieben von Rene Gartler (alle für Rapid) und 15 von Atdhe Nuhiu (für Rapid, Ried und Austria Kärnten). Man darf gespannt sein, wen Peter Schöttel am Sonntag gegen Ried stürmen lassen wird.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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