Kjell Scherpen ist Sturms neue Nummer 1. Und er ist der größte Spieler den die heimische Liga jemals gesehen hat. Mit abseits.at sprach der... Sturm-Goalie Scherpen will „alle Preise“ nach Graz holen

Tormann ParadeKjell Scherpen ist Sturms neue Nummer 1. Und er ist der größte Spieler den die heimische Liga jemals gesehen hat. Mit abseits.at sprach der 2,06-Meter-Hüne, der eine Kuriosität mit Bart Simpson gemeinsam hat, über seinen Größen-Pragmatismus, erlernte Spielstile sowie Ziele und die Suche nach einer guten TV-Serie. 

Es ist ein Treppenwitz. Da heißt es bei vielen Sturm-Fans „der macht was her, der strahlt Ruhe aus“, wenn sie über den neuen Schlussmann der Grazer sprechen. Und dann sitzt Kjell Scherpen (23) beim abseits.at-Interview und ist nervös. Der Grund ist ein guter. Und ein schöner. Der Niederländer wird demnächst Vater, das Handy ist abseits des Rasens daher am Anschlag, jeden Moment könnte seine Frau anrufen. Generell aber ist Kjell Scherpen tatsächlich die Ruhe in Person. Smartes Auftreten, klar in der Form der Kommunikation. Seine Antworten sitzen. Er selbst ist die Antwort auf den Abgang von Vorgänger Arthur Okonkwo.

Der Brite hat den SK Sturm nach einem Jahr inklusive Cup- und Vizemeistertitel verlassen. Einen britischen Touch hat auch Scherpen, kommt er doch auf Leihe von Brighton Hove & Albion – einem Klub, der auf der Insel für seine herausragende Scouting-Arbeit bekannt ist – aus der stärksten Liga der Welt. Ausgebildet wurde Scherpen bei Emmen und Ajax Amsterdam. Brighton verlieh ihn an Ostende und Vitesse Arnheim. Jetzt also ein Jahr Sturm Graz. So viel zu den bisherigen Karrierestationen Scherpens.

Was aber beim ersten Blick ins Auge sticht, ist die Größe, die Sturms neue Nummer 1 mitbringt. 2,06 Meter misst er. Damit ist er der größte Spieler der je beim SK Sturm gespielt hat, in der Bundesliga gibt und gab es keinen der größer war. Nie. Auch im internationalen Fußball gibt es mit dem Belgier Kristof van Hout nur einen Keeper der größer ist und damit der am höchsten gewachsenen aktive Profi des Planeten. „Mit 15, 16 war die Zeit als ich am meisten gewachsen bin.“

Pragmatiker mit Insel-Ziel

Was seine Körperlänge angeht ist der Fan von Edvin van der Sar („es war wunderbar, mit ihm bei Ajax zusammen zu arbeiten“) Scherpen pragmatisch. Was ist der größte Vorteil dieser Größe?  „Ich erreiche Bälle, die kleinere Tormänner nicht erwischen.“ So einfach ist das. Einfach ist auch seine Definition des Spielertyps, die er verkörpern will. „Ich bin ein Defensiv-Leader. Ich strahle hinter der Abwehr Ruhe aus und gebe meinen Vorderleuten den Push den sie brauchen, wenn sie ihn benötigen. Ich bin immer anspielbar und ich vermittle Ruhe.“  Muss er sich in Graz auf den heimischen Fußball erst umstellen bzw. wo liegen die Unterschiede zwischen dem niederländischen, englischen und österreichischen Fußball? „Ich glaube den Unterschied zwischen den Niederlanden und Österreich hat man bei unserem Spiel in Eindhoven gesehen“, antwortet Scherpen mit einem bitteren Lächeln. Sturm verlor in der Champions-League-Quali 1:4 und bekam jene Grenzen aufgezeigt, die man für gewöhnlich den Gegnern in der Bundesliga aufzwingt. „Aber grundsätzlich würde ich sagen, dass in den Niederlanden ähnlich wie in Österreich mit direktem Zug zum Tor gespielt wird, aber halt in einem viel, viel schnellerem Tempo.

In England legt man mehr Wert auf den Kampf, denke ich. Generell kann man die spielerischen Ansätze aber schwer vergleichen, weil sich der Fußball an sich schnell verändert und jede Mannschaft individuell arbeitet. In Graz arbeitet Scherpen mit Sturms Tormann-Coach Stefan Loch. „Ein Top-Mann. Er gibt mir ein gutes Gefühl, weil bei ihm nicht nur die sportliche Komponente passt, sondern auch die zwischenmenschliche. Ich bin ein Typ, der diese Ausgeglichenheit braucht um richtig zu performen.“ Bei seinen bisherigen Stationen saugte Scherpen alles auf, was man ihn lehrte. Und manchmal machen auch seine Tormann-Trainer parallel zu ihm eine Entwicklung durch. „Mein Keeper-Coach in Brighton ist jetzt bei Chelsea.“ Da soll es, geht es nach Scherpen, ein Wiedersehen am grünen Geläuf geben. „Mein Anspruch ist es nach wie vor, in England zu spielen.“

Bart-Simpson-Strafe

Derweil aber heißt die Realität Graz. Und da hat er sich schon so manches angeschaut. „Ich war natürlich schon am Schloßberg. Und mit meiner Frau habe ich ein paar Restaurants ausprobiert. Der Menschenschlag in Graz kommt mir entgegen, die Leute sind sehr nett.“ Persönlich hat es der Niederländer lieber ruhig, „ich wohne zehn Minuten außerhalb von Graz.“ Entspannen kann er sich am besten bei Spaziergängen mit den Hunden oder vorm Fernseher. „Ich habe aktuell keine Serie, die ich verfolge. Aber wenn wer Tipps hat, bin ich für alle Vorschläge offen.“ Auch die Golf-Plätze der Region wird er bei Gelegenheit besuchen oder eine Runde Paddel spielen. Sinn für Humor hat der auch. Einst äußerte er sich negativ über Ajax und strebte an, für dessen ärgsten Rivalen Feyenoord zu spielen. Die Amsterdamer Fans reagierten nach Scherpens Wechsel zu Ajax mit Protesten, woraufhin der Verein mit seinem neuen „geläuterten“ Keeper ein lustiges Video drehte, in dem in einem Klassenraum immer wieder „Ajax ist der beste Club der Niederlande“ auf einen Zettel schreiben musste. Der Clip ist heute noch ein Highlight und erinnert frappant an die berühmte Szene im Simspons-Jingle wo Bart an der Tafel ähnliches tun musste.

Klarer Fokus auf „die Preise“

Jugendsünden dieser Art sind längst vergessen und gehören zur Folklore. Kjell Scherpen ist erst 23. Trotzdem vermittelt er eine enorme Reife. Das zeigt sich auch daran, dass der 2.06-Meter-Mann, der seinen Mann im Juni noch im U21-Kader der Niederlande stand, seine Ziele in Graz klar formuliert: „Ich bin nun ein Jahr hier. Ich möchte eine starke Europacup-Saison spielen. Und ich will bis zur letzten Runde um alle Preise hier spielen. Auch um den Meistertitel.“ Groß ist der Papa in spe also nicht nur körperlich, sondern auch im Denken. Ein Mann der, wie die Fans ja sagen, „Ruhe ausstrahlt und was hermacht.“ In den nächsten Monaten werden auch Sturms Gegner zu Scherpen aufschauen müssen. Bei 2,06 Metern ist etwas anderes auch nicht möglich.

Philipp Braunegger, abseits.at

Philipp Braunegger

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