"Summe der Nichtigkeiten" – SVM-Trainer Lederer hadert mit den Schiris, weil sie seine Spielphilosophie gefährden
Bundesliga 26.September.2011 Daniel Mandl 0
Der SV Mattersburg verließ am Samstag das Franz-Fekete-Stadion als Verlierer. Grund dafür sind nicht etwa die zahlreichen vergebenen Chancen aus der ersten Halbzeit, sondern – so man Trainer Franz Lederer Glauben schenken will – der Schiedsrichter. Der bzw. dessen Zunft als Ganze würde den burgenländischen Tabellenletzten nämlich systematisch „runterpfeifen“…
„Wir sind zum Abschuss freigegeben“ – der 47-jährige Mattersburg-Coach wetterte nach dem Spiel gegen den Unparteiischen. Hauptgrund dafür war wohl das entscheidende Tor durch den Tschechen Michal Ordos, das aus Abseitsposition fiel. Was Schiedsrichter Harald Lechner nach dem Spiel zugab. Weiters kritisiert Lederer auch die „Summe der Nichtigkeiten“, die dauerhaft gegen sein Team gepfiffen wird. Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen.
Fingerspitzengefühl erforderlich
Umgekehrt: Fakt ist, dass die heimischen Schiedsrichter in vielen Entscheidungen mit zweierlei Maß messen. Einerseits gibt es ein Maß für neun Bundesligaklubs, andererseits für Mattersburg – allerdings zugunsten der Burgenländer. Alt-Schiri Konrad Plautz meinte zu Zeiten, als der heutige Admira-Coach Didi Kühbauer noch für die Burgenländer spielte, dass dies sogar nötig wäre, wenn man nicht bereits in der ersten Halbzeit mehrere rote Karten verteilen möchte. Die unpopuläre Spielweise des SV Mattersburg erfordert von Schiedsrichtern feinstes Fingerspitzengefühl.
Mattersburg prinzipiell „unfair“?
Die Spieler des SV Mattersburg missachten zum Teil grundlegende, wenn auch ungeschriebene Regeln des Fair-Play. Einige Kicker provozieren gegnerische Fans, andere sind dafür bekannt sich bei entsprechend vorteilhaftem Ergebnis minutenlang vom Ärzteteam behandeln zu lassen, bevor nach dem forcierten Verlassen des Spielfeldes die berühmte „Wunderheilung“ eintritt. Dass Mattersburg an Karten gemessen die unfairste Mannschaft der Liga ist – und diesen Titel nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren inne hatte – sei nur nebenbei erwähnt. Aber auch wenn diese Vorgehensweise gegnerische Spieler und Fans oft zur Weißglut bringt, ist sie legitim. Ein gewisses Maß an Unfairness gehört unter Franz Lederer zur Spielphilosophie dazu. Man balanciert in Grauzonen, stets am Rande der sportlichen Legalität und fährt seit Jahren nicht schlecht damit. Nicht die Spieler sind primär daran schuld – sie befolgen bloß taktische Anweisungen.
Lederer sauer
Schwach ist es dann allerdings sich selbst auf schlechte Schiedsrichterleistungen auszusprechen, wenn es sportlich nicht läuft. Bei manchen Trainern möchte man meinen, dass Wutausbrüche, wie der lederer’sche am Wochenende, Teil pädagogischer Strategie sind. Nach neun sieglosen Spielen zum Saisonauftakt muss man schließlich Druck von den erfolglosen Spielern nehmen. Wer jedoch in den letzten Jahren Lederers Rhetorik und Außendarstellung beobachtete, wird zu dem Schluss kommen, dass sein Stil für derlei Finessen zu provinziell ist. Auf Deutsch: Lederer ist wirklich sauer und denkt wirklich, dass seine Mannschaft von den Schiedsrichtern benachteiligt wird.
„Unfairstes Team der Liga“ – seit Lederer
Die Statistiken verraten, dass Mattersburger Spieler tatsächlich sehr häufig verwarnt oder ausgeschlossen werden. Dies ist jedoch im Allgemeinen (und somit nicht auf mögliche, einzelne Fehlentscheidungen bezogen, die jedem Verein im Laufe einer langen Saison widerfahren) nicht als „systematische Benachteiligung“, sondern viel mehr als Preis für eine durchaus fragwürdige Spielphilosophie zu betrachten. 2010/11 sahen die Spieler des SV Mattersburg im Laufe der Ligasaison acht rote Karten und vier Spieler sahen zehn gelbe Karten oder mehr. Auch 2011/12 schlägt der SVM in diese Kerbe: In den bisherigen neun Spielen sahen die Lederer-Schützlinge dreimal Rot. Das brutale Foul von Michael Mörz gegen den Kapfenberger Boris Hüttenbrenner ist bis dato das jüngste Kapitel dieser unrühmlichen Statistik.
Schiris gefährden Lederers Philosophie
Mattersburg verlor in Kapfenberg aufgrund einiger Schiedsrichterfehler und zahlreicher vergebener Chancen in der ersten Halbzeit mit 0:1. Möchte man die Fehlpfiffe gegen Mattersburg esoterisch-süffisant kommentieren, könnte man sagen „Karma ist ein Hund“. In Wahrheit jedoch scheint nun der Zeitpunkt gekommen, an dem die Schiedsrichter die vielen „Nettigkeiten“ und versteckten bzw. wie zuletzt in Mörz‘ Fall weniger versteckten Fouls der Mattersburger durchschauten und endlich strikter durchgreifen, was sicher auch mit dem Generationswechsel im österreichischen Schiedsrichteraufgebot zusammenhängt. Dass Lederer dies wurmt ist klar: Die Schiedsrichter stellen sich mit konsequenteren Pfiffen gegen eine Spielphilosophie, mit denen viele Gegner nicht zurechtkommen. Gerade für technisch stärkere Mannschaften war es in der Vergangenheit nicht einfach, ein Mittel gegen die übertriebene Härte des SVM zu finden. Das zeigen auch die Punktgewinne in Mattersburgs Auswärtsspielen gegen Sturm Graz, Red Bull Salzburg und Rapid. Die Buhmänner sind deshalb die Schiedsrichter, weil sie in manchen Spielen der größere Gegner sind, als der eigentliche Gegner. Gegen eine Spielphilosophie, die auf feinem, technischem Fußball beruht, kann kein Schiri der Welt vorgehen – gegen die Spielphilosophie der Mattersburger jedoch schon.
Mehr als 1,5 rote Karten pro Spieler
Ein bisschen mehr Statistik: Die 25 aktuellen Kaderspieler des SV Mattersburg sahen zusammen in ihren Karrieren 39 rote Karten. Die 27 Kaderspieler von Red Bull Salzburg sahen zusammen 32, 26 Sturm-Graz-Kicker sahen 33, 24 Rapidler sahen 30, 23 Austrianer gar nur 21. Kein Zufall, auch wenn man betrachtet, wie lange die „bösesten Buben“ des SVM bereits im äußersten Bundesliga-Osten ihr Geld verdienen und somit schon lange Teil eines Gefüges ist, das auf einer „Summe der Nichtigkeiten“, sprich vielen kleinen – und manchmal auch größeren – Fouls aufbaut.
Mannschaft wäre bereit für höhere Aufgaben
Dabei haben die Spieler des SVM Potential für mehr: Sechs Kicker des aktuellen Kaders sind derzeit Juniorennationalspieler Österreichs oder fielen vor einem Jahr durch den Altersrost. Von sechs Legionären spielten drei bereits für die A-Nationalteams ihres Landes (Mravac, Naumoski und Waltner) und einer für die U21 (Malic). Dass im Burgenland ein Generationswechsel stattfindet, merkt man an jungen Spielern wie Manuel Seidl oder Stefan Ilsanker, die immer gefestigter werden. Aber gerade solche Spieler, ehemalige Bestandteile von nationalen Nachwuchsauswahlen, werden durch Lederers starres Konzept Fußball zu spielen (oder manchmal eben nicht zu spielen) in ihrer Entwicklung gebremst. Den Aufbau eines fußballerischen Grundkonzepts, wie er in Mattersburg durch die Ex-Trainer Werner Gregoritsch und Muhsin Ertugral initiiert wurde, stoppte Lederer bald nach seinem Amtsantritt im Jahr 2005.
Unkündbar – auch nach fast acht sieglosen Monaten
Übrigens: Dass in Mattersburg ein Mann mit Konzept einreitet ist unwahrscheinlich, denn Franz Lederer gilt nach etwa sechs Jahren als starker Mann auf dem Trainingsplatz in Fankreisen als „unkündbar“. Auch wenn er in eben diesen Kreisen kein großes Ansehen genießt. Saisonübergreifend konnte Mattersburg die letzten 13 Bundesliga-Spiele nicht gewinnen, weswegen Lederer jedoch keinesfalls angezählt wird. Immerhin gelang ihm mit einer Mannschaft, die seitdem nur punktuell verändert wurde, in der Saison 2008/09 der Klassenerhalt, obwohl das Team zwischen dem 23.August 2008 und dem 10.April 2009 einundzwanzig Bundesliga-Spiele in Folge nicht gewinnen konnte…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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