SV Grödig nach Auswärtssieg gegen Wiener Austria zwischenzeitlicher Tabellenführer
Bundesliga 15.September.2013 Rene Maric 0
Zumindest kurzzeitig übernahm der SV Grödig die Tabellenführung in der österreichischen Bundesliga. Mit einem etwas überraschenden Auswärtssieg bei Meister Austria Wien konnten er sich mit 16 Punkten aus acht Partien vor Red Bull Salzburg in der Tabelle platzieren, die heute in Ried eine schwere Aufgabe vor sich haben.
Dabei zeigten die Grödiger eine Leistung, welche gleichzeitig typisch als auch untypisch für einen Aufsteiger war: Sie brachten eine gewisse Unbekümmertheit, Nonchalance und erfrischende Laufbereitschaft in die Partie, waren allerdings auch taktisch sehr gut aufgestellt und konnten dem eigentlichen Branchenprimus aus Favoriten Paroli bieten. In einer intensiven und durchaus ansehnlichen Partie setzte man sich knapp durch.
Die Kompaktheit im Zentrum als spielentscheidendes taktisches Merkmal
Nahezu alle Topmannschaften Europas konzentrieren sich offensiv wie defensiv auf die Dominanz in der Spielfeldmitte, da sie über diese die gefährlichsten Zonen versperren können und weiters auch die gegnerischen Flügel ideal isolieren können. In der österreichischen Liga ist dies keineswegs gang und gäbe, viele Mannschaften konzentrierten sich auf schnelle Flügelüberladungen und ein sehr konservativ ausgelegtes Mittelfeld. Die Admira konnte im 4-4-2 Achtungserfolge feiern, die SV Ried hat sich mit ihrem 3-3-3-1 schon seit Jahren über Wert geschlagen.
Grödig und Austria gehen aber den anderen Weg. Insbesondere die Grödiger waren dabei eine Überraschung. Sie begannen nominell in einem 4-2-3-1 im Offensivspiel – behielten dies allerdings auch in der Defensive bei. Die meisten Teams werden bei einem 4-2-3-1 zu einem 4-4-2/4-4-1-1 im Pressing, doch Grödig ließ Elsneg etwas tiefer. Dieser orientierte sich lose an James Holland und neutralisierte damit die formative Überzahl der Austria im Mittelfeld. Aus einer eigentlichen 3vs2-Situation (das 1-2-Mittelfeld von Austrias 4-1-4-1/4-3-3 gegen eine Doppelsechs im Defensivspiel) wurde ein 3vs3.
Damit aber nicht genug. Bei diesem 4-2-3-1 der Grödiger gab es immer wieder interessante Mechanismen im Verschieben zu beobachten. Der ballferne Flügelstürmer ließ sich zurückfallen, während der ballnahe Akteur etwas aufrückte und den Außenverteidiger presste, während der Mittelstürmer die Innenverteidiger voneinander isolierte. Im Verbund mit dem Zehner, der im zentralen Mittelfeld unterstützte, stand man sofort bereit im Pressing und auch die Sechser konnten sehr ballorientiert verschieben, da sie situativ einen dritten Akteur für die Breite in der Defensive in ihrer Linie hatten.
Bei langen Bällen in die Spitze oder versuchten Seitenwechseln auf den Flügelstürmer gab es mit dem tieferen, ballfernen Flügelstürmer mehr Kompaktheit auf der ballfernen Seite, bei Spielverlagerungen der Austria auf den ballfernen Außenverteidiger rückte der Flügelstürmer heraus, während die restliche Mannschaft verschob. Dann verhielten sich die Flügel wieder mannorientiert in der klassischen Aufteilung Außenverteidiger-Flügelstürmer und Flügelstürmer-Außenverteidiger, wie in diesem Bild gut zu sehen ist (ebenso wie das Mithelfen des hängenden Stürmers und das Einrücken der Sechser):
Die Austria mit ähnlicher Kompaktheit, aber Problemen im Herausrücken
Bis auf einzelne Aktionen standen die Veilchen eigentlich sehr kompakt. Sie spielten ein aggressives Pressing, arbeiteten gut gegen den Ball und schalteten schnell beim defensiven Umschalten ins Gegenpressing um. Viele Bälle eroberten sie früh oder konnten zumindest das Tempo aus den sehr schnellen Angriffen der Grödiger nehmen.
Gelegentlich hatten sie aber nach wie vor Probleme bei den Veränderungen im Defensivspiel, die Nenad Bjelica in diesem Interview bei sport10.at angesprochen hatte:
Sport10: „Zurück zur Austria: Sie haben zuvor angesprochen, im Defensivverhalten etwas verändert zu haben. Können Sie das konkretisieren?
Bjelica: Bei Ballverlust riskieren wir mehr, weil wir ihn sofort wieder gewinnen wollen. Und auch was die Viererkette betrifft, haben wir einiges verändert. Vorher hat sich die Viererkette immer zurückgezogen. Ein Spieler muss jetzt Druck machen und die anderen Drei ziehen sich zurück. Das hat ein bisschen gedauert, bis es funktioniert. Jetzt klappt es von Tag zu Tag besser. Das Umschalten von der Offensive auf die Defensive ist auch ein Thema gewesen. Das ist jetzt auch viel aggressiver. Ich verlange von jedem Spieler, sofort zu reagieren (…)“
Bei diesem „Zurückziehen“ der drei verbliebenen Spieler geht es um das richtige Timing, aber auch um ein Zusammenziehen in der Horizontale, um das entstandene Loch zu verdichten. Allerdings ist auch das Herausrücken des einen Spielers ungemein riskant und kann zu Fehlern führen. Dies war zum Beispiel beim 2:1 für Grödig der Fall.
Die Austria hatte vorne kompakt gepresst und Grödig wollte schnell nach vorne umschalten, was auch gelang. Durch die Enge kommt ein Pass in die Spitze, woraufhin einer der defensiven Spieler herausrückt und den Ball sofort erobern möchte. Im Prinzip eine gute Entscheidung, doch in der Praxis sollte er teuer zu stehen kommen.
Der Grödig-Spieler leitet den Ball sofort diagonal weiter und hebelt somit das Herausrücken aus. Theoretisch wäre ein bogenartiges Anlaufen ideal gewesen, war aber zeitlich nicht mehr möglich. Hier ist es eher ein Fehler der gesamten Staffelung und des teilweise zu chaotischen Pressings der Austrianer, die das eine oder andere Mal zu aggressiv anliefen und dann einen oder zwei Spieler ohne größeren strukturellen Nutzen im Pressing hatten. Die erfolgreiche Passweiterleitung Grödigs sorgt dann für eine direkte Torchance, weil das Loch in der verbliebenen Dreierabwehr zu groß ist.
In dieser Szene kommt der Pass ins Loch und der Grödiger Stürmer kann abziehen. Doch der zweite Spieler läuft diagonal in die Mitte hinein und kann den Abpraller von Torwart Lindner noch vor dem Innenverteidiger der Austria erreichen, wodurch letztlich das 2:1 fallen wird.
Fazit
Beide Mannschaften zeigten sich mit sehr gutem und aggressivem Pressing wie Gegenpressing, wodurch eine intensive Partie entstand, die insbesondere in der Anfangsphase wie ein kollektiver Sprint beider Teams wirkte. Dadurch gab es wenige strukturierte Aufbauszenen, aber ein ansehnliches und dynamisches Spiel. Letztlich sollte das flexible 4-1-4-1 der Austria (mit Möglichkeit zum 4-3-3, 4-4-2 und 4-5-1) dafür sorgen, dass Grödig kaum durchkam, aber situativ sehr gefährlich wurde. Leitgeb – der als aufrückender und spielgestaltender Sechser agierte – fand sich einige Male frei im Zwischenlinienraum wieder, was er mit zwei Toren aus dieser Position bestrafte. Beide Teams versuchten auch in die Räume hinter die aufgerückten Außenverteidiger zu kontern und Chancen herauszuspielen; die Austria machte dies mit Royer besser, konnte aber die Vielzahl der Torchancen nicht verwerten (8:3 Schüsse aufs Tor für die Austria, 17:5 Schüsse insgesamt).
René Maric, www.abseits.at
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