Rapid lieferte am Sonntagabend beim SKN St.Pölten eine schwache, teilweise blutleere, vor allem aber nicht eigeninitiativ-clevere Vorstellung ab. Und da eine Kette nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied (von dem es diesmal sogar mehrere gab), war auswärts bei einem der heißesten Abstiegskandidaten nur ein 2:2 drin.
Vor dem Spiel unterhielt sich die Rapid-Community eigentlich nur darüber, wie hoch der Sieg in der NV Arena ausfallen würde. Fehlender Nachdruck, ein fragwürdiger taktischer Fokus und defensive Unachtsamkeiten verhinderten aber Rapids ersten „Dreier“ in der neuen Saison. Die größten Probleme waren positionstechnischer Natur, was die derzeit noch sehr präsente Zerbrechlichkeit des neuen 3-5-2-Systems bewies.
Schwab und sein falscher Spielfokus
Wir beginnen – einmal mehr – bei Rapids Grundproblem im zentralen Mittelfeld. Stefan Schwab spielte auch in St.Pölten, wie Stefan Schwab eben spielt. Der hochveranlagte Achter und umstrittene Rapid-Kapitän war wieder auf der Suche nach Magic Moments, vergaß dabei aber auf die wesentlich wichtigere Fehlerminimierung. Am Ende war Schwabs Zweikampfbilanz ausgeglichen, aber jeder dritte Pass in der gegnerischen Hälfte fand keinen Abnehmer. Ballverluste und Fehlpässe können natürlich passieren, Schwabs aufreizende, fast teilnahmslose Reaktion auf verlorene Bälle, ist allerdings das Hauptproblem für sein Standing und auch für Rapids Mittelfeld. Es ist nicht überraschend, dass ausgerechnet Schwab in Rapids Mittelfeld durch sämtliche Gegner gedoppelt und als Erster angepresst wird. Die Gegner können sich nach Ballgewinnen gegen Schwab recht sicher sein, dass das Gegenpressing nicht allzu hart ausfallen wird, vor allem wenn Schwab dafür trägen Schrittes hinter den Ball kommen muss. Pass- und Zweikampfqualität sind die Faktoren, die Schwab dringend verbessern muss. Zehn Pässe, die in einer engen Partie zum Zungeschnalzen sind, sind nicht so viel wert, wie eine ernsthafte, dynamische Zweikampfführung, den Willen Fehler sofort auszubessern und weniger unerzwungene Passfehler in der gegnerischen Hälfte zu fabrizieren.
Aktionsradius: Starker Fountas macht Badji schwächer
Aufgrund von Schwabs zentraler Position fallen seine Fehler am meisten auf. Aber er war nicht der einzige Spieler, der bei Rapid auf verlorenem Posten stand. Taxiarchis Fountas war neben dem später eingewechselten Philipp Schobesberger der einzige Rapidler, der sich aus der Kritik ausnehmen kann. Fountas war zudem der gefährliche und zu Fuß, wie im Kopf wachste Rapid-Spieler. Seine doch sehr offensive Herangehensweise wurde aber zum Problem für Badji, der deutlich antizipativer spielen musste, kaum in aussichtsreiche Positionen in der Gefahrenzone kam und vor allem haarsträubende technische Fehler machte, die Rapid speziell im Konter bremsten. In der zweiten Halbzeit, als mit Schobesberger mehr Überraschungsmomente gelangen, wurde Rapid dynamischer, spielte insgesamt besser und giftiger. Mit der Neuverpflichtung Koya Kitagawa stößt in den nächsten Wochen eine weitere Variable in diesen Offensivverbund, dem es noch an Balance fehlt.
Murg zentral auf (relativ) verlorenem Posten
Die Grün-Weißen hätten durch ihren besten Techniker auch noch mehr Giftigkeit auf den Platz bringen können – aber Thomas Murg ist eindeutig ein Verlierer des neuen Systems. Der Steirer war in der Vergangenheit immer dann gut, wenn er den Ball am Flügel oder auf der Halbposition erhielt und mit kurzen, pointierten Aktionen invers zur Mitte ziehen konnte. Murg tut im offensiven Mittelfeld zwar sein Bestes, aber die Räume sind wesentlich enger, als es ihm lieb ist. Die Absicherung durch seine Hintermänner ist auf dieser Position wesentlich schwächer bzw. schwieriger, als am Flügel. Die Sicherheitsvariante eines Passes zu einem dieser Hintermänner, ist in der Zentrale deutlich gefährlicher als am Flügel, zumal die Zentrale eine direkte Konterschneise für den Gegner ist. Nach Ballgewinnen kann sich der konternde Gegner für eine der beiden Seiten entscheiden oder direkt durchbrechen. Wie beschrieben ist Schwab kein idealer Spieler im Gegenpressing. Grahovac spielte in St.Pölten vertikaler, versuchte so die Abstände zwischen ihm und seinen Mittelfeldkollegen geringer zu halten. Allerdings ist der Bosnier derzeit nicht in Bestform, wie auch schon das Spiel gegen Salzburg zeigte. Murg „muss“ somit die Flügel suchen oder auf ein Loch in der gegnerischen Kette hoffen, wo er durchbrechen, abschließen oder einen einrückenden Flügelspieler oder Stürmer in Szene setzen kann. Angesichts dessen, dass Rapid kaum Möglichkeiten für Flügelüberladungen bekommt bzw. im Angriff koordinativ eindeutig nicht ideal funktioniert, ist der Rekordmeister (noch) relativ einfach und geradlinig zu verteidigen.
Schwache Passwerte im Spielaufbau
Die weiteren Probleme Rapids lagen im Aufbauspiel. Die Seite mit dem unerfahrenen Greiml und dem „zweckentfremdeten“ Müldür zeigte, dass es noch viel Luft nach oben gibt. Vor allem was den Aktionsradius beider Defensivspieler auf der rechten Seite in gegenseitiger Wechselwirkung betrifft, sah man deutlich, dass Schicks Ausfall schwerwiegt. Zudem erwischte Strebinger-Ersatz Knoflach spielerisch einen Katastrophentag und gab zahlreiche Bälle mit schwachen Abschlägen und Ausschüssen sofort wieder her. Die durchschnittliche Passgenauigkeit der drei Innenverteidiger lag zudem ebenfalls nur bei knapp 78% und auch Grahovac fiel mit einer Genauigkeit von 79% gegenüber seinen Durchschnittswerten ab. St.Pölten ermöglichte Rapid nicht mehr, weil sie vor allem die Mitte schlossen und clever von innen nach außen verteidigten. Das Mittel, um dies zu verhindern, sind eine höhere Passqualität und ein stärkerer Fokus auf Fehlerminimierung auf nahezu allen zentralen Positionen, noch mehr Esprit und Laufarbeit an den Seiten und intelligentere Pendelbewegungen nach außen oder auf die Halbpositionen in der gegnerischen Hälfte.
Alle Tore vermeidbar
Das Resultat aus alldem ist, dass Rapid zu wenige klare Chancen erhielt. In Wahrheit waren die Hütteldorfer sogar relativ effizient, was aber noch mehr auf die Heimmannschaft zutraf. Beide Mannschaften hätten es dem jeweils anderen aber auch wesentlich schwerer machen können: Rapids Führungstreffer durch Fountas war ein Geschenk von Luxbacher und beim zweiten Rapid-Treffer durch den passablen Müldür trachteten die Niederösterreicher zu lasch nach der Balleroberung. Rapid wiederum fiel beim 1:1 durch Robert Ljubicic mit einer katastrophalen Strafraumbesetzung auf – es war ein Fehler, der in seiner Einfachheit eher im Amateurbereich passiert. Beim zweiten Gegentor war viel Pech dabei, dennoch wäre der Treffer von Luan mit einer resoluteren Einstellung im Entschärfen der ursprünglichen Halbchance vermeidbar gewesen.
Fehlerhafter Schiedsrichter half eher Rapid
Auch Schiedsrichter Jäger hatte zudem massiven Einfluss auf den Spielverlauf und half mit seinen Fehlpfiffen eher Rapid. Während Manuel Haas in der zweiten Halbzeit eindeutig mit Rot – oder zumindest Gelb-Rot – vom Platz geflogen sein müsste, bewarb sich Maximilian Hofmann bereits in der ersten Halbzeit mit einer Notbremse, die Jäger überhaupt nicht ahndete, um eine rote Karte. Die zweite Bewerbung lieferte Hofmann in der zweiten Halbzeit mit einem brutalen Foul an Luxbacher, bei dem er eine schwere Verletzung des Gegenspielers in Kauf nahm, ab. Der Schiedsrichter zeigte Hofmann nur Gelb…
Wann befreit sich Rapid aus der großen Schwankungsbreite?
Unterm Strich war der Auftritt Rapids eindeutig nicht gut genug. Man sollte sich dringend davor hüten in Post-Match-Interviews von „einer guten Partie“ zu sprechen und somit in einer gerade erst begonnenen Saison das Anspruchsdenken bewusst niedrig zu halten. Kühbauer veränderte einiges an seinem Team, aber die Reste der mentalen Blockaden (und da und dort auch von Faulheit und unerzwungener Ungenauigkeiten) sind weiterhin zu sehen. Vielmehr sollte man gerade schwächelnden Schlüsselspielern ordentlich den Kopf waschen, um nicht früh in der Saison in einer neuerlichen Kritikspirale gefangen zu werden. Dieses Spiel gewann Rapid aufgrund eigener Naivität nicht – und auch, weil man schon wieder gegen einen „Kleinen“ nicht so auftrat, wie in der ersten Runde gegen einen „Großen“.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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