Aufgrund einer 3:4-Auswärtsniederlage in Ried verpasst Rapid den Sprung an die Tabellenspitze und ist plötzlich nur noch Dritter. So oder so eine Momentaufnahme, aber... Taktikanalyse: Rapids Schlüsselproblem beim 3:4 in Ried

Aufgrund einer 3:4-Auswärtsniederlage in Ried verpasst Rapid den Sprung an die Tabellenspitze und ist plötzlich nur noch Dritter. So oder so eine Momentaufnahme, aber dennoch ein ärgerliches Sonntagabendspiel, das Rapids aktuelle Probleme aufzeigte und angesichts der dünnen Personaldecke vor durchaus schwierige Aufgaben stellt.

Die Fans des SK Rapid staunten nicht schlecht, als die Startaufstellung für das Spiel in Ried erstmals aufblitzte. Die offensive Kombo aus Demir, Fountas und Kara war genau das, was die Fans seit Wochen forderten und was entsprechend mit großer Spannung erwartet wurde. Hinzu kam der Formanstieg von Christoph Knasmüllner, der sowohl gegen Altach, als auch gegen Salzburg traf und nach monatelanger Flaute wieder eine Bereicherung fürs offensive Mittelfeld Rapids ist.

Zwei Hauptprobleme

Dass die Umsetzung zumeist schwieriger ist, als die Idee, zeigte sich bei Rapid aber schon sehr früh im Spiel. Das zentrale Mittelfeld bestand aus Grahovac, Ritzmaier und Knasmüllner, Fountas kam über links, Demir kam auf der weiter außen gelegenen Position im 4-2-3-1 kaum zur Geltung. Rapid hatte am Ende des Tages zwei große Probleme: Die Schwächen bei Defensivstandards sind das offenkundigere und eines, das oberflächlich nicht erklärt werden muss. Die Schwächen im Strafraum und in der allgemeinen Präsenz nach gut vorgetragenen, gegnerischen Standards sind offensichtlich und führten schlussendlich wieder zu zwei Gegentreffern.

Großes Problem im zentralen Mittelfeld

Das weniger markante, aber insgesamt größere Problem, betraf den Aufbau und das zentrale Mittelfeld der Hütteldorfer. Rapid konnte in Ried praktisch keine Spielphase aufbauen, in der man in eigenem Ballbesitz pressingresistent wurde. Dies hat mit mangelnder Antizipation und zu großen Abständen zu tun. Das Potential in der Mittelfeldbesetzung Rapids war zwar individuell enorm groß, allerdings passten die Bewegungsabläufe ohne Ball nicht. Die Wechselwirkungen in Rapids Aufbau waren nicht schlüssig genug.

Barac’ riskantes Aufbauspiel

Beginnen wir in der Analyse aber weiter hinten. Die Innenverteidigung der Hütteldorfer bestand aus Barac und Hofmann. Den aufbauenden Part nahm dabei Barac ein, der als enorm risikoreicher Aufbauspieler gilt. Das kann einerseits gut gehen, etwa wie beim öffnenden Pass auf Schick, der das 1:0 einleitete, aber in den meisten Fällen funktioniert der Aufbau über weitere Distanzen nicht so reibungslos. Neben seinen 59 kurzen Pässen spielte Barac auch 30 (!) lange Pässe, was für einen Innenverteidiger ein enorm hoher Wert ist und nicht zur nötigen Fehlerminimierung beiträgt.

56 (!) weite Bälle aus der Innenverteidigung

Hofmann spielte ähnlich viele Pässe, aber mit einem anderen Passmuster. Der Kapitän versuchte 26-mal tief zu spielen, womit die Rapid-Innenverteidigung auf insgesamt 56 weite Bälle kam. Hofmann allerdings war dabei zumeist bedrängter als Barac und war teilweise gezwungen „lang“ zu spielen. Barac hatte im Aufbau immer wieder Zeit und Platz und suchte konkrete Anspielstationen in der Tiefe. Das Positionsspiel der Mittelfeldspieler machte es ihm aber nicht einfach und so sah der Kroate phasenweise sehr unglücklich aus.

Grahovac überfordert, Ritzmaier fehlt in neuralgischer Zone

Rapid schaffte es im zentralen Mittelfeld nie, engmaschig zu werden. Grahovac, der allgemein einen rabenschwarzen Tag erwischte, sollte als Passhafen auf der Sechs fungieren, wurde aber viel zu einfach gepresst und hatte gerade am Übergang vom zweiten ins letzte Drittel, aber auch innerhalb des zweiten Drittels viel zu schwache Passwerte, um Rapid im eigenen Ballbesitz stabiler zu machen. Marcel Ritzmaier sollte wiederum im Aufbau helfen und kippte immer wieder linkslastig in Richtung Barac ab, wenn Ullmann am Flügel hochschob. Damit fehlte er aber häufig in einer Zone, in der Rapid keine Kontrolle aufbauen konnte.

Zu große Abstände erzeugen zu kompliziertes Aufbauspiel

Grahovac war als erster Passabnehmer im Aufbau stets im Begriff angepresst zu werden, Ritzmaier beteiligte sich tief am Aufbau. Zielspieler für Pässe hinter die Linien wären somit am ehesten Knasmüllner und Demir gewesen. Fountas versuchte diese problematischen Abstände durch stärkeres Abkippen nach hinten zu kitten, fehlte dadurch aber in den offensiveren Zonen, weshalb er – mit Ausnahme der Vorlage zum zwischenzeitlichen 3:2 – ungefährlich wirkte. Hofmann und insbesondere Barac suchten mit ihren langen und häufig flachen Bällen immer wieder die Spieler im Zwischenlinienraum. Sowohl Knasmüllner, als auch der leicht zur Mitte einrückende Demir antizipierten aber nicht stark genug.

Ried lauert und schaltet schnell um

Das Resultat daraus war einerseits, dass die Aufbauaktionen Rapids viel zu weite Passwege beinhalteten und andererseits, dass Ried nach erfolgreichen Pressingaktionen schnell mit vielen Spielern vor dem Ball war und gut umschalten konnte. Wenn die komplizierten Aufbauaktionen Rapids das Team in die gefährlicheren Zonen brachte, wurde auch Rapid zumeist gefährlicher. Wenn nicht, sah man sich ausschwärmenden Riedern gegenüber, die das Glück hatten, dass Rapid mit viel zu wenigen Spielern hinter den Ball kam, was aber angesichts der durchschnittlichen Positionen und den recht gut vorgetragenen Angriffen der Innviertler logisch war.

Rapid praktisch ohne „Achter“

Lösungsansätze wären zwar gegeben gewesen, aber hier mangelte es wieder einmal an der fehlenden Eigeninitiative der Hütteldorfer. Knasmüllner erzielte zwar zwei Treffer und hält damit in seinen letzten 230 Bundesliga-Einsatzminuten bei vier Toren, wäre für das Spiel der Wiener aber wertvoller gewesen, wenn er seine Position wie die eines Achters angelegt hätte. Umgekehrt verhält es sich wiederum mit Ritzmaier, der zentraler agieren und weniger abkippen hätte können, um nicht als aufbauender Akteur zu agieren, sondern häufiger als erster Abnehmer – hinter der ersten Pressinglinie der Rieder. Dies ist vor allem deshalb schade, weil Ritzmaier die Rolle im typischen 4-3-3 von PSV positionstechnisch sehr gut spielte – allerdings waren da auch die aufbauenden Innenverteidiger ballsicherer. Rapids Aufbau hätte schlichtweg wesentlich unaufgeregter und viel einfacher vonstattengehen müssen.

Barac’ lange Ballbesitzphasen im Aufbau

Barac stand so meist vor der Aufgabe, mit seinen initialen Pässen weite Wege überbrücken zu müssen (bzw. zu wollen). Auch das spielte Ried in die Karten, weil derartige Aufbauaktionen von Barac nicht flüssig vorgetragen oder „aus dem Fußgelenk geschüttelt“ werden, wie es etwa bei Lucas Galvao der Fall war, sondern zumeist eine längere, oft ungelenk wirkende Ballbesitzphase vorausgeht. Als Gegner weiß man schnell, was Barac macht. Sucht er die flache Variante durch die Mitte? Sucht er die sehr lange Variante oder einen Diagonalpass? Versucht er zu dribbeln? Dies ist vor allem wenn das zentrale Mittelfeld nicht massiv genug ist, relativ einfach zu antizipieren.

Das „Kapitäns-Loch“

Genau hier fingen die Probleme Rapids an. Und sie endeten im Endeffekt erst bei Ercan Kara, der als klassischer Zielspieler auf die großen individuellen Fähigkeiten von Fountas und Demir, aber auch Knasmüllner vertraute, aber nur wenig als Prellbock agierte und kaum Bälle festmachen konnte. Demir und Fountas waren viel zu weit von Rapids Aufbauspielern entfernt, um regelmäßig mit präzisen Pässen gefüttert zu werden. Im zentralen Mittelfeld gab es kein Bindeglied zwischen den aufbauenden Abwehrspielern und den Akteuren, die schließlich für Torgefahr sorgen sollten. Kurzum: Dejan Ljubicic fehlte an allen Ecken und Enden.

Systemwechsel für die nächsten Spiele

Diesen Mangel in den nächsten Partien wieder auszumerzen wird eine der Hauptaufgaben für Rapid sein. Einfach wird dies allerdings nicht. Neben Ljubicic fällt nun wohl auch Dejan Petrovic, der an Pfeifferschem Drüsenfieber leidet, für den Rest des Jahres aus. Grahovac alleine kann die Verbindungsaufgabe nicht lösen. Ritzmaier muss sich wieder auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, Knasmüllner besser antizipieren und auch eine Systemänderung ist für die nächsten Spiele wieder ein heißes Thema. Im 3-5-2 fallen die Aufbauprobleme Rapids nämlich bei weitem nicht so markant auf, wie im 4-2-3-1. Und – man lese und staune – mit Ausnahme des 0:1 bei Molde war Rapid im 3-5-2 stets torgefährlicher, als im 4-2-3-1/4-3-3 und dennoch defensiv und in den Aufbauvarianten deutlich stabiler.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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