Taktikanalyse: Salzburg und Rapid sorgten für spektakuläres Top-Spiel
Bundesliga 8.Dezember.2024 Daniel Mandl
Red Bull Salzburg und der SK Rapid trennten sich in einer spektakulären Partie mit 2:2. Es sollte am Ende ein leistungsgerechtes Remis sein, obwohl Rapid speziell in der zweiten Halbzeit bzw. der entscheidenden Phase aus dem Spiel heraus Vorteile hatte. Die Hütteldorfer arbeiteten an ihren Problemzonen der letzten Wochen – aber Salzburg verteilte zumindest taktisch keine Geschenke.
Aufgrund der Gelbsperre von Guido Burgstaller rutschte der 18-jährige Nikolaus Wurmbrand in die grün-weiße Startelf. Damit entschied sich Trainer Robert Klauß gegen Noah Bischof und auch gegen eine Variante mit dem noch nicht für 90 Minuten bereiten Rückkehrer Isak Jansson als zweiten Stürmer neben Dion Beljo. Das sollte im offensiven Umschaltspiel den nötigen Tiefgang gegen die traditionell hochstehende Salzburger Aufbaulinie mit sich bringen.
Lijnders sorgt für sichere Restverteidigung
Es wurde aber bereits früh klar, dass Salzburg-Coach Pepijn Lijnders Rapid nicht den Gefallen tun würde, die Innenverteidigung sehr hoch zu schieben. Die beiden Salzburger Innenverteidiger Baidoo und Gadou blieben sogar außergewöhnlich tief, auch in eigenem Ballbesitz, um ausreichend Restverteidigung zu bieten, sollte Rapid Bälle gewinnen und mit langen Bällen hinter die Abwehr umschalten wollen.
Die Durchschnittspositionen der Salzburger Mannschaft. Die tiefe Position der Außenverteidiger ist ebenso klar ersichtlich, wie das Loch vor ihnen. [ Alle Screenshots von Wyscout S.p.a. ]
Damit verfolgte Lijnders einerseits eine Sicherheitsvariante, um Rapid-Konter zu unterbinden. Andererseits nahm er damit in einer anderen Zone Risiko. Hinter den defensivsten Mittelfeldspielern Bajcetic und Bidstrup bildeten sich nämlich im Zwischenlinienraum immer wieder Räume, die Rapid zu bespielen versuchte. Anfangs gestaltete sich das noch etwas schwierig, weil die beiden Innenverteidiger gut auf Mann verteidigten und Beljo und Wurmbrand somit nur wenige Gelegenheiten gaben, Bälle zu sichern und auf die nachrückenden Zehner abzulegen.
Rapid erlangt Linksfokus zurück und flexibilisiert das Angriffsspiel
Aber weil Rapid bestimmte Abläufe gut anpasste, sah man dennoch schon im Ansatz, dass es eine gute Partie der Wiener werden würde. So konnte man beispielsweise wieder den Linksfokus im Angriffsspiel zurückgewinnen, der Rapid vor allem zu Saisonbeginn sehr stark machte. Trotz der guten Salzburger Adaptierungen und deren aggressiven Herangehensweise in Zweikämpfen, schaffte es Rapid dennoch, gelegentlich Tiefgang herzustellen.
Rapids Durchschnittspositionen zeigen klar den Linksfokus. Speziell die guten Dreiecksbildungen zwischen Raux-Yao (6), Auer (23) und Grgic (8) sorgten immer wieder dafür, dass Rapid zielgerichtet und passsicher aufbauen konnte. Auch beide Stürmer hatten einen Linksdrall in ihren Bewegungen und auch Sangaré (17) orientierte sich mehr nach links als sonst. Seidl (18) gab einen klassischen Zehner mit Zentrumsfokus im zuvor beschriebenen, meist offenen Zwischenlinienraum.
Wie bereits in der Analyse vor dem Spiel beschrieben, war es für Rapid wichtig, sein Angriffsspiel wieder zu flexibilisieren. Und tatsächlich schafften es die Hütteldorfer gegen Salzburg wieder, durch verschiedene Angriffsarten gefährlich zu werden.
Auer schießt, Wurmbrand wühlt
So fiel das 1:1 aus einem abgefälschten Weitschuss von Jonas Auer, der getrost als das „Erzwingen“ bezeichnet werden kann, das wir vor dem Spiel beschrieben. Der Schuss wies einen Wert von 0.02 xG auf, hatte somit eine enorm niedrige Torwahrscheinlichkeit, allerdings stieg er mit dem Verlassen von Auers Schuh auf einen Wert von 0.25 PsxG (Post Shot Expected Goals), was auch zeigt, dass ein technisch gut ausgeführter Abschluss und dem manchmal nötigen Glück des Abfälschens die Wahrscheinlichkeit dann wieder erhöhen kann. Einzig wenn man’s nicht gelegentlich versucht, gibt’s gar keine Chance auf einen „erzwungenen“ Treffer.
Bereits kurz vor der Pause nutzte Rapid einen Abwehrfehler der Salzburger für eine gefährliche Aktion mit dem erhofften Tiefgang. Baidoo kratzte allerdings Wurmbrands zu schwachen Abschluss noch von der Linie, als Schlager bereits geschlagen war. Unmittelbar vor und nach dem 1:2 aus Sicht Rapids hatte Wurmbrand zwei weitere gute Torchancen, kurz danach traf der für ihn eingewechselte Noah Bischof eine leicht falsche Entscheidung, die ihm eine weitere Großchance verwehrte.
Speziell Wurmbrands Einsatz zeigte auch, was Rapid in den letzten Partien fehlte. Vereinfacht gesagt, war der Teenager in 60 Spielminuten gefährlicher als Routinier Burgstaller in mehreren Spielen davor zusammen. Es war auch die Umtriebigkeit und die Überraschungsmomente, die Rapid in den vergangenen Wochen fehlten. Diese Unberechenbarkeit brachte der Eigenbauspieler zurück, wurde immer wieder gut von seinem Nebenmann Beljo, der ebenfalls wieder einen wacheren Eindruck machte, auch wenn er es mit dem Rücken zum Tor gegen aggressive Gegenspieler schwer hatte, gecoacht.
Verbesserte Standards
Auch bei den Standardsituationen machte Rapid einen Schritt nach vorne, was man allerdings auch schon gegen Blau-Weiß Linz beobachten konnte. Seidl und Auer schaffen es sehr regelmäßig, ihre Flanken gefährlich und scharf anzuschneiden und direkt in den Fünfmeterraum zu bringen, wo mit Raux-Yao und Cvetkovic die Innenverteidiger meist am kurzen Eck aufs „Abscherzeln“ warten. Noch holte Rapid aus diesen sehr konsequent vorgetragenen Flankenvarianten nichts Zählbares, aber wenn man die Genauigkeit beibehält, ist das wohl nur eine Frage der Zeit.
Janssons Auffassungsgabe bringt Rapid noch mehr Variabilität
Eine weitere Variable wechselte Trainer Klauß nach einer Stunde anstelle von Louis Schaub ein: Isak Jansson kam zu seinem Comeback nach knapp dreimonatiger Pause und bewies sofort, wieso er so wichtig für Rapid ist. Ein perfekter Lupfer hinter die Kette durch den in sämtlichen Spielphasen nahezu fehlerlosen Grgic fand Jansson, der den Ball am starken Alexander Schlager zum 2:2 vorbeilegte.
Hier sah man speziell wie wichtig das ebenfalls in der letzten Analyse beschriebene Herausbrechen aus der Formation ist. Seidl und Schaub sind spielerische Zehner, die im Zwischenlinienraum Bälle fordern und so verarbeiten wollen, dass die Stürmer in Szene gesetzt werden können. Das kann natürlich immer funktionieren, auch weil beide starkes, technisches Rüstzeug mitbringen, aber andererseits zwingen sie ihre Gegenspieler auch seltener aus ihrem „Naturell“ heraus.
Bei Jansson ist das anders: Wenn er hinter den Spitzen aufgeboten wird und den Tiefgang sucht, während gegnerische Abwehrspieler sich auf den Zweiersturm konzentrieren müssen, dann wird es für das defensive Mittelfeld des Gegners sehr schwer, dies zu verteidigen bzw. den Spieler effektiv an einen tiefer spielenden Mitspieler zu „übergeben“. Das gelang den Salzburgern vor dem 2:2 nicht, denn während sich Jansson zwischen Außenverteidiger Dedic und Innenverteidiger Gadou in die Tiefe bewegte, hatte keiner der beiden den Fokus darauf, Gegnerdruck erzeugen zu müssen. Da aber auch der Raum hinter der Kette unzureichend verteidigt wurde, hatte Jansson schließlich dank seiner Schnelligkeit und Auffassungsgabe freie Bahn. Die defensiven Mittelfeldspieler der Salzburger waren ebenfalls anderweitig beschäftigt, zumal Rapid den Ball, vor Grgic’ idealem Zuspiel auf Jansson sehr tief erkämpfte und die Sechser der Salzburger nicht so hoch hinausschoben.
Rapids starke Offensive gleicht die defensiven Fehler aus
Dass es zu diesem Zeitpunkt 2:2 stand, hatte aber auch mit den Abwehrfehlern Rapids zu tun. Die defensiven Schwächen auf beiden Seiten waren natürlich auch ein zentraler Grund, wieso sich eine spektakuläre Partie entwickelte. Zuerst konnte Niklas Hedl zwar seinen ersten Elfmeter als Profi parieren, danach verteidigte Auer allerdings gegen Capaldo nicht schnell genug von innen nach außen bzw. stellte den Argentinier nicht gut (oder nahe) genug zu. Nenad Cvetkovic beging vor dem zwischenzeitlichen 2:1 für die Salzburger gleich zwei Klärungsfehler.
Nach dem 2:2 war jedoch auch ersichtlich, dass Rapid spielerisch klarer wurde und das Spiel weitgehend in den Griff bekam. Auch wenn die größte Chance der Schlussphase vom Salzburger Ratkov vergeben wurde, war Rapid am Ball griffiger, wirkte geduldiger als die Hausherren. Speziell in der Phase rund um den Ausgleich wies Salzburg einen enorm hohen PPDA-Wert auf (bis zu 37.0), der anzeigt, dass die Bullen keinen Zugriff fanden und Rapid den Ball laufen lassen konnte, was sicher auch der mangelnden Routine der Lijnders-Elf geschuldet ist.
Größere Vorsicht in der absoluten Schlussphase
In der Schlussphase hatte man zwar schon das Gefühl, dass ein Lucky Punch für beide Mannschaft noch möglich wäre, aber auffällig war auch, dass speziell Salzburg vor allem gegen den Ball den letzten Druck vermissen ließ, nur im Block stand und verschob. Es gab kaum Pressingmomente und die Mannschaft wirkte nach den englischen Wochen erschöpft. Rapid hätte hier möglicherweise die Chance gehabt, noch einmal den Nachdruck zu suchen, um Salzburg für die letzten Minuten einzuschnüren – gerade weil man sich spielerisch immer weiter stabilisierte. Hierfür war aber wohl auch die Angst zu groß, dass in dieser verrückten Partie ein Ballverlust doch noch zu einer entscheidenden Aktion führen und zum Boomerang werden könnte. So sah man gegen Ende, dass beide Mannschaften zwar schon noch gewillt waren, mehr mitzunehmen, wenn sich etwas Gutes ergeben würde, aber gleichzeitig mit dem 2:2 auch nicht unzufrieden waren.
Offensivspektakel als „Werbung“
Am Ende wiesen die xG-Werte der Partie 2.52 : 2.36 für die Hausherren aus, wobei alleine 0.76 der vergebene Elfmeter von Oskar Gloukh ausmachte. In diesem Offensivspektakel waren somit beide Mannschaften – wenig verwunderlich – unterperformend. Salzburg zeigte, dass man die defensive Aggressivität in vielen Phasen wiedererlangte und Rapid bewies einmal mehr, dass man sich gegen die stärkeren Mannschaften deutlich besser hineinkämpfen kann, als gegen destruktivere Gegner. Die Flexibilisierung in den Angriffsmustern sprach aber auch für das „Troubleshooting“ der Grün-Weißen, die nach den schwachen Spielen der letzten Wochen konsequent versuchten, neue Lösungen zu finden. Nach dem 2:2 im Samstags-Spitzenspiel kann trotz aller defensiver Fehler getrost von Werbung für die österreichische Bundesliga gesprochen werden.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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