Der SK Rapid gewann gestern das Heimspiel zum Bundesliga-Auftakt gegen den SK Sturm Graz mit 1:0 und zeigte dabei eine richtig gute Leistung. Wir... Taktikanalyse: SK Rapid feiert souveränen Auftaktsieg gegen Sturm

Der SK Rapid gewann gestern das Heimspiel zum Bundesliga-Auftakt gegen den SK Sturm Graz mit 1:0 und zeigte dabei eine richtig gute Leistung. Wir wollen uns ansehen in welchen Bereichen die Hütteldorfer diesmal klar die Oberhand behielten und wie der verdiente Sieg zustande kam. Alle Grafiken und Statistik-Werte, exklusive der Spielszenen, stammen von Wyscout S.p.a.

Die Vorzeichen sahen aus Hütteldorfer Sicht schon vor dem Anpfiff vielversprechender als vor den letzten Duellen gegen die Grazer aus. Während der SK Rapid im Cup ohne Mühe weiterkam und in der Europa-League-Qualifikation Wisla Krakau nach dem knappen Auswärtssieg zuhause mit 6:1 deklassierte, sprach Sturm-Coach Christian Ilzer im Rahmen der Pressekonferenz von einer schwierigen Vorbereitung. Die Europameisterschaft 2024 sorgte dafür, dass einige Spieler erst später zu Sturm stießen und Leistungsträger wie Kiteishvili sind aktuell noch weit von der Höchstform entfernt. Alexander Prass, eine der absoluten Schlüsselfiguren beim SK Sturm, wechselte heute zur TSG Hoffenheim und stand deshalb nicht im Matchkader. Dazu soll auch ein Virus Teile der Sturm-Mannschaft heimgesucht haben.

Personelles

Rapid-Trainer Robert Klauß ließ wieder in der neuen 4-2-2-2-Grundordnung spielen, wobei der zuletzt etwas angeschlagene Innenverteidiger Nenad Cvetkovic Routinier Maxi Hofmann ersetzte. Als rechter Außenverteidiger kam diesmal Bolla zum Einsatz, der im Hinspiel gegen Trabzonspor kommenden Donnerstag aufgrund seiner roten Karte aus der ersten Begegnung gegen Wisla Krakau fehlen wird.

Ansonsten gab es keine Veränderungen in der Startelf. Auffallend war jedenfalls, dass Torschütze Beljo im Vergleich zu seinem Sturmpartner Guido Burgstaller eine etwas tiefere Position einnahm. Blickt man auf die beiden offensiven Mittelfeldspieler der Grün-Weißen ist leicht zu erkennen, dass Jansson eher auf dem linken Flügel blieb und Seidl in die Mitte zog und zentraler agierte. Die Durchschnittsposition von Jansson war dabei fast gleich hoch wie die von Mittelstürmer Beljo, und auch Seidl agierte beinahe auf der gleichen Höhe wie die Leihgabe aus Augsburg.

Bei den Gästen bekam Lavalée auf der linken Abwehrseite den Vorzug zu Karic, der erst in der 45. Minute für Hierländer ins Spiel kam und die Aufgaben von Lavalée links hinten übernahm. Lavalée ging in der zweiten Halbzeit zunächst ins defensive Mittelfeld, bis in der 70. Minute Kiteishvili für Innenverteidiger Aiwu kam und der Belgier ins Abwehrzentrum neben Wüthrich zurückwich. Das Mittelfeld der Gäste bestand in der ersten Halbzeit aus Gorenc-Stankovic, Horvat, Hierländer und Neuzugang Zvonarek, der als Zehner agierte. Ganz vorne agierten Bøving und Biereth, wobei Bøving links vorne die Halbräume suchte und etwas tiefer als sein Sturmpartner agierte.

Stimmigeres Aufbauspiel bei den Hausherren

Anhand der Passmuster lässt sich gut erkennen, dass die Hütteldorfer gestern Abend das stärkere Positionsspiel und die besseren Ideen im Spielaufbau hatten. Die Hausherren besetzten bei eigenem Ballbesitz gut die Räume und der ballführende Spieler hatte oftmals mehrere Möglichkeiten. Zur Freude der Zuschauer wählten die Akteure meist vertikale Lösungen und die Spieler mussten nicht lange den Ball in der Abwehr-Viererkette zirkulieren lassen, bis der progressive Pass kam, wie wir in den nächsten Absätzen demonstrieren wollen.

Die Raumbesetzung der Rapid-Spieler sieht nicht nur in dieser Grafik stimmig aus.  

Linksverteidiger Auer findet dank Jansson vertikale Lösungen

Die meistgespielten Pässe in dieser Partie spielte Jonas Auer auf den quirligen Isak Jansson. Insgesamt 17 Mal fand der Linksverteidiger, der in der vergangenen Saison oft von den Fans für das fehlerhafte Aufbauspiel kritisiert wurde, den Schweden. Wie oben erwähnt agierte Jansson im Gegensatz zu Seidl eher breit und bewegte sich sehr gut, wenn Jonas Auer den Ball bekam. Oft startete er seine Läufe in die Tiefe von zentraler Position und bewegte sich diagonal nach außen. Insgesamt agierte Jansson aber sehr vielseitig und bemühte sich immer eine mögliche Anspielstation für den Linksverteidiger abzugeben. Auer spielte in der gesamten Partie zwar neun Mal auf Innenverteidiger Cvetkovic zurück, fand aber auch die beiden zentralen Mittelfeldspieler Grgic, Sangaré und Stürmer Guido Burgstaller jeweils fünf Mal.

Sehen wir uns einen der 17 Pässe von Jonas Auer auf Isak Jansson genauer an:

Innenverteidiger Raux-Yao erhält ein im Spielaufbau ein Zuspiel von Cvetkovic. Die Uhr rechts oben zeigt „18:12“ an.

Der französische Neuzugang sondiert zunächst die Möglichkeiten für einen vertikalen Pass. Erst vier bis fünf Sekunden nach der Ballannahme dreht er sich nach links und spielt einen Pass zu Auer. Das ist der Pressingauslöser für den SK Sturm. Auers Gegenspieler steht aber zu weit weg und der linke Außenverteidiger hat viel Zeit für den folgenden Pass in die Tiefe.

Jansson setzt in der Mitte zum Sprint an und startet einen Diagonallauf in die Tiefe nach außen. Gazibegovic ist hier sein direkter Gegenspieler, doch in dem Moment, wo er in die Richtung seines Gegenspielers läuft, setzt der Schwede zum Sprint an und erwischt ihn auf dem falschen Fuß

Innenverteidiger Emanuel Aiwu sichert in dieser Szene gut ab. Der schnelle Jansson kommt zwar an den Ball, kann aber nichts Zählbares herausholen. Dennoch sieht man gut mit welchen einfachen Mitteln der SK Rapid nach vorne kam, weil der SK Sturm zu wenig Druck ausübte und zu spät ins Pressing kam.

Bolla kombiniert mit Sangaré und Seidl

Ähnliches, nur in ein wenig anderer Form, gilt für Rechtsverteidiger Bendegúz Bolla. Der ungarische Nationalspieler ist bekannt für seinen Offensivdrang und vertikale Lösungen sind seine erste Wahl. Bei ihm sah man sogar nur fünf Pässe zu einem Innenverteidiger, in seinem Fall Nenad Cvetkovic. Im Gegensatz zu Auer hatte er aber aufgrund des einrückenden Seidls eher selten einen offensiven Mittelfeldspieler auf dem Flügel vor sich und besetzte daher öfter selbst die rechte Seite in der Offensive. Seine Anspielstationen waren in erster Linie Mamadou Sangaré (13 Pässe) und der ins Zentrum rückende Matthias Seidl (11 Pässe).

Zusammenfassend: Auer spielte 17 Pässe auf Jansson, Bolla 13 Mal auf Sangaré und 11 Mal auf Seidl. Vergleichsweise fand der ungewohnt unauffällige Gazibegovic am häufigsten Innenverteidiger Aiwu, zu dem er sechs Pässe spielte. Zu keinem anderen Mitspieler spielte er mehr als drei Bälle.

Grgic und Sangaré mit wenigen Rückpässen

Nicht nur die Außenverteidiger fanden gute Lösungen, auch die beiden zentralen Mittelfeldspieler Lukas Grgic und Mamadou Sangaré zeigten gute Passmuster. Grgic, der sich laut eigener Aussage in seiner Rolle als Bodyguard von Sangaré sehr wohlfühlt, wählte dabei wie erwartet die etwas risikoärmeren Optionen. Er spielte zehn Pässe zu Linksverteidiger Jonas Auer, was aber durchaus in Ordnung war, da der Linksverteidiger, wie oben beschrieben, immer wieder den offensiven Jansson fand. Auffallend ist aber, dass Grgic im gesamten Spiel nur drei Mal zu einem Innenverteidiger zurückspielte. Mamadou Sangaré spielte ebenfalls nur drei Pässe zu einem Innenverteidiger, fand aber beispielsweise Matthias Seidl elf Mal! Auch Burgstaller (5) und Beljo (3) wurden vom Neuzugang aus Mali immer wieder gut eingesetzt.

Pässe in den gegnerischen Strafraum

Der SK Rapid hat bei so gut wie allen Pass-Statistiken in dieser Partie die Nase vorne. Besonders deutlich wird es allerdings, wenn man sich die Pässe in den gegnerischen Strafraum ansieht. Die Hausherren hatten mit 30 Zuspielen in den gegnerischen Strafraum drei Mal so viele wie der SK Sturm und waren dabei auch präziser. Von den 30 Pässen in den gegnerischen Strafraum kamen 14 bei den Mitspielern an, während Sturm nur vier der zehn Zuspiele an den Mann brachte.

Burgstaller tätigt mehr Dribblings als die gesamte Sturm-Mannschaft

Der SK Sturm hatte nicht nur im Passspiel insgesamt klar das Nachsehen, er schaffte es auch nicht sich in Einzelaktionen in Szene zu setzen. In der gesamten Partie setzten die Sturm-Spieler nur zu neun Dribblings an, von denen vier erfolgreich waren. Biereth bekam oft nur mit dem Rücken zum Tor den Ball und wurde hier oft schon energisch durch einen der beiden Rapid-Innenverteidiger, meistens Raux-Yao, gestört. Der offensive Mittelfeldspieler Zvonarek tätigte nur ein Dribbling, das ihm aber misslang. Kein einziger Sturm-Spieler versuchte in der gesamten Partie mehr als zwei Dribblings.

Demgegenüber stehen 27 Dribblings der Hausherren, von denen 15 erfolgreich waren. Alleine Guido Burgstaller ging zehn Mal in ein Dribbling und erreichte damit in dieser Statistik einen höheren Wert, als die gesamte Sturm-Mannschaft. Der Rapid-Stürmer gab zwar zu Beginn der Saison seine Kapitänsschleife an Matthias Seidl ab, agierte aber auf dem Platz wie ein wahrer Leader und zeigte auch in läuferischer Leistung ein enorm starkes Spiel. Er bestritt insgesamt auch die meisten Duelle aller Spieler auf dem Platz (33).

Mamadou Sangaré mit den meisten Ballgewinnen

Aufmerksame abseits.at-Leser werden sich über Sangarés Leistungen im Rapid-Trikot wenig gewundert haben, denn kurz nach dem Transfer analysierten wir, dass der Neuzugang das fehlende Puzzlestück im Mittelfeld ist. Der Box-to-Box-Mittelfeldspieler überzeugte aber nicht nur im Ballbesitz, sondern eroberte auch die meisten Bälle aller Spieler. Insgesamt gewann der Malier 16 Mal den Ball. Die beiden Innenverteidiger Cvetkovic und Raux-Yao liegen mit jeweils knappen 15 Ballgewinnen knapp dahinter, Rechtsverteidiger Bolla überzeugte ebenfalls mit starken 14 Balleroberungen. Beim SK Sturm kam kein Spieler auf mehr als 11 Balleroberungen.

Es gab allerdings einen großen Unterschied in den beiden Halbzeiten, was die Höhe der Ballgewinne anbelangt. Während der SK Rapid in der ersten Halbzeit nur sechs Prozent seiner Ballgewinne im gegnerischen Drittel erzielte, waren es in er zweiten Halbzeit ganze 25%:

Hier sieht man die unterschiedliche Höhe der Ballgewinne des SK Rapid in den beiden Halbzeiten. Der Unterschied ist deutlich sichtbar.

Rapid mit hoher Dominanz nach Wiederanpfiff bis zur Rapid-Viertelstunde

Das ist ein gutes Stichwort um noch einige Statistiken zu präsentieren, die die Dominanz des SK Rapid in der zweiten Halbzeit unterstreicht:

Ballbesitz:

Der SK Rapid hatte über die 90 Minuten 56% Ballbesitz. Man sieht aber, dass zwischen der 46. und 75. Minute die Grazer kaum Zugriff hatten und nur selten am Ball waren. Erst als sich der SK Rapid am Ende zurückzog hatten die Gäste wieder mehr Spielanteile.

PPDA-Wert:

Die beiden Teams hatten über die gesamte Partie einen sehr ähnlichen PPDA-Wert.

Aus unserem abseits.at-Lexikon:
Diese Metrik berechnet die durchschnittliche Anzahl von Pässen, die ein gegnerisches Team ausführen kann, bevor eine defensive Aktion wie ein Tackling, eine Balleroberung oder ein Foul von der verteidigenden Mannschaft durchgeführt wird. Ein niedriger PPDA-Wert deutet darauf hin, dass ein Team aggressiv presst, da es dem Gegner nur wenige Pässe erlaubt, bevor es eingreift. Ein hoher PPDA-Wert hingegen bedeutet, dass das Team ein weniger intensives Pressing ausübt und dem Gegner mehr Raum und Zeit zum Passspiel gibt.“

In der Grafik oben sehen wir, dass der SK Sturm Graz Mitte der zweiten Halbzeit dem Ball nur hinterherlief und nicht ins Pressing kam.

Passgenauigkeit:

Auch hier gehen die Werte der beiden Mannschaften zwischen der 45. und 75. Minute weit auseinander.

Angriffe pro Minute:

Diese Metrik beschreibt die Anzahl der Angriffe aus dem offenen Spiel pro Spielminute. Damit eine Situation als Angriff gezählt wird, muss mindestens eine erfolgreiche Aktion im letzten Drittel stattfinden.  

Durchschnittliche Positionshöhe:

Wie hoch steht die Mannschaft im Schnitt vom eigenen Tor entfernt bei Aktionen mit dem Ball? Auch hier lässt sich das Muster der vorangegangenen Beispiele gut wiedererkennen.

Drei kleine grün-weiße Haare in der Suppe

Der SK Rapid bot gestern eine enorm starke Vorstellung und in vielen Bereichen kann Trainer Robert Klauß restlos zufrieden sein. Wenn man jedoch das eine oder andere Haar in der Suppe suchen will, findet man durchaus Aspekte, den man ansprechen kann.

  • Tormann Niklas Hedl machte nicht den sichersten Eindruck und agierte beim Herauslaufen etwas zögerlich.
  • Die Chancenauswertung war eindeutig verbesserungswürdig. Speziell Joker Furkan Dursun hätte das 2:0 erzielen müssen, doch zeigte beim Verwandeln des Sitzers Nervenflattern.
  • Die Präzision der Flanken war verbesserungswürdig. Von 23 Flanken des SK Rapid kamen nur vier an (17%). Bolla und Jansson schlugen jeweils sechs Flanken und kamen damit auf die meisten hohen Hereingaben. Der Ungar brachte keine einzige zu einem Mitspieler, Jansson immerhin eine.

Abseits der Formschwäche: Zwei Problemfelder beim SK Sturm

Zu Beginn des Artikels führten wir an, dass Ilzer aufgrund verschiedener Ursachen die Sommervorbereitung als schwierig einstufte. Es war daher abzusehen, dass die Blackies noch weit von ihrer Meisterform entfernt sind und es ist anzunehmen, dass der Double-Sieger in den kommenden Monaten griffiger agieren wird. Zwei Probleme wurden allerdings gegen den SK Rapid besonders sichtbar, wobei insbesondere der erste Aspekt auch langfristig ein größeres Thema bei der Ilzer-Elf werden könnte.

  • Keine Gefahr über den linken Sturm-Flügel

David Schnegg war bei den Fans des SK Sturm Graz nicht immer unumstritten. Sein technisches Niveau war für Sturm-Verhältnisse eher überschaubar und auch der Verein legte dem Außenverteidiger bei seinem Abgang keine großen Steine in den Weg. An guten Tag sorgte er aber in der Bundesliga für viel frischen Wind über den linken Flügel, da seine Stärken eher im Spiel nach vorne lagen. Mit Lavalée, der auch in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kommen kann, und Neuzugang Karic, der in der vergangenen Saison mit Darmstadt in den Abstiegskampf verwickelt war, verfügt Christian Ilzer nun über zwei Spieler auf der linken Abwehrseite, die ihre Stärken eindeutig in der Defensive haben. Das zeigte sich auch im gestrigen Spiel, denn der SK Sturm Graz generierte bei Angriffen über den linken Flügel einen xG-Wert von 0.

  • Mentalitätsspieler Prass und Affengruber schwer zu ersetzen

Alexander Prass ist ein Spieler, der mit seinem gewaltigen Aktionsradius das gerade beschriebene Ungleichgewicht auf dem linken Flügel kaschieren hätte können. Mit seinem Abgang verliert der SK Sturm zudem einen großen Mentalitätsspieler, der keinen Ball verloren gibt und bis zur letzten Minute um jeden Zentimeter verbissen kämpft. Ähnliches gilt auch für Innenverteidiger David Affengruber. Sein Ersatz, Emanuell Aiwu, ist ohne Zweifel der technisch stärkere und talentiertere Spieler, allerdings kein Akteur, der sich gerne aufreibt und für seinen unbändigen Einsatz bekannt ist. Im Gegensatz zum ersten Punkt war dies aber nicht unbedingt ausschlaggebend für den gestrigen Qualitätsunterschied, da Sturm in mehreren Bereichen schwächer war und die mentale Komponente keine Hauptrolle spielte. Dennoch ist dies ein Aspekt, den man beim SK Sturm in der Kaderzusammenstellung beachten muss, insbesondere da die Blackies in der vergangenen Saison sehr viel über den Willen erreichten.

Stefan Karger, abseits.at

Stefan Karger

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