Sturm Graz feiert auswärts am Innsbrucker Tivoli den zweiten 3:2 Erfolg in Serie, nachdem in der ersten Runde der zweite Aufsteiger aus Hartberg mit... Taktikanalyse: Sturm Graz siegt verdient in Innsbruck

Sturm Graz feiert auswärts am Innsbrucker Tivoli den zweiten 3:2 Erfolg in Serie, nachdem in der ersten Runde der zweite Aufsteiger aus Hartberg mit demselben Ergebnis bezwungen werden konnte. Das Ergebnis war schlussendlich aber knapper als der tatsächliche Spielverlauf.

Karl Daxbacher schickte seine Mannschaft mit einer mutigen Ausrichtung im Spiel gegen den Ball auf den Tivoli-Rasen, wofür er im Vergleich zur Auftaktpartie gegen die Austria das System anpasste und so das bekannt starke Aufbau- und Ballbesitzspiel der Blackies eindämmen wollte. Wir werden in der Analyse sehen, dass dies der FC Wacker taktisch über weite Strecken gut umsetzte und so Sturm zu einer sehr tiefen Ballzirkulation zwang, aus der heraus den Steirern das Übergangsspiel und das Herausspielen von Abschlussmöglichkeiten schwerfiel.
In diesem Zusammenhang werden wir auch einen kurzen Blick auf die fluiden Ballbesitzstrukturen von Heiko Vogel werfen.

Mit klaren Zuordnungen für Zugriff und Stabilität sorgen

Formationstechnisch gesehen begann der FC Wacker in einer 4-2-3-1 Grundordnung. Kapitän Kerschbaum und Neuzugang Henning bildeten die Doppelsechs im zentralen Mittelfeld, eine Linie höher agierte Daniele Gabriele als Zehner mit einigen defensiven Aufgaben und Verpflichtungen. Die Außenpositionen im 4-2-3-1 besetzten Stefan Rakowitz auf rechts und Ilkay Durmus auf der linken Seite. Ganz vorne stürmte Mittelstürmer Dedic.

Der interessanteste Aspekt in dieser Bundesliga-Begegnung war definitiv das Pressing-Konzept von Karl Daxbacher. Aus dem nominellen 4-2-3-1 wurde bei geordnetem Spielaufbau der Grazer (was praktisch immer der Fall war) eine 4-2-1-3 Struktur hergestellt. Die Außenspieler Rakowitz und Durmus rückten dafür in die erste Pressinglinie neben Dedic auf und auch etwas ein, wodurch bei den Innsbruckern eine Dreierreihe in der ersten Pressinglinie entstand und die drei Aufbauspieler von Sturm Graz gut neutralisiert werden konnten. Sehr wichtig war, dass diese Staffelung mit der richtigen Dosierung und dem richtigen Timing interpretiert wurde. Die drei vordersten Spieler positionierten sich dafür an der Schwelle zum Angriffspressing, liefen aber in den seltensten Fällen durch und ließen die Ballzirkulation zwischen Torhüter Siebenhandl und den drei zentralen Verteidigern zu. Stattdessen fokussierten sie sich darauf, die vertikalen Passoptionen zuzustellen und das Zentrum sowie die Halbräume in den Übergangszonen des zweiten Drittels zu blocken, um die Verbindungen nach vorne zu kippen und das Spiel der Grazer zu verlangsamen und in die Breite zu ziehen. Dies gelang vor allem in den ersten 25 Minuten sehr gut. Die Mannschaft von Heiko Vogel kam zwar auf ca. 70 % Ballbesitz, dieser fand allerdings fast ausschließlich im eigenen Abwehrdrittel statt, wodurch keine torgefährlichen Aktionen (bis auf eine Chance von Zulj nach einem Innsbrucker Eckball) aus diesem Plus an Ballbesitz heraus kreiert werden konnten.

Hinter dieser ersten Dreierkette waren die Zuordnungen ebenfalls recht klar. Zehner Gabriele orientierte sich stark mannorientiert am gegnerischen Sechser Lackner und verfolgte diesen eigentlich permanent. Die beiden Sechser Kerschbaum und Henning sollten diese mutige 1-3 Staffelung von Karl Daxbacher absichern und orientierten sich ebenfalls situativ mannorientiert an den Achtern von Sturm Graz, wodurch die Grazer 3-1-4-2 Aufbaustruktur neutralisiert werden sollte.

Spielszenen aus dem Innsbrucker Pressingkonzept:

In diesem Bildausschnitt sind die vordersten Mannschaftsteile der Innsbrucker samt der angesprochenen 1-3 Staffelung zu erkennen. Durmus, Dedic und Rakowitz bilden eine horizontal kompakte Dreierreihe und orientierten sich dafür an den jeweiligen Positionen der drei Grazer Aufbauspieler. Der wesentliche Effekt bestand darin, dass für die Grazer die Verbindungen zu den vorderen Mannschaftsteilen nicht vorhanden waren und die Ballzirkulation vorrangig im ungefährlichen ersten Drittel stattfand. Ebenfalls zu erkennen ist die Mannorientierung von Gabriele auf Lackner und die eingerückte Position von Hierländer, auf die wir noch etwas genauer eingehen werden.

Ein noch etwas extremeres Beispiel für die Manndeckung von Gabriele. Lackner lässt sich in dieser Situation etwas nach hinten fallen, um den Spielaufbau zu unterstützen. Gabriele geht aufmerksam mit ihm mit und setzt ihn beim Zuspiel sofort unter Druck, wodurch nur der Rückpass auf Torhüter Siebenhandl übrig blieb. Dadurch entstand bei den Innsbruckern kurzzeitig sogar eine 4-2-4 Staffelung, mit Gabriele und Dedic zentral sowie Rakowitz und Durmus (hier nicht im Bild) auf den vorgerückten Flügelpositionen.

Eine mögliche Staffelung für die Druckerzeugung am Flügel. Sturm baut hier wie gewohnt aus der Dreierkette heraus auf, Lukas Grozurek positioniert sich breit am linken Flügel, Stefan Hierländer ist wie bereits in der vorigen Szene von seiner nominellen Wing-Back Position auf die Acht in den linken defensiven Halbraum eingerückt. Der Ball kommt in dieser Szene auf Grozurek. Der rechte Außenverteidiger Schimpelsberger rückt dafür weit nach vorne und setzt Grozurek unter Druck, Rakowitz kommt von seiner hohen Position zurück und unterstützt Schimpelsberger. Henning ist ebenfalls aus seiner Sechserposition neben Kerschbaum herausgerückt und markiert Hierländer, während sich Gabriele weiter an Lackner orientiert. Ebenfalls zu sehen, dass Kerschbaum halblinks allein diese Bewegungen absichern soll, dementsprechend groß ist der Zwischenlinienraum neben ihm.

Wie bereits erwähnt, funktionierte diese Herangehensweise von Karl Daxbacher ziemlich gut und auch recht stabil, das Konstrukt hatte aber zwei nicht zu übersehene Schwachpunkte.
Wenn nicht wie in der obigen Szene die Außenverteidiger nach vorne verteidigten, entstanden Räume hinter den beiden hoch postierten Flügelspielern Durmus und Rakowitz. Einige Male balancierten sie das noch sehr gut, indem sie sich leicht abgewinkelt nach außen positionierten und so die Flügelspieler der Grazer (auf links Grozurek, auf rechts abwechselnd Koch oder Zulj) in ihren Deckungsschatten nehmen konnten. Meist mussten sie aber den Weg nach hinten antreten und den ballführenden Gegenspieler seitlich von hinten unter Druck setzen, was einen großen Laufradius bedeutete. Einige Male schoben aber auch die Sechser (vor allem Kerschbaum halblinks auf Zulj) ganz auf den Flügel durch, wodurch die Mittelfeldzentrale erneut nur mehr mit einem Spieler besetzt wurde.

Beim zweiten Schwachpunkt kann man sich gar nicht so sicher sein, ob dies tatsächlich einer war. Denn durch die Innsbrucker Spielweise war klar, dass der Zwischenlinienraum aufgehen würde. Das war aber durchaus so gewollt, denn es sollten ja die ballnahen Optionen für die Aufbauspieler in der ersten Hälfte des zweiten Spielfelddrittels (sorry, diese Formulierung ist hässlich) zugestellt werden, was einige Aufrückbewegungen erforderte. Dies ging automatisch zu Lasten einer sauberen horizontalen Linienbildung, was aber nicht wirklich ins Gewicht fiel. Ähnlich wie die Räume hinter den Innsbrucker Flügelspielern konnten die Blackies nämlich auch diese Zonen nicht konstant bespielen und mühten sich stattdessen mit kurzen, horizontalen Pässen im ersten Drittel ab. Aber wie bereits erwähnt, lag dies zum Großteil am FC Wacker, denn die grundsätzliche Raumaufteilung der Grazer war nicht schlecht. Auch die drei Gegentreffer muss man davon isoliert betrachten, auch wenn das einem unterm Strich nicht weiterhilft.

Viel Fluidität, aber klare Grundstruktur

Schauen wir zum Schluss noch kurz auf die immer wieder interessanten Ballbesitzstrukturen von Sturm Graz. Heiko Vogel ist bekannt dafür, dass er sehr viel rochieren lässt und auch die verschiedensten Systemumformungen vornimmt.

Gegen Innsbruck lief seine Mannschaft in einer 5-3-2 Grundstruktur auf, die sich auch defensiv so zusammensetzte. Stefan Hierländer nahm dabei die Position des linken Wing-Backs ein, sein Pendant auf der rechten Seite war der Ex-Tiroler Fabian Koch. Markus Lackner besetzte konstant (die einzige Konstante im Mittelfeld) die Sechserposition, Peter Zulj auf halbrechts und Lukas Grozurek auf halblinks nahmen vor ihm die zwei Achterpositionen ein.
Bei eigenem Spielaufbau wurde aus dem 5-3-2 ein 3-1-4-2, was man bei den meisten Mannschaften mit dieser Grundordnung so zu sehen bekommt. Interessant waren aber die Wechselspielchen zwischen den Spielern, vor allem zwischen Achter- und Flügelposition. Während die Struktur immer gleich blieb, waren es fließend andere Spieler, welche die vorgesehenen Positionen einnahmen.

Auf der linken Seite waren die Positionswechsel konstanter als auf rechts. Stefan Hierländer rückte bei eigenem Aufbau in den linken Halbraum neben Lackner ein, während sich Grozurek nach außen bewegte und die breite Flügelposition einnahm, die normalerweise der Wing-Back besetzt. Auf der rechten Seite wechselten sich Koch und Zulj damit ab, wodurch Peter Zulj oft in tiefen und recht isolierten Spielfeldzonen zu finden war. Auch bei Fabian Koch hat man gesehen, dass er sich mit der Besetzung auf dem Flügel wohler fühlt, weshalb diese Rochaden ab Mitte der ersten Halbzeit stetig abnahmen.

Hier noch einmal die Grazer Raumaufteilung grafisch aufbereitet:

Fazit

Unterm Strich ging der Sieg für die Gäste aus der Steiermark in Ordnung. Sie kontrollierten eigentlich über die kompletten 90 Minuten das Geschehen, auch wenn in vielen Spielphasen der Zug zum Tor fehlte und nach den beiden Treffern von Martin Harrer noch einmal so etwas wie Hektik aufkam.

Wacker Coach Karl Daxbacher schickte seine Truppe mit einer interessanten und mutigen Ausrichtung im Spiel gegen den Ball auf den Platz, die auch griffig umgesetzt wurde. Durch ziemlich leichtfertige Fehler, wie schon zum Auftakt gegen die Austria, kassierten sie aber erneut drei Gegentreffer, welche für einen Aufsteiger schlichtweg zu viele sind, um gegen einen überlegenen Gegner etwas mitnehmen zu können. Daran muss die Mannschaft von Karl Daxbacher arbeiten. Ebenso am eigenen Ballbesitzspiel. Dort ist nämlich noch zu viel auf purer Dynamik und Geradlinigkeit aufgebaut. Längere, geduldige Ballbesitzphasen mit den notwendigen Strukturen waren gegen Sturm kaum bis gar nicht zu sehen. Das ist vor allem deshalb schade, weil fußballerisch diese Truppe einiges draufhat. Das hat sie in der letztjährigen Aufstiegssaison mehrmals gezeigt (auch wenn dort der Umschaltfokus dominierte) und auch in der Auftaktpartie gegen die neu formierte Mannschaft von Thomas Letsch. Die nächsten zwei Begegnungen gegen Altach und St. Pölten könnten diesbezüglich schon richtungsweisend sein.

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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