Aus dem Doppel gegen Sturm Graz geht Rapid mit nur einem Punkt heraus. Damit ist der zweite Platz faktisch dahin und die Wiener müssen... Taktikanalyse: Warum Sturm gegen Rapid das Zentrum beherrschte

Aus dem Doppel gegen Sturm Graz geht Rapid mit nur einem Punkt heraus. Damit ist der zweite Platz faktisch dahin und die Wiener müssen nun um den dritten Rang kämpfen, der im Falle eines Cup-Siegs von Red Bull Salzburg die fixe Teilnahme an einer Europacup-Gruppenphase bedeuten würde.

Die tolle Kulisse im Weststadion hätte ein besseres Spiel verdient. Spielerisch erwischten beide Teams einen gebrauchten Tag, waren viel zu unkonkret in ihren Aktionen und häufig einen Schritt zu spät. So entwickelte sich eine von Kampf geprägte, harte Partie, die auch ihre Opfer forderte.

Vier Verletzte in 90 Minuten

Zuerst erwischte es Christopher Dibon, der bereits nach wenigen Minuten nach einem Zweikampf mit Rasmus Höjlund mit einem Seitenbandriss im Knie runter musste. Bei Sturm verletzten sich im Laufe der zweiten Halbzeit Jon Gorenc Stankovic nach hartem Zimmermann-Einstieg, Anderson Niangbo und Otar Kiteishvili, dessen neuerliches Comeback nur drei Minuten dauerte.

Schwierige Partie für Druijf

Es wurde weniger Fußball gespielt, mehr Fußball gearbeitet. Es entwickelte sich eine Partie mit zahlreichen Schnittzweikämpfen und zwei Angriffsreihen, die nur wenige Bälle festmachen oder für nachrückende Spieler kontrollieren konnten. Speziell die Situation für Ferdy Druijf war schwierig: Der Niederländer wurde häufig hoch angespielt, um die Bälle festzumachen, wodurch er auf 34 Zweikämpfe und Kopfballduelle kam. Nur zwölf davon gewann er und tatsächlich festmachen konnte er nur einen einzigen Ball. Die Intensität, mit der er ans Werk gehen musste, machte es ihm nicht leicht, dennoch muss man vom tief spielenden Stoßstürmer Rapids mehr erwarten. Mögliche Matchbälle „vergab“ Druijf in der Schlussphase sogar beidseitig…

Hauptproblem lag dahinter

Das Hauptproblem in Rapids Spiel lag aber dahinter, nämlich im Achterraum. Druijf schwaches Spiel war eher Symptom, als Ursache. Durch Sturms Raute, in der Hierländer und Prass gegen den Ball immer wieder gut einrückten, bekam Rapid hier keinen Zugriff. Jon Gorenc Stankovic dominierte wie gewohnt den Sechserraum, war körperlich äußerst präsent, verlagerte sich aber eher auf das Spiel gegen den Ball, weshalb er in einer knappen Stunde nur 20 Pässe spielte und somit auch kaum gepresst werden konnte.

Sturm versucht es erneut direkt und mit „wenig Ball“

Wie schon im Spiel der vorherigen Woche hatte Rapid deutlich mehr Ballbesitz als Sturm: In Graz waren es 63,6%, gestern in Wien 61,7%. Sturm ließ Rapid das Spiel machen und versuchte schlichtweg blitzschnell und sehr direkt umzuschalten, weshalb Sturm in der gegnerischen Hälfte nur auf 45% angekommene Pässe kam. Über Höjlund und den immer wieder ausweichenden Jantscher sollten schnelle Gegenstöße generiert werden. Rapid verteidigte diese Versuche allerdings weitgehend gut, konnte aber wegen der eher abwartend agierenden, nicht massiv nachrückenden Sturm-Raute keine gezielten Gegenkonter fahren. Das wäre über Spieler wie Grüll oder Zimmermann natürlich denkbar gewesen, was Ilzer aber zu unterbinden wusste.

Rapid muss immer wieder neu aufbauen

Durch die Positionierung von Sturm kam Rapid praktisch nie in aussichtsreiche Kontersituationen, sondern stets wieder in Lagen zurück, in denen man das Spiel machen musste. Da viele Sturm-Spieler hinter dem Ball waren, war dies damit gleichbedeutend, dass Rapid praktisch immer wieder neu aufbauen musste. Die Lücken zwischen den Mittelfeldpositionen machten hier weitgehend den Unterschied zwischen den beiden Teams aus. Diese Lücken wollen wir nun genauer beleuchten:

Alle Grafiken stammen von Wyscout S.p.a.

Die Grafiken zeigen die Durchschnittspositionen aller Spieler über die gesamte Spieldauer.

Schnell vorab zusammengefasst: Die sechs zentralen Spieler Rapids agierten allesamt in Zweierpaaren positonstechnisch extrem bzw. zu homogen. Das zentrale Problem war dabei, dass Ljubicic (5) und Oswald (28) durchschnittlich fast genau dieselbe Spielhöhe hatten. Davor sehen wir Zimmermann (41) und Druijf (38), die ebenfalls durchschnittlich auf derselben Höhe spielten – unter anderem auch deshalb, weil sich Druijf aufgrund der vielen weiten Bälle in seine Richtung etwas höher positionieren musste und eigentlich eher einen zweiten Stürmer, als einen Zehner spielte.

Raum zwischen Doppelsechs und „Stürmerpaar“ verwaist

Der Zwischenraum zwischen diesen beiden Paaren war nun aber genau das, worauf es ankam. Hier hätte Rapid eigentlich in personam Druijf ins Gegenpressing kommen bzw. durch eine andere Staffelung auf der Sechs/Acht genau diesen Raum mit dem Ball bespielen müssen. Wenn wir uns vergleichend die Durchschnittspositionen bei Sturm ansehen (Achtung! Auch in dieser Grafik wird von unten nach oben angegriffen – zur besseren Gegenüberstellung muss man sich die Grafik also „umgedreht“ vorstellen), wird klar, warum das ein Problem war.

Jon Gorenc Stankovic (4) besetzte durchschnittlich genau diesen Raum zwischen Rapids Doppelsechs und den beiden Stürmern. Durch das starke Einrücken von Stefan Hierländer (25) gab es sogar noch einen zweiten Spieler, der sich durchschnittlich zumeist in ebendiesem Raum aufhielt. Und genau diese beiden Spieler waren es auch, die die wichtigsten Zweikämpfe für Sturm gewannen.

Innenverteidigung bei Sturm flexibler

Auch ein Blick auf die Innenverteidiger der beiden Teams ist hier sinnvoll. Während Maximilian Hofmann und Leo Querfeld sich meist auf derselben Durchschnittshöhe (und sehr tief) aufhielten, hatte Sturm mit dem starken Gregory Wüthrich (5) einen gut antizipierenden Innenverteidiger in seinen Reihen. Das war einerseits von Vorteil, weil man dadurch besser gestaffelt aufbauen konnte, andererseits aber auch, weil kurze Herausrückbewegungen von Wüthrich Rapid die Tiefe nahmen und Druijf seine Bälle nicht gut sichern konnte.

Abstände zwischen den „drei Paaren“ als größtes Rapid-Problem

Bei Rapid wiederum resultierte der ebenfalls zu große Abstand zwischen dem Innenverteidiger-Duo und der Doppelsechs in Aufbauproblemen. Die Hütteldorfer mussten das Spiel immer wieder nach außen lenken, wo sich die beiden Teams weitgehend neutralisierten. Durch die drei „zu gleichen Paare“ im Zentrum hatte Rapid aber nie die Möglichkeit ebendiese Zentrale für sich zu gewinnen, was schlussendlich auch der Grund dafür war, wieso man erst in der 89. Minute erstmalig aufs Tor schoss, obwohl man auf tiefen Positionen immer wieder recht gut das Spiel verlagern konnte. Dieser Torschuss von Christoph Knasmüllner war aber zum Glück für Rapid drin und so stand am Ende ein leistungsgerechtes 1:1.

Verkehrte Welt bei den xG-Zonen

Die Wichtigkeit des Zentrums in diesem Spiel zeigen auch die Expected-Goals-Zonen. Insgesamt endete das Spiel nach Expected Goals mit 0.80 : 1.26 aus Sicht Rapids. Die große Auffälligkeit: 1.15 xG (!) von Sturm kamen nach Angriffen durchs Zentrum zustande. Über links landete Sturm bei 0.00 xG, über rechts bei 0.11 xG. Sturm hätte also durch die Mitte effizienter sein müssen, denn auf der anderen Seite zeigt sich bei Rapid ein völlig umgedrehtes Bild. Die Wiener kamen durch die Mitte auf nur 0.01 xG, was in einem Heimspiel mit 60%+ Ballbesitz eine extrem seltene Anomalie ist. Am gefährlichsten war Rapid unterm Strich über links, wo man auf einen Wert von 0.47 xG kam. Der völlige und schließlich auch entscheidende (und belegbare) Mangel an Griffigkeit im Zentrum war aber der wichtigste Grund dafür, warum Rapid nun auch das sechste Spiel in Folge gegen Sturm nicht gewinnen konnte.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen