Das 335. Wiener Derby steht auf dem Programm und wirft bereits Tage vor dem Duell seinen Schatten voraus. Beide Teams präsentieren sich in blendender Verfassung, weshalb wohl Kleinigkeiten in diesem prestigeträchtigen Spiel entscheiden werden. Umso wichtiger ist es, sich bestmöglich vorzubereiten und den richtigen Matchplan zu erstellen, weshalb die Frage sein wird, welchen strategischen Ansatz man in diesem Spiel verfolgen wird.
Effiziente und kompakte Austria im Aufwind
Die Wiener Austria wird zweifellos mit einer breiten Brust in dieses Spiel gehen und das Selbstvertrauen könnte größer nicht sein. Dass die Violetten in dieser Saison ein unangenehm zu bespielender Gegner sind, das konnte man schon im Herbst erkennen, wo man de facto jedes Spiel eng halten konnte und sich kontinuierlich steigerte. Doch eine Siegesserie von fünf Spielen in Folge, damit konnte man nicht rechnen. Zur starken Defensive gelang es den Favoritnern in der Wintervorbereitung, sich auch im Ballbesitzspiel weiterzuentwickeln und hier vor allem die Effizienz zu steigern. Bemerkenswert ist hier, dass man dies ohne dem nominell gesetzten Sturmduo Huskovic und Djuricin vollbrachte, welches nach Verletzungspausen erst langsam zurück in die Mannschaft findet.
Doch in ihrer Abwesenheit konnten andere Spieler in ihre Fußstapfen treten und man zeigte sich auch vor dem Tor wesentlich effizienter. Daher spielt es auch kaum eine Rolle, wie viel Ballbesitz die Austria hat, denn bis auf die Partie gegen die Admira, wo man auf ein ausgeglichenes Ballbesitzverhältnis kam, hatte man im Frühjahr immer weniger Ballbesitz als der Gegner (sogar gegen Teams wie Altach und Hartberg). Daher kann man sich auch schon ungefähr ausmalen, dass dies im Derby nicht großartig anders sein wird. Das war auch im letzten Derby in Hütteldorf zu sehen, wo Rapid auf einen Anteil von 60 Prozent kam.
Das hängt auch damit zusammen, dass die Austria mehr auf Kontrolle setzt und keine Mannschaft ist, die etwa gnadenloses Angriffspressing betreibt und versucht das Spielgerät so schnell wie möglich zu erobern. Der Gegner darf den Ball in ungefährlichen Räumen halten und sich dort austoben, sobald es allerdings nach vorne geht, wird das Tor quasi zugemacht und der Weg versperrt.
Kontrollierte Defensive als Schlüsselelement?
Daher stellt sich nun die Frage, wie man gegen Rapid in das Spiel gehen wird. Auszugehen ist davon, dass man auf eine kontrollierte Defensive setzt und Rapid den Ball überlässt. Hier wird sicherlich der Fokus auf den Sechserraum der Hütteldorfer liegen, welchen man vom Spiel abschneiden wird, da Rapid das Spiel gerne über Petrovic und Ljubicic nach vorne verlagert. Hier bietet sich auch das zuletzt präferierte 4-2-3-1 an, womit man die Formation von Rapid spiegeln würde und es viele direkte Duelle gäbe. Allerdings gilt es hier zu berücksichtigen, dass die Hütteldorfer gerne das Spiel mit einer Dreierkette aufbauen und ein Sechser sich hier mit einer Abkippbewegung nach hinten fallenlässt. Das konnte man beim Führungstor von Rapid gegen Austria Klagenfurt gut erkennen:
Rapid baut das Spiel mit einer Dreierkette auf, da sich Sechser Petrovic auf die rechte Seite fallen lässt und abkippt, weshalb die Aufbaureihe damit zu einer „Raute“ wird und man Überzahl gegen die gegnerischen Stürmer kreiert.
Daher wird auch das erste Ziel der Austria sein, diese Vorgehensweise von Rapid zu neutralisieren und dieses Mittel gegen sie zu verwenden. Hier haben auch die Violetten Erfahrung, wie das gegen den Ball funktionieren kann, denn gegen die Admira und den WAC hat man Abkippmanöver des Gegners gut verteidigt, indem der ballnahe eigene Flügelspieler nach vorne neben Grünwald und Djuricin/Ohio rückte und kurzzeitig ein 4-3-3 entstehen ließ. Hier würde man dann quasi Gleichzahl herstellen und das Abkippen von Rapid neutralisieren. Ob das überhaupt notwendig ist, bleibt natürlich die Frage, denn anders als bei Klagenfurt, ist das Anlaufverhalten der Stürmer bei der Wiener Austria wesentlich intensiver und die Abwehrreihe steht auch deutlich kompakter. Im Idealfall schaffen es die beiden Stürmer der Austria im Alleingang, diese situative Dreierkette in Schach zu halten, womit man mit den restlichen acht Feldspielern die Räume dahinter verschließen kann und damit einen nummerischen Vorteil kreiert.
Das 4-2-3-1 gibt der Austria hier gleich mehrere Optionen und eine gewisse Variabilität, um auf verschiedene Situationen passend zu reagieren. Man wird sicherlich zunächst versuchen, Rapid gegen den Ball in einem 4-4-2 zu empfangen und den Sechserraum zu isolieren, um die Hütteldorfer auf den Flügel zu drängen. Hier müssen die Innenverteidiger und Sechser achtsam sein, denn Rapid versucht über Zielspieler Druijf gerne den langen Ball einzustreuen, aber auch Grüll startet gerne in die Tiefe und dies ist ein gern genutztes Stilmittel.
Das kann man auch am vorherigen Bild gut erkennen, wenn man auf die Offensivabteilung der Hütteldorfer blickt, denn im zentralen Mittelfeld gibt es de facto ein „Loch“, da gleich drei Spieler an der letzten Linie der Klagenfurter stehen und diese überladen. Man bereitet sich hier schon auf den langen Ball vor und stellt auch die Ressourcen zur Verfügung, um diesen zu sichern. Die Rapidler haben auch nicht von ungefähr drei ihrer sechs Treffer gegen die Kärntner nach langen Bällen in die Spitze erzielt und zwei weitere nach Flanken.
Hier werden neben den Abwehrspielern die beiden violetten Sechser besonders achtsam sein und ihre Aufmerksamkeit auf die zweiten Bälle richten müssen. Hier gibt es natürlich auch die Überlegung, auf eine Fünferkette umzustellen, worauf wir später noch eingehen werden.
Vorsicht vor Rapids linkem Flügel
Eine weitere Stärke der Grün-Weißen ist sicherlich das Flügelspiel und besonders in Person von Marco Grüll. Der Senkrechtstarter befindet sich in einer tollen Verfassung und trägt und prägt aktuell das Offensivspiel der Rapidler. Mit seiner Dynamik und Kreativität bringt er Tempo in das Spiel hinein und kann speziell in Umschaltaktionen jedem Gegner wehtun. Daher bekommt Grüll auch einige Freiheiten und darf auch gerne mal die Defensivarbeit vernachlässigen, um auf Ballgewinne und Umschaltaktionen zu lauern. Hier hat sich zudem auch in den letzten Wochen ein starkes Dreieck auf der linken Seite mit Grüll, Ljubicic und Zimmermann etabliert. Auf dieses werden die Austrianer besonders Acht geben müssen und ihr Augenmerk richten, den hier lauert die größte Gefahrenherd in der Offensive von Rapid.
Hier wird man Grüll konstant auf dem Flügel doppeln müssen und zusätzlich mit dem Mannschaftsverbund zum Ball verschieben, um den Raum bestmöglich zu verdichten. Hier wird auch sicherlich entscheidend sein, dass bei der Austria Aleksandar Jukic fit wird, der im Gegensatz zu Keles in der Arbeit gegen den Ball wesentlich präsenter ist und zuletzt etwa den offensivstarken WAC-Außenverteidiger Dedic abmontierte. Alternativ könnte man hier auch überlegen, Fischer auf die rechte Seite zu ziehen, weil der in der Lage ist, mit seiner Aggressivität und Laufstärke die Seite im Verbund mit Martins dichtzumachen.
Hier könnte man die offensive Ausrichtung von Rapid natürlich auch ausnutzen, da Linksverteidiger Moormann oftmals auf sich alleine gestellt ist. Das wird in den Umschaltaktionen der Austria sicherlich eine neuralgische Zone sein und Rapid zeigte sich in der Vergangenheit über den Flügel recht anfällig, da Grüll aber auch Demir ihre Hintermänner nicht immer passend unterstützen. Hier würde auch der Vorteil des 4-2-3-1-Systems liegen, denn einerseits könnte man gegen den Ball einen besseren Zugriff bekommen, andererseits auch offensiv über diese Zone aktiv werden und Rapid unter Druck setzen.
Wer bildet die Innenverteidigung?
Mögliche Aufstellung der Austria im 4-2-3-1
Die schwierigste Entscheidung wäre im 4-2-3-1 sicherlich die Wahl der Innenverteidigung. Die Austrianer verfügen mit Mühl, Handl und Neuzugang Galvao über drei starke Innenverteidiger, die allesamt in den letzten Wochen gute Leistungen ablieferten und Schlüsselfaktoren für die starke Defensive sind. Mühl dürfte als Abwehrchef gesetzt sein, während Galvao aufgrund seines linken Fußes einen Vorteil gegenüber Handl hat, der seinerseits dafür in der Luft eine Macht ist und hier kaum etwas anbrennen lässt. Deswegen ist die Fünferkette auch ein Thema, da man mit diesen drei Innenverteidigern wohl ein absolutes Bollwerk hätte.
Allerdings haben die Austrianer in den letzten Wochen bewiesen, dass sie mit dem 4-2-3-1 eine gute Balance zwischen einer stabilen Defensive und einer gefährlichen Offensive hinbekommen. Die Automatismen sind hier perfekt abgestimmt, das Anlaufverhalten gut koordiniert, das Gegenpressing äußerst griffig und die Strafraumverteidigung exzellent. Daher käme es auch überraschend, wenn Austria-Trainer Schmid das System umstellen würde. Allerdings hat man erst kürzlich gegen den WAC mitten im Spiel auf eine Fünferkette umgestellt, was zeigt, dass man diesem System ebenfalls vertraut.
Oder doch die Fünferkette?
Daher ist es auch nicht ausgeschlossen, dass man sich letztlich doch für die Variante der Fünferkette in der Abwehr entschließt, gäbe es doch einige Vorteile in dieser Systematik. Zunächst würde man die eigene Abwehrlinie zusätzlich verstärken und könnte so die langen Bälle und Flanken von Rapid besser verteidigen. Man würde auch durch die breitere Formation das Feld besser abdecken, weshalb es für die Hütteldorfer schwieriger wäre, Spielverlagerungen einzubauen. Allerdings ist die Fünferkette auch ein zweischneidiges Schwert, da man dazu tendiert, eher vorsichtig zu agieren und sich tiefer nach hinten fallen zu lassen. Das zeigte die Austria etwa im letzten Spiel in Hütteldorf, wo man ebenfalls auf eine Fünferkette zurückgriff und die meiste Zeit sehr passiv im Spiel agierte und es verabsäumte, Druck nach vorne zu machen. Das wäre sicherlich nicht im Sinne von Trainer Schmid, weshalb dieser sich diese Frage stellen und beantworten muss, ob man diesen Ansatz erneut versuchen möchte.
Mögliche Aufstellung der Austria im 5-3-2
Je nachdem wie man eben diese Formation interpretiert, lauern Chancen und Gefahren zugleich. Doch wenn man sich das Personal in diesem 5-3-2 genauer ansieht, bekommt man ein Gefühl, dass dies in diesem Spiel sehr gut funktionieren könnte. Mit Galvao, Mühl und Handl hätte man eine zweikampfstarke Innenverteidigung, mit Suttner und Martins zwei offensive Flügelverteidiger, die auch Druck nach vorne machen könnten. Man hätte mit Martel, Braunöder und Fischer ein äußerst laufstarkes Mittelfeld, welches mit ihrer Reichweite sowohl das Zentrum, als auch die Flügel bearbeiten könnten und vorne mit Djuricin und Huskovic ein spielstarkes Sturmduo, welches die Lücken in der Defensive von Rapid bearbeiten könnte.
Ein nichts zu verachtender Faktor wäre hier auch das Überraschungsmoment, da die Hütteldorfer eher mit einem 4-2-3-1 rechnen würden. Und dass die Austrianer diese Formation gut umsetzen können, zeigten sie etwa beim 2:1-Heimsieg gegen Sturm Graz. Keine einfache Entscheidung also für Austria-Trainer Schmid, der einerseits in der glücklichen Lage ist, über mehrere Varianten verfügen zu können, andererseits aber auch viele Aspekte genauer abwegen muss. Hier muss man sich natürlich auch die strategische Frage stellen, wie stark man sich auf den Gegner einstellen möchte, oder ob man sich doch eher auf die eigenen Stärken besinnt. So oder so spricht es für die taktische Reife der Austria, dass man über mehrere Variationen im eigenen Spiel verfügt und damit dem Gegner ebenfalls Kopfzerbrechen bereiten kann. Die Antwort wird letztlich auf dem Platz liegen und nach den 90 Minuten wird man sehen, ob man sich letztlich für den richtigen Matchplan entschieden hat, oder nicht.
Dalibor Babic, abseits.at
Dalibor Babic
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