Toni Polsters neue Aufgabe in der Südstadt: Psychologie und „Toni-sein“ statt ausgiebiger taktischer Philosophie
Bundesliga 20.Juni.2013 Daniel Mandl 0
Der 49-jährige Toni Polster ist neuer Trainer der Admira. Nach der Wiener Viktoria und der Amateurmannschaft des LASK ist der Bundesligist Polsters dritte Station als Chefcoach. Der Spieler Toni Polster ist hierzulande jedem bekannt, doch was darf man vom Trainer Toni Polster erwarten und in welche Richtung wird seine Reise mit der Admira gehen?
Als Spieler erlebte Toni Polster so einiges: Er gewann nachträglich den Goldenen Schuh für den besten Torschützen Europas, war über mehrere Jahre der Torjäger des FC Sevilla und des 1.FC Köln, stieg mit Köln und Mönchengladbach jeweils in die zweite deutsche Bundesliga ab und ist auch heute noch Rekordtorschütze im österreichischen Nationalteam.
Generation 3-5-2
Der charismatische Wiener spielte unter einer Vielzahl von Trainern und galt stets als ein Angreifer alten Schlags. Modernes Antizipationsspiel musste Polster nie praktizieren – der Vollblutstürmer stammte aus der „Generation 3-5-2“ bzw. später 4-4-2. Es gab immer einen oder mehrere andere, die an vorderster Front die dauerhafte Arbeit auf dem Platz für ihn verrichteten, auch wenn Polster speziell für die kurzen, oft entscheidenden Momente die nötige Schnellkraft und Physis mitbrachte. Der ewige Vorwurf, Polster wäre ein lauffauler Spieler gewesen, ist im Kontext des modernen Fußballs berechtigt, stimmt jedoch praktisch nicht, zumal er durchaus ein fleißiger Spieler war, der sich eben „anders“ bewegte.
Alles auf Toni zugeschnitten
Zeit seiner Karriere musste Polster sich nie in taktische Korsette zwängen – das Spiel seiner jeweiligen Mannschaft war ohnehin auf ihn zugeschnitten. Der Erfolg bzw. seine Torgefahr gaben ihm Recht. Polster lebte den Fußball als Spieler auf eine sehr vereinfachte Art und Weise. Natürlich versteht Polster wie der Sport funktioniert, aber außerordentliche taktische Innovationen darf man von ihm nicht erwarten. Vor knapp fünf Jahren machte Polster seinen Trainerschein, die UEFA PRO Lizenz hält er seit acht Monaten.
Beschäftigungstherapie?
Bevor Polster sich auf seine ersten Aufgaben als Trainer stürzte, arbeitete er unter anderem im Marketing von Borussia Mönchengladbach und als Teammanager bei Austria Wien. Seine Trainerstationen bei der Amateurmannschaft des LASK und schließlich in der Oberliga des Wiener Unterhauses, bei der Wiener Viktoria, wurden von außen als Beschäftigungstherapie angesehen. Schließlich zeigte sich Polster häufiger in Werbungen, TV-Sportstudios oder bei Society-Events als auf dem Fußballplatz. Nicht viele trauten dem großen Fußballer Toni Polster eine ebenso große Trainerkarriere zu. Das gilt auch heute noch.
Der richtige Trainer für einen Kultklub
Mit den beiden Meistertiteln mit der Wiener Viktoria (Oberliga A und Wiener Stadtliga) setzte Polster eine erste Duftmarke als Trainer. Polster fungierte in seiner Funktion als Trainer der Meidlinger aber eher als Aushängeschild. Beim 1931 gegründeten Klub wird nämlich speziell im Hintergrund ausgezeichnete Arbeit geleistet. Der Verein von Präsident und Alkbottle-Frontman Roman Gregory positioniert sich seit jeher als Kultklub, überzeugt mit kreativem Marketing. In dieses Profil passte natürlich der Trainer und Medienprofi Polster, der die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit vor allem regional geschickt auf die Erfolge des kleinen Wiener Vereins lenkte.
Umtriebiger Amateurklub
Was jedoch noch stärker wog, waren die vielen sportlichen Sparten, in denen die Wiener Viktoria sich engagierte. Da gab es Mentaltraining, ausgiebige Leistungsdiagnostik, auch von Lifekinetik oder anderen psychologischen Trainingsaspekten war die Rede. Im Nachwuchs installierte man bewusst weitere Kultmentoren wie Christian Keglevits oder Andreas Reisinger, der Polster als Cheftrainer bei der Wiener Viktoria nachfolgen wird. Und zu guter letzt: Der Verein *wollte* aufsteigen. Anders als etwa der FC Stadlau, der seit Jahren immer wieder am Regionalliga-Aufstieg kratzte und am Ende zurücksteckte, weil ein Aufstieg den Verein höchstwahrscheinlich finanziell ruinieren würde.
Euphorie, Spaß & Selbstbewusstsein
Unter einer erfolgreichen Zeit bei der Wiener Viktoria stehen also engagierte Mitarbeiter, eine für Wienerliga-Verhältnisse sehr starke Mannschaft und totale Rückendeckung von „oben“. Die sportlichen und taktischen Methoden, mit denen die Meidlinger diesen Titel holten, waren jedoch keine außergewöhnlichen und stammen aus Zeiten der Holzbankl-Umkleiden. Polster schaffte es, die Mannschaft auf einer Welle aus Euphorie, Spaß und Selbstbewusstsein zu halten – und in diesem Punkt wird es für die weitere Zukunft problematisch.
Admira zuletzt auf dem absteigenden Ast
Bei der Admira ist Polsters Aufgabe eine andere. Die Südstädter retteten sich in der Vorsaison erst in der letzten Runde vor dem Abstieg. Auch wenn die Mannschaft phasenweise unter Wert geschlagen wurde, muss die Saison 2013/14 als Neubeginn angesehen werden. Was die Admira in der Saison 2011/12 auszeichnete, war perfekt vorgetragenes Umschaltspiel von Defensive auf Offensive. 2012/13 fiel man vor allem durch defensive Schwächen und die Unfähigkeit schmerzende Abgänge gleichwertig zu ersetzen auf. Die Euphorie in Maria Enzersdorf ist stark gedämpft, die Perspektive des Klubs verschob sich ab Sommer 2012 wieder nach unten. Man war nach einem tollen Aufstiegsjahr auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen.
Von einem Doppelmeister zu einem „Problemklub“
Polster wird mit dieser Mannschaft nicht im Stande sein, ein System oder eine Spielphilosophie zu finden, um den anderen Bundesligaklubs ernsthaft zuzusetzen. Das Zuschneiden auf die Möglichkeiten des Bestehenden ist sicher nicht Polsters größte Stärke und das Rundherum bei der Wiener Viktoria ist in Relation zum sportlichen Leistungsvermögen der beiden Klubs, klar über die Admira zu stellen. Eine „Kulteuphorie“ zu entfachen wird bei der ewigen grauen Maus aus der Südstadt auch nicht funktionieren.
Einfache, positive Psychologie statt taktischer Klügelei
Polster hat im Grunde nur einen echten Trumpf, den er in seinem neuen Job ausspielen kann. Er muss jeden Tag er selbst sein. Der erfahrene und positive Mensch, der er eben ist. Wenn Polster mit der Admira erfolgreich ist, dann wird er es nicht deshalb sein, weil er stets alles über seinen Gegner weiß oder die Mannschaft in klopp’scher Akribie auf die nächste Partie einstellt – sondern, weil er eben der Toni ist und einer jungen Mannschaft trotz schwieriger Aufgaben positives Denken und Spaß am Sport vermitteln kann. Mit einer Prognose lehnen wir uns aber schon jetzt aus dem Fenster: Toni Polster wird bei der Admira kein Langzeittrainer sein.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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