Wieso spielte ein hochveranlagter Fußballer wie Ilco Naumoski fast ein Jahrzehnt in Mattersburg? Wieso konnte Sturm Graz den mit unverschämt hoher Ausstiegsklausel ausgestatteten Donis... Topspieler und Problemboy: Das ist Rapids Neuzugang Filip Stojkovic!

Wieso spielte ein hochveranlagter Fußballer wie Ilco Naumoski fast ein Jahrzehnt in Mattersburg? Wieso konnte Sturm Graz den mit unverschämt hoher Ausstiegsklausel ausgestatteten Donis Avdijaj ausleihen? Aus demselben Grund, wieso Rapid nun Filip Stojkovic ablösefrei verpflichten konnte.

Schwierige Akteure sind oft die spannendsten. Es sind die Typen, die anecken und polarisieren, die sich häufig die Gunst des Publikums erspielen können. Typen, die dem geneigten Zuseher nicht „wurscht“ sind, sondern immer irgendwelche Gefühlsregungen auslösen. Der 26-jährige Filip Stojkovic ist so ein Typ.

Ein „anderer“ schwieriger Typ

Mit Andrei Ivan und Andrija Pavlovic gab Rapid zuletzt zwei schwierige Spieler ab, holt dafür mit Filip Stojkovic nun einen anderen schwierigen ins Boot. Auf den ersten Blick unverständlich, aber vergleichbar sind diese Spieler keineswegs, denn während die zuletzt Abgegebenen eher damit aneckten, dass sie sich etwas zu schnell krank meldeten und sich am Platz nicht aufopferten, kann man von Stojkovic eher die extrovertiertere Palette an Disziplinlosigkeiten bekommen, wenn ihm etwas nicht passt.

Diesen Sommer „überall rausgeflogen“

Den letzten Meistertitel mit Roter Stern Belgrad – seinen zweiten – feierte der Abwehrspieler ausgiebig. Zu ausgiebig für den Geschmack von „Zvezda“-Coach Vladan Milojevic, der ihn aus dem Team verbannte und durch den vorbildlichen Marko Gobeljic ersetzte. Auch Ex-Rapid-Star Dejan Savicevic hatte schon so seine Probleme mit Stojkovic: Nachdem dieser sich im Juni gemeinsam mit Spielmacher Mirko Ivanic und Trainer (!) Ljubisa Tumbakovic weigerte mit dem montenegrinischen Team gegen den Kosovo anzutreten (weil sie diesen nicht als unabhängigen Staat anerkannten, sondern als Teil Serbiens), warf Savicevic alle drei raus. Stojkovic bestritt 15 Länderspiele für Montenegro und spielte zuvor auf Nachwuchsebene für sein Geburtsland Serbien. Das endgültige Ende im Nationalteam muss das aber dennoch nicht sein: Savicevic betonte, dass Stojkovic in nächster Zeit – sofern die Leistungen stimmen – natürlich wieder eine Chance hat, ins Team zurückzukehren.

Bester Rechtsverteidiger der serbischen Liga

Von den Disziplinlosigkeiten abgesehen, ist Filip Stojkovic ein hochveranlagter Verteidiger, der auch durchaus flexibel eingesetzt werden kann. Eigentlich ist der 180cm große Montenegriner Rechtsverteidiger bzw. rechter Flügelverteidiger, aber in der Vergangenheit sprang er auch als Linksverteidiger und selten sogar in der Innenverteidigung ein. In den letzten fünf Saisonen wurde Stojkovic viermal ins Team der Saison der serbischen Liga gewählt. Man darf also getrost behaupten, dass Rapid den besten Rechtsverteidiger der serbischen Liga verpflichtete.

Wie gut kommt man mit dem „Problemboy“ zurecht?

Aufgrund der letzten Vorkommnisse muss Rapid für den freigestellten Stojkovic nicht mal Ablöse zahlen. Somit ist der Transfer natürlich als Okkasion zu bezeichnen, die aber nichts bringen wird, wenn man den 26-Jährigen nicht bändigen kann. Darauf wird es bei diesem Transfer am allermeisten ankommen, denn was das Rüstzeug und auch die Erfahrungen betrifft, dürfte der Serbe gut zu Rapid passen.

Verschiedene Facetten miterlebt

Stojkovic kennt nicht nur erfolgreiche Zeiten. Zuletzt wurde er mit Roter Stern zweimal serbischer Meister, spielte in der Champions League und schwamm auf einer Erfolgswelle. Davor spielte er allerdings auch für den Nachzügler bzw. Ausbildungsverein Cukaricki und für den ewig strauchelnden, damals noch Zweitligisten, TSV 1860 München. In München kam er in einem Halbjahr nur auf zehn Pflichtspieleinsätze, weil ihn zwischenzeitlich eine Schambeinentzündung außer Gefecht setzte. Es war die einzige langwierige Verletzung seiner Karriere.

Ein Schritt zurück, zwei nach vorne

Dennoch verlief die Karriere Stojkovic‘ recht geradlinig. Bereits bei Cukaricki wurde er zum besten Rechtsverteidiger der serbischen Liga und im Anschluss folgte in München eine schwerere Zeit, die ihm einen womöglich notwendigen Dämpfer und auch ein nicht unwichtiges Maß an negativen Erfahrungen gab, ehe er bei Roter Stern neu durchstarten konnte. Bereits auf Anhieb, in der Saison 2017/18 wurde er zum Trainerliebling und speziell in dieser ersten Saison verlief alles bestens, ehe gegen Ende der abgelaufenen Saison 2018/19 die Probleme anfingen.

Supersaison 2018/19 mit Ärger am Ende

Dabei war es eine traumhafte Saison für die Belgrader, die zuerst Red Bull Salzburg aus dem Champions-League-Playoff warfen, dann in der Gruppenphase den späteren Champion Liverpool zu Hause mit 2:0 besiegten und obendrein noch Meister wurden. In all diesen wichtigen Partien war Stojkovic stets mit von der Partie. Da er in Belgrad einen Vertrag bis 2022 hielt, ging man eigentlich fest davon aus, dass er langfristig eine Stütze für die rechte Abwehrseite sein würde. Am Ende war die 1:2-Niederlage in der CL-Quali bei HJK Helsinki am 31.Juli aber seine letzte Partie für Roter Stern. Danach setzte ihn Trainer Milojevic nur noch zweimal auf die Bank und strich ihn vier weitere Male aus dem Matchkader. Das hielt Stojkovic aber nicht davon ab, den Champions-League-Einzug instagram-wirksam vor bzw. auf dem umstrittenen Panzer zu feiern, den ein Fanklub von Roter Stern vor dem Rückspiel gegen die Young Boys Bern – vom Verein gebilligt – vor dem eigenen Stadion aufstellte… fragwürdig von allen Beteiligten.

Harter und cleverer Kämpfertyp

Fußballerisch ist Stojkovic genau der Typ, den Rapid braucht. Er ist keiner der zurückzieht und ein Krieger auf dem Platz. Seine größte Stärke ist sein Defensivverhalten und aus Belgrad hört man immer wieder, dass es in den letzten Jahren kaum einen Spieler im Team gab, der seine Seite so gut zumachte wie Stojkovic. Dabei ist sein Zweikampfverhalten nicht nur hart, sondern auch clever: Stojkovic begeht nur wenige Fouls, schon gar nicht in gefährlichen Zonen, sieht selten Gelb, war in der serbischen Liga ein Meister des Tacklings. Beim Publikum hatte er wegen seines unermüdlichen Einsatzes schnell einen Stein im Brett.

Keine Rakete, aber sehr laufintensiv

Sein Laufspiel ist nicht unbedingt als explosiv, dafür aber als intensiv zu bezeichnen. Stojkovic schaltet sich gerne nach vorne ein, hinterläuft viel, agiert in hohem Maße mit intensiven Läufen. Er ist nicht der allerschnellste Spieler auf den ersten Metern, dafür aber einer, der sein Grundtempo hochhält, defensiv meist mehrfach überspielt werden muss und offensiv Gegner binden bzw. zurückdrängen kann. Die Arbeitsrate auf seiner Spielseite ist stets eine höhere, wenn er auf dem Platz steht.

Hochklassige Flanken, auch aus dem Halbfeld

Technisch präsentiert sich Stojkovic grundsolide, ohne für großes Spektakel zu sorgen. Sein Passspiel ist pragmatisch, sicher und präzise, sein Spiel ohne Ball bzw. sein Aufrückverhalten ebenfalls stark. Bekannt ist der Serbe zudem für seine Halbfeldflanken, die er mit äußerst viel Effet zur Mitte bringt und die als die Besten in der serbischen Liga galten. Während er weithin nicht als torgefährlich gilt, obwohl ihm von Trainingsbeobachtern ein guter rechter Fuß nachgesagt wird, gelangen ihm in 144 Ligaspielen in Serbien 22 Assists, was immerhin einem Assist pro sechs Spielen entspricht und somit auf lange Sicht eine gute Bilanz für einen Rechtsverteidiger ist.

Schwierige Positionsfindung im 3-5-2, wenn alle fit sind

Eine offene Frage ist jedoch, wie Stojkovic ins Konzept von Rapid passen wird, wenn alle Stammspieler fit sind. Gerade in einem 3-5-2-System ist dies fraglich, weil er hier praktisch nur auf der Schick-Position als rechter Flügelverteidiger auflaufen könnte. Auch die einstige Müldür-Position als rechter Innenverteidiger wäre für ihn denkbar und wäre wohl auch für das mangelhafte Aufbauspiel Rapids keine schlechte Idee, zugleich aber auch ein Experiment, das Kühbauer während der Saison wohl nicht wagen wird.

Stojkovic als Vorbote für die Viererkette

In einem 4-2-3-1/4-4-2 wäre die Position Stojkovic‘ allerdings klarer: Hier ist er ganz klar der Rechtsverteidiger in der Viererkette, auch wenn Schick wieder fit ist. Der Steirer würde dann ins Mittelfeld rücken, wobei eine Seite mit Stojkovic und Schick wohl zum Besten in der heimischen Bundesliga zählen würde, zumal die physische Komponente und die Aggressivität der beiden für jeden Gegner schwer zu bespielen und zu verteidigen wären. Das Ausweichen auf die linke Seite wäre für Stojkovic zwar möglich, gleichzeitig aber unwahrscheinlich, weil auch Stephan Auer noch da ist. Dieser ist künftig wohl einerseits Stojkovic‘ Backup, gleichzeitig aber auch eine Option im Falle eines Ullmann-Ausfalls. Zudem ist diese Variante derzeit die Wahrscheinlichste, weil Schick nach seiner Rückkehr sicher nicht fit genug sein wird, um die gesamte rechte Seite zu beackern und mehr Unterstützung brauchen wird als bisher.

Ein neuer Stabilitätsfaktor für weiterhin „unfertige“ Rapid

Dass der Stojkovic-Transfer für Kühbauer und Barisic Priorität hatte, ist auch ein klares Zeichen dafür, wo Rapid formativ hinwill: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass die Hütteldorfer für den Rest des Herbsts wieder primär auf eine Viererabwehrkette setzen werden. Einerseits wegen der Ausfälle, andererseits aber auch wegen der mangelnden Ausführung der Dreierkette in einigen der ersten Spielen. Angesichts der weiterhin eminenten Aufbauschwäche der Innenverteidigung und der Möglichkeit in einem System mit Viererkette die Stärken von Thomas Murg etwas besser ausnützen zu können, wird dies zum momentanen Zeitpunkt kein Fehler sein. Klar ist aber auch, dass der Kader derzeit – nicht nur wegen der Ausfälle – unfertig wirkt und relativ wenig Flexibilität zulässt. Speziell was die defensiveren Positionen und den Übergang vom ersten ins zweite Drittel betrifft.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen