Toranalyse zur 25. Runde der tipp3-Bundesliga | Dobras, Soriano, Boyd
Bundesliga 4.März.2014 Alexander Semeliker 0
In dieser Serie sollen jede Runde parallel zu den üblichen Spielanalysen ein paar Tore hinsichtlich der Entstehung, individueller Fehler oder taktischer Feinheiten genau untersucht und analysiert werden. In der Toranalyse zur 25. Runde nimmt abseits.at die Treffer von Kristijan Dobras (Wiener Neustadt), Jonathan Soriano (Red Bull Salzburg) und Terrence Boyd (Rapid Wien) unter die Lupe.
SV Scholz Grödig – SC Wiener Neustadt 0:1, Kristijan Dobras (7. Minute)
Heimo Pfeifenberger hat es in der Winterpause geschafft, dem SC Wiener Neustadt ein neues Gesicht zu verpassen. Anstatt passiv und tief in der eigenen Hälfte zu verschieben setzten die Niederösterreicher nun auf einen hohes Pressing. Doch nicht nur gegen das gegnerische Aufbauspiel zeigt dies Wirkung, auch nach Ballverlusten kommen sie mittlerweile sehr gut ins Gegenpressing. So ging auch der Führungstreffer beim 2:1-Auswärtssieg gegen den SV Grödig auf diesen Aspekt zurück.
Das Besondere an dieser Szene ist, dass es innerhalb weniger Sekunden gleich vier Gegenpressingaktionen gibt. Geschuldet ist das neben dem neuen Spielstiel der Wiener Neustädter auch der Philosophie des Teams von Adi Hütter. Im oben stehenden Bild sieht man, dass Grödig nach einer Kopfballabwehr sofort Druck auf den Ball ausübt und diesen erobert. Vier Akteure stehen in unmittelbarer Nähe des Balls, dahinter gibt es ausreichend Absicherung.
Grödig will nun schnell nach vorne umschalten, allerdings hält Wiener Neustadt gut dagegen. Auch sie orientieren sich nach Ballverlust umgehend nach vorne und gewinnen den Ball. Noch wichtiger sind aber die Bewegungen von Mario Pollhammer (blau) und Philipp Huspek (rot). Beide wollen sich perfekt für das Umschaltspiel ihres Teams positionieren und orientieren sich demnach nach vorne um in den durch den jeweils anderen geöffneten Raum zu gehen.
Der entscheidende Zweikampf ist nun hier zu sehen. Um den Ball herum herrscht ein dichtes Gedränge, vor allem Grödig hat sich sehr eng zusammengezogen. Wiener Neustadt gelingt es jedoch, sich daraus zu befreien und kann die Räume auf den Seiten ideal ausspielen. Pollhammer hat Zeit seine Hereingabe vorzubereiten, Kristijan Dobras bei deren Verwertung. Hätte Grödig in der oben zu sehenden Aktion den Ball gewonnen, wären die Rollen wohl vertauscht gewesen. Insofern eignet sich dieses Beispiel sehr gut dafür, das Risiko dieser Spielweise aufzuzeigen.
Red Bull Salzburg – SK Rapid Wien 1:0, Jonathan Soriano (10. Minute)
Das Topspiel der Runde zwischen Red Bull Salzburg und Rapid Wien war ein großes Spektakel, in dem sich die Gastgeber mit 6:3 durchsetzten. Matchwinner war einmal mehr Kapitän Jonathan Soriano, der drei Treffer erzielte. Aber auch Stefan Ilsanker bot eine starke Leistung und zeigte, dass er nicht nur seine Teamkollegen im Spiel nach vorne absichern kann, sondern auch selbst offensiv Glanzpunkte setzen kann. Ein Bespiel dafür ist das 1:0, bei dem er nicht nur den letzten sondern auch den ersten entscheidenden Pass spielte.
Eine besondere Charakteristik im Spiel der beiden Stürmer von Salzburg ist, dass sie tendenziell tiefer als ein übliches Angriffsduo agieren. Sie wandern nicht an der Abseitslinie, lassen sich aber auch nicht dauerhaft zurückfallen und übernehmen spielerische Aufgaben. Diese Spielweise macht die Zuordnung bei Pässen in den Zwischenlinienraum für die gegnerischen Innenverteidiger und Sechser enorm schwer. Genau so einen Pass spielt Ilsanker (blau) im obigen Bild.
Red Bull Salzburg hat drei Spieler zwischen den Linien des Gegners, unter anderem Soriano (gelb), der hier entgegenkommt, während sich sein Sturmpartner nach vorne orientiert. Diese gegenläufige Bewegung hat den Effekt, dass sich die Innenverteidiger kurzzeitig instinktiv zum eigenen Tor zurückziehen und Soriano dadurch Platz hat um sich zu drehen und auf den ausweichenden Sadio Mane (schwarz) zu spielen.
Hier sieht man die daraus entstehende Situation. Die beiden Innenverteidiger stehen zu zweit gegen den verbliebenen Stürmer, aber weit weg vom Ball bzw. von Soriano. Der Spanier ist also ohne nominellen Gegenspieler bzw. muss sich ein solcher erst finden. Dies ist der zweite wichtige Schritt in der Entstehung des Tores. Man erkennt, dass sich Soriano nach vorne orientiert, dementsprechend versucht Dominik Wydra (grün), Rapids rechter Sechser, den Passweg auf ihn zuzustellen, ihn aber nicht mannorientiert zu verfolgen. So könnte er auf eine etwaige andere Bewegung des Ballführenden reagieren. Eine durchaus gute Entscheidung also.
Dennoch bekommt er dadurch keinen Druck auf Mane, weshalb diese Aufgabe einem anderen Spieler zukommen muss. Aufgrund der nominellen Zuordnung gemäß Grundaufstellung könnte man meinen, dass hier Rapids Rechtsverteidiger den linken Flügelspieler attackieren müsste. Jedoch erkennt man, dass der Linksverteidiger der Bullen in hohem Tempo hinterläuft. Würde Trimmel herausrücken, hätte dieser viel Platz und wohl freien Weg zum Tor. Deshalb schiebt mit Thanos Petsos (weiß) der ballferne Sechser aus seiner Position – die Schlüsselszene, auf die wir später zurückkommen.
Ilsanker hat aufgrund dessen, dass der ballferne Flügelspieler und der Zehner nicht schnell genug nach hinten rücken, enorm viel Platz und kann ungestört einen anspruchsvollen, präzisen Schnittstellenpass auf Soriano spielen. Eine klare Schuldzuweisung, wie sie landläufig gerne gemacht wird, ist in dieser Situation jedoch schwierig. Dazu müsste man wissen, welche Strategie Rapid-Trainer Zoran Barisic in solchen Szenen vorgegeben hat.
Wollte man Zugriff und den Ballführenden unter Druck setzen, dann war Petsos‘ Rausrücken legitim und richtig und hätten die ballfernen Spieler schneller zurückweichen müssen. Sollte jedoch Stabilität und Defensivkompaktheit angestrebt werden, hätte der Grieche konservativer an die Sache rangehen müssen.
Red Bull Salzburg – SK Rapid Wien 2:1, Terrence Boyd (45+4. Minute)
Vor dem Spiel gab es viele Diskussion darüber, wie man das außergewöhnliche Spiel gegen den Ball von Red Bull Salzburg knacken könnte. Sollte man versuchen das Pressing mit schnellen Pässen zu umspielen? Sollte man es erst gar nicht dazu kommen lassen und lange Bälle spielen? Oder sollte man sogar versuchen, den Tabellenführer mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen und ebenfalls das Umschaltspiel forcieren? Beim zwischenzeitlichen 2:1 zeigte Rapid, dass man durchaus die Ambitionen hat, letztere Variante durchzusetzen.
In diesem Bild erkennt man, dass Rapid wie gewohnt schnell ins Gegenpressing kommen will. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht optimal. In der Nähe des Balls wird Rodnei (rot) zwar sofort von zwei Gegenspielern attackiert, dahinter fehlt jedoch die Absicherung, die in so einer Szene üblicherweise notwendig wäre. Mit dem Torhüter hat Red Bulls brasilianischer Innenverteidiger sechs Anspielstationen, die Rapid mit nur zwei Spielern – dem linken Flügelspieler und Dominik Wydra (blau) – zustellen müsste.
Theoretisch ein Ding der Unmöglichkeit, allerdings begeht Rodnei in dieser Situation den Fehler, nicht sicher nach hinten zu spielen, sondern will sich drehen. So spürt er sofort den Druck der beiden Gegenspieler und fabriziert einen Fehlpass. Aufgrund der gegebenen Überzahl und dem im Allgemeinen sehr starken Gegenpressing der Salzburger ist der folgende Ballgewinn für Rapid aber kein Selbstläufer.
Für die Gäste gilt es möglichst schnell zu spielen und die Räume ideal auszunutzen. Im obigen Bild sieht man, dass der zentrale Raum vor dem Strafraum noch immer eng ist. Dementsprechend gehen die beiden Flügelspieler nach außen, womit sie die Abwehrkette des Gegners auseinanderziehen wollen. Auch hier nimmt Rodnei eine wichtige Rolle ein. Er ist offensichtlich unentschlossen, ob er zur Seite rücken oder Terrence Boyd (gelb) übernehmen soll.
So gibt es kein klares Übergeben des US-Amerikaners an seinen Mitspieler und Boyd kann sich drehen. Er spielt einen Pass auf den in die Tiefe startenden Wydra und köpft nach dessen vergebenen Torschuss zum Anschlusstreffer ein. Entscheidend ist auch hier das Tempo, in dem Rapid agiert.
Wie man im obigen Bild nämlich sieht, hat es Red Bull geschafft, binnen kürzester Zeit in großer Überzahl um den Ball herum zu sein. Eine technische Unsauberkeit oder zu langes Warten beim Abspiel und der Ball wäre verloren. Genau darin liegt die Schwierigkeit in den Spielen gegen die Salzburger. In einzelnen Szenen mögen diese entscheidenden Punkte gutgehen, über die gesamte Spieldauer scheint es für eine österreichische Mannschaft aber aktuell unmöglich gegen dieses Spiel bestehen zu können.
Alexander Semeliker, abseits.at
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