Transfers erklärt: Darum wechselte Marc Rzatkowski zu Red Bull Salzburg
Bundesliga 7.Juli.2016 Alexander Semeliker 0
Nach dem historischen Dreifach-Double gilt Red Bull Salzburg auch in der kommenden Saison als größter Favorit auf die beiden wichtigsten Titel im österreichischen Fußball. Das liegt vor allem daran, dass sie im Sommer bisher mächtig aufrüsteten. abseits.at wirft einen genauen Blick auf die Sommerneuzugänge des Titelverteidigers.
Nachdem wir uns in den bisherigen Teilen dieser Serie mit dem Wechsel von Stefan Stangl sowie jenen von Munas Dabbur und Fredrik Gulbrandsen beschäftigt haben, sehen wir und in diesem Artikel jenen von Marc Rzatkowski. Wie bereits die anderen Neuzugänge wird auch er die taktischen Möglichkeiten von Trainer Oscar Garcia vergrößern.
Umfunktionierter Offensivspieler
Rzatkowski kommt vom FC St. Pauli aus der zweiten deutschen Bundesliga, wo er zu den besten zentralen Mittelfeldspielern zählte. Der kicker zeichnete ihn in seiner halbjährlichen Rangliste sogar als herausragenden defensiven Mittelfeldspieler im Frühjahr aus. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil der Blondschopf eigentlich ein offensiver Spieler ist. Sowohl bei seinen ersten Profistationen in Bielefeld und Bochum als auch während den ersten beiden Jahren am Millerntor wurde Rzatkowski quasi ausschließlich im offensiven Mittelfeld eingesetzt.
Während er bei der Arminia in den meisten Fällen als Zehner agierte und beim VfL Bochum als linker Mittelfeldspieler, war er bei St. Pauli zwar ebenfalls auf Anhieb Stammspieler, bekleidete aber keine klare Position. Mal spielte er links im Mittelfeld, dann wieder rechts oder im Zentrum.
Ebenfalls markant beim Überfliegen seiner Einsatzdaten ist, dass er sich in den letzten Jahren vom Vorbereiter hin zu einem Vollstrecker entwickelte. Bei Bielefeld (4 Tore/11 Assists), Bochum (3/11) und im ersten Jahr in Hamburg (2/6) verbuchte er stets mehr Vorlagen als Treffer. In den letzten beiden Saisonen war es zusammen 10 Tore und 6 Vorlagen.
Diese Vielseitigkeit könnte ein Grund dafür gewesen sein, dass sich die Salzburger für ihn entschieden, denn Garcia betonte immer wieder, dass er sein Team variabel aufstellen wolle. Der Kader der Bullen ist zwar qualitativ und quantitativ sehr breit aufgestellt, wodurch dieses Ziel theoretisch also auch mit einem personellen Wechsel erreicht werden könnte. Darunter könnte allerdings die Abstimmung leiden, denn jeder Spieler hat seine eigenen grundsätzlichen Verhaltensmuster, die in aller Regel unabhängig von der jeweiligen Position sind, auf der man zum Einsatz kommt.
Weiträumiges, flexibles Anbieten
Ein wesentliches Merkmal des Stils von Rzatkowski ist, dass er ein Spieler ist, der sich sehr viel bewegt. Er bietet sich weiträumig und äußerst flexibel an. Je nach Situationen bewegt er sich zum Ball, um ihn zu fordern und das Spiel anzutreiben oder Räume für seine Mitspieler zu öffnen, positioniert sich zwischen den gegnerischen Linien, um Kombinationen einzugehen oder läuft in die Tiefe um das Spiel zu strecken.
Diese Vielseitigkeit ist ein Grund dafür, dass Rzatkowski ein ausgezeichneter Kombinationsspieler ist. Ein weiterer Grund ist seine gute Technik und Handlungsschnelligkeit. Er hält den Ball nur dann länger, wenn es die Situation verlangt. Ansonsten wird er nach wenigen, schnellen Kontakten sofort abgegeben und Rzatkowski läuft sich umgehend frei. Betrachtet man das im Kontext zu Salzburgs Spiel, dann passt also auch dieser Aspekt sehr gut zu den Mozartstädtern. Lediglich die Position, auf der man ihn am besten einsetzt, lässt noch Fragen offen.
Starke Leistungen trotz unpassender Einbindung
Beim FC St. Pauli spielte Rzatkowski in der letzten Saison nominell auf der Sechser- bzw. Achterposition, interpretierte diese Rolle aufgrund seiner Spielweise aber sehr vielseitig. An seiner Seite spielte Enis Alushi, ein sehr dominanter tiefer Spielmacher. Der 30-Jährige war der Ballmagnet im Zentrum und leitete den Spielaufbau mit seinen strukturierenden, weiträumigen Pässen.
Generell waren die Strukturen für ein kleinräumiges Kombinationsspiel bei den Kiez-Kickern kaum gegeben, sodass Rzatkowski seine primären Stärken selten dauerhaft einbringen konnte. Als der 26-Jährige noch im offensiven Mittelfeld agierte, war er es, der den Rhythmus bestimmte – mit seinen Dribblings, Pässen und Freilaufbewegungen. Mit Alushi als dominierenden Pol im Spielaufbau war dies nur selten möglich.
Zudem wurde eine auffälligere Rolle dadurch gehemmt, dass Rzatkowksi kein Spieler ist, der den Ball am Fuß nach vorne trieb. Er fokussierte sich, wie bereits erwähnt, auf kurze Ballbesitzzeiten. Dass er dennoch auch medial dermaßen gut wegkommt, spricht für seine Fähigkeiten dann Entscheidendes zu zeigen, wenn er die Möglichkeit dafür bekommt.
Problempunkt „Räume verteidigen“
Auch im Spiel gegen den Ball gab es das eine oder andere Problem, wenn Rzatkowski nominell im defensiven Mittelfeldzentrum spielte. Er schob im hohen Pressing meist in den Zehnerraum vor, was mit dem ebenfalls aufrückenden Zehner für eine 4-1-3-2-Ordnung sorgte. Das bedeutete, dass der Sechser viel Raum alleine abdecken musste und man gerade in den Halbräumen anfällig war. Demensprechend sollten die ersten beiden Linien dafür sorgen, dass der Gegner nicht direkt dorthin spielen konnte.
Dies gelang allerdings nicht immer, wobei Rzatkowski einen durchaus wichtigen Anteil daran hatte. Er ließ sich nämlich oft aus seiner Idealposition herausziehen, sodass der Gegner schnell durch die erwähnten Kanäle spielen konnte. Auch im Pressing in der eigenen Hälfte, bei dem Rzatkowski tiefer blieb, sah man bei ihm, dass er defensiv anfällig ist, wenn sein Team nicht aus der Organisation heraus verteidigen konnte. So sah man bei ihm vor allem Mängel im Verteidigen von Räumen, wenn die erste Pressinglinie überspielt wurde. Er rückte dann zuweilen überstürzt raus, nutzte seinen Deckungsschatten nicht effizient, sodass es Lücken im wichtigen Sechserraum gab.
Möglichkeiten abseits des defensiven Mittelfelds
Plant Red Bull Salzburg also mit ihm im defensiven Mittelfeld, wird es unumgänglich sein, ein Konzept zu entwickeln, das derartige Fehlverhalten auffängt. Als Notfallplan bieten allerdings sowohl Rzatkowski als auch der restliche Kader andere Möglichkeiten, den Neuzugang einzugliedern. Er könnte zum Beispiel im 4-3-1-2, das man letzte Saison häufig sah, die Rolle des abgewanderten Naby Keita als dynamischer, kleinräumiger und kombinationsaffiner Zehner übernehmen. Auch die Besetzung einer der äußeren Mittelfeldpositionen in einer 4-4-2-Formation würde zum Fähigkeitsprofil des Deutschen passen.
Eine andere Option wäre, dass er in einem 4-3-3 als spielstarker Flügelspieler eingesetzt wird oder in derselben Ordnung eine der beiden Achterpositionen einnimmt. Letzteres verbaut zudem nicht den Platz eines weiteren spektakulären Neuzugangs, den wir in einem der kommenden Artikel unserer Serie unter die Lupe nehmen werden.
Alexander Semeliker, abseits.at
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