„Trial and Error“: Darum dürfte Lucas Venuto bei Austria Wien einschlagen
Bundesliga 13.Februar.2016 Alexander Semeliker 0
Die Wiener Austria erwischte ergebnistechnisch einen optimalen Start in das Frühjahr. In der Liga gewann man das unangenehme Auswärtsspiel beim SV Grödig, im Cup schaltete man Erste-Liga-Topklub LASK Linz aus – jeweils mit 1:0. Ein Neuzugang wusste dabei besonders zu imponieren: Lucas Venuto.
Während die Austria im Sommer personell stark umgekrempelt wurde, nahmen die Verantwortlichen im Winter nur punktuelle Umstellungen vor. Philipp Zulechner, der trotz guter individualtaktischer Bewegungen nicht passend eingebunden werden konnte, wurde abgegeben und mit Venuto ein neuer Flügelspieler geholt. Gemeinsam mit dem Verbleib von Alexander Gorgon könnte die Austria so eine enorm starke Flügelzange haben und eine neue Facette ins Spiel aufnehmen – das Chaos.
Neue, aktivere Rolle
Für Venuto war der Wechsel von Grödig nach Wien wohl nicht nur aufgrund des Umfelds eine große Umstellung. Die Ausrichtung der beiden Teams unterscheidet sich nämlich schon in den Grundsätzen. Während die Salzburger unter Peter Schöttel äußerst passiv agieren und auf Konter lauern, ist die Austria unter Thorsten Fink bemüht den Gegner über den Ballbesitz zu beherrschen.
Dieser Umstand schlägt sich sofort in einigen Daten nieder. So spielte der Brasilianer in seinem ersten Spiel im violetten Dress 35 Pässe. Das liest sich zunächst nicht besonders beeindruckend, war aber um zwei Drittel mehr als durchschnittlich bei Grödig. Durch die ballfokussierte Spielweise der Austria kommen bei Venuto nun auch die Qualitäten zum Vorschein, die er in Grödig aufgrund der Konterstrategie nicht häufig zeigen konnte.
Kleinräumiger Dribbler
Schöttel nutzte vor allem die Schnelligkeit des Flügelspielers, wobei das wohl nicht einmal die Disziplin ist, in der er am besten ist. Schon beim FC Liefering fiel er vielmehr durch seine kleinräumigen, äußerst explosiven Bewegungen auf. Lange, verlagernde oder bremsende Pässe sieht man von ihm so gut wie nie. Er ist immer in Bewegung. Hat er den Ball sucht er entweder sofort das Dribbling oder spielt zum nächsten Mitspieler und läuft sich dann frei. Die nachstehende Grafik zeigt diese beiden Charakteristiken.
Ein treffendes Beispiel für dieses Verhalten sah man bei Gorgons Großchance in der ersten Hälfte. Venuto bekam auf der Seite den Ball, zeigte eine kleine Körpertäuschung, spielte einen Pass auf den ausweichenden Larry Kayode und bewegte sich prompt in die Tiefe. Nachdem dieser aber nicht den Doppelpass mit ihm spielte, unterbrach Venuto seinen Sprint und bewegte sich zurück. Er stand dabei aber stets so, dass er nach einem Zuspiel sofort wieder für Dynamik sorgen hätte können.
Hohe Reaktionsschnelligkeit
Eine weitere Charakteristik, die in seinem Spiel – wohl auch aufgrund seiner Physis – auffällt, ist seine hohe Reaktionsstärke. Auch dafür sah man im Spiel gegen Grödig ein passendes Beispiel, nämlich seine Torschussvorlage für Kayode gleich nach dem Seitenwechsel. Roi Kehat verlängerte einen Abschlag mit dem Kopf eigentlich nicht ideal. Der Ball schien direkt auf den Gegenspieler zu gehen, doch Venuto schafft es dank seiner Antrittsstärke nicht nur den Ball unter Kontrolle zu bringen, sondern den Grödiger zu umspielen und Kayode anzuspielen. In diesem Bild sieht man die beschriebene Szene.
Man erkennt, dass Venuto bereits in Bewegung ist während sein direkter Gegenspieler erst in diese kommen will. Diese enorme Reaktionsschnelligkeit ist, wie erwähnt, auch auf die physische Veranlagung Venutos zurückzuführen. Während sein Gegenspieler mit dem ersten Schritt noch nicht einmal fertig ist, hat er selbst bereits deren zwei gemacht, hat somit bereits Tempo aufgenommen und ist einer besseren Balance. Zum Zeitpunkt des obigen Bilds erkennt man zudem, dass Venuto sich bereits in Richtung des Balls bewegt, während der Mittelfeldspieler Grödigs noch die Richtung wechseln wird.
„Trial and Error“
Die genannten Eigenschaften – ständige Bewegung und Reaktionsstärke – macht sich Venuto auf eine ganz interessante Art und Weise zunutze und unterscheidet sich damit auch grundsätzlich von seinem Vorgänger. Zulechner ist ein Spieler, bei dem man das Gefühl hat, er versucht sich immer taktisch richtig zu verhalten und sich dabei auf die scheinbar einfache Dinge beschränkt. Das führt dazu, dass man von ihm kaum spektakuläre Aktionen sieht.
Bei Venuto ist dies anders. Der 21-Jährige versucht es vielmehr mit nach dem „Trial and Error“-Prinzip, seine Bewegungen wirken chaotischer. Trifft er eine falsche Entscheidung oder verliert er den Ball, macht er das mit seiner überlegenen Dynamikfähigkeit wett. Auch hierfür sehen wir uns ein Beispiel an.
Venuto bekommt am ballfernen Flügel den Ball. Anstatt ihn auf den hinterlaufenden Mitspieler weiterzugeben, entscheidet er sich zur Mitte zu dribbeln, wo allerdings unmittelbar drei Gegenspieler sind. Er verliert die Kontrolle über den Ball, läuft aber sofort den Gegenspieler an, sodass dieser nicht klären kann. Der Ball kommt damit wieder zur Austria und kurze Zeit später zappelt der Ball im Netz.
Auch in dieser Folgeaktion kommen Venutos dynamischen Eigenschaften wieder zum Vorschein. Obwohl er sich eigentlich gut im Zwischenlinienraum positioniert hatte, wird er von seinem Mitspieler nicht angespielt. Stattdessen flankt dieser zur Mitte. Dort kann keiner den Ball unter Kontrolle bringen, Venuto schnappt ihn sich und zieht sofort ab. Den Abpraller konnte Kevin Friesenbichler dann verwerten. Vielleicht sind es gerade diese kleinen chaotischen Phasen von Venuto, die dem sonst so penibel auf taktische Korrektheit achtenden Fink-System die nötige Dynamik einhaucht.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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