Verdientes 2:2 in flottem Derby: Wiener Großklubs wecken sich gegenseitig auf, ohne zu siegen
Bundesliga 24.August.2014 Daniel Mandl 0
Das 310. Wiener Derby zwischen der Austria und Rapid endete 2:2. Die Austria erwischte im Aufeinandertreffen der Erzrivalen einen Blitzstart, doch Rapid kämpfte sich ins Spiel zurück bzw. konnte sogar die Herrschaft über das Spiel zurückgewinnen. Was folgte war ein offener Schlagabtausch mit zahlreichen, knallharten Szenen – und am Ende ein leistungsgerechtes und verdientes 2:2. abseits.at analysiert ein ansehnliches, flottes Derby.
Vor dem Spiel befürchteten viele Fans, ob der angespannten Lage bei beiden Vereinen ein Duell „Not gegen Elend“. Doch weit gefehlt: Beide Teams suchten durch Kampf den Weg aus der Krise, was ein aggressives, hartes, aber nie gehässiges Derby zur Folge hatte. Das offene Visier, mit dem beide Teams zu Werke gingen, ermöglichte zudem einige schöne Spielzüge und Passstafetten, die bewiesen, dass sowohl die Austria, als auch Rapid individuell nicht so schlecht aufgestellt sind, wie es die Tabelle derzeit widerspiegelt – trotz all der gruppentaktischen und konzeptionellen Probleme, die zweifelsohne beiderseits bestehen.
Blitzstart violett
Die Austria ging bereits nach 17 Sekunden mit 1:0 in Führung und nützte das Momentum, um die gesamte Mannschaft in eine hohe Feldposition zu hieven und Rapid weiter unter Druck zu setzen. Rapid reagierte nur – und das sichtlich geschockt, angesichts des Horrorstarts. Dies war eine von zwei Phasen im Spiel, in denen die Austria Rapid „erwischen“ hätte können. Doch weil die Austria in dieser Phase gegen eine Rapid-Mannschaft, die sich erst sammeln musste, zu wenige klare Torchancen herausspielte, blieb es vorerst beim 1:0.
Austrias Spielweise kommt Rapid entgegen
So fand Rapid wieder ins Spiel. Die Hütteldorfer kämpften sich sehr aggressiv wieder auf ein brauchbares mentales Level und hatten dabei das Glück, dass die Veilchen sich nicht nur stur zurückzogen, um zu sehen, was Rapid offensiv anzubieten hatte, sondern selbst auf das zweite Tor spielten. Über die gesamte Spieldauer kam auch die Spielanlage der Wiener Austria den Grün-Weißen entgegen, zumal sie das Gegenteil dessen darstellte, mit dem Altach, HJK Helsinki und Co. Rapid den Zahn zogen.
Rapid findet über Flügel und Halbpositionen zurück ins Spiel
Die Austria beschränkte sich nicht nur aufs Verteidigen und versuchte aktiv das Spiel wieder in die eigenen Hände zu bekommen. Dadurch verlor die Baumgartner-Elf an Kompaktheit und die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen wurden zu groß. Rapid fand dadurch in Ballbesitz immer wieder Möglichkeiten vor, sicheres Kurzpassspiel und vor allem einige Spielverlagerungen aufzuziehen. Speziell die Abstände zwischen den Außenverteidigern und Flügelspielern der Austria waren so groß, dass Rapids einrückende Mittelfeldspieler Kainz und Schaub sehr aktiv wirkten und Räume vorfanden. Der Offensivdrang von Schrammel und Pavelic trug ebenfalls einiges dazu bei, dass Rapid die Kontrolle über das Spiel gewann. Speziell Jens Stryger Larsen hing durch Rapids Dynamik an den Flügeln zu häufig in der Luft.
Behrendt und Petsos nicht genug unter Druck gesetzt
Während Rapid die Flügel mit Dynamik bespielte, fehlte es in der Mittelfeldzentrale an selbiger. Ein entscheidender Aspekt „zugunsten“ der Austria hätte Brian Behrendt sein können: Eine cleverere bzw. sicherere Mannschaft hätte wohl dafür „gesorgt“, dass der defensive Mittelfeldspieler Rapids, dessen Arbeitstag schon mit dem kapitalen Patzer vor dem 0:1 bescheiden begann, mit Gelb-Rot vom Platz fliegt. Behrendt wurde in zahlreiche Zweikämpfe verwickelt, ersparte sich jedoch die wichtigen Schnittzweikämpfe und kam so mit einer Leistung über die Runden, die aufgrund des hohen physischen Aufwands von wenig Esprit und Ideen am Ball geprägt war. Ähnliches traf auf den einmal mehr trägen Thanos Petsos zu, der vom offensiven Mittelfeld der Austria zu wenig bespielt bzw. gepresst wurde.
Passives, aber gutes Pressing Rapids bis zur Pause
Apropos Pressing: Die Hütteldorfer zeigten im Zuge ihrer besten Saisonleistung auch das bisher beste (Gegen-)Pressing in der Spielzeit 2014/15. Dabei war dieses eher passiv und bestand daraus, mögliche Anspielstationen der Austria und Räume für Kurzpässe schon in hohen Feldpositionen zuzustellen. Es ging nicht so sehr ums Attackieren, sondern um das richtige Einschätzen von möglichen Aufbauwegen der Austria, die die Fehler dann selbst machten – ohne, dass Rapid aktiv viel dazu beitragen musste. Diesen passiven Druck, gepaart mit Ballsicherheit in der Offensive behielt Rapid von Minute 15 bis Minute 45 bei und kam dadurch auch zum verdienten Ausgleich, dem eine schöne Einzelaktion von Louis Schaub vorausging. Robert Beric besorgte mit einem platzierten Schuss ins lange Eck das 1:1.
Auf eine Pattstellung folgt die zweite „heikle Phase“ für Rapid
Nach der Pause wurden die Karten neu gemischt und die Teams versuchten die Dominanz erneut über Kampf zurückzuerlangen. Vorerst mündete dies in einer Pattstellung, auch weil Rapid defensiv keine Gefangenen machte und den Ball oft klärte, anstatt nach Ballgewinnen kontrolliert hinten heraus zu spielen. Dadurch wirkte die Partie zeitweise etwas zerfahren. Der Handelfmeter für die Austria läutete eine neue Phase im Spiel ein – nämlich die zweite, in der die Austria den Sack hätte zumachen können. Durch die ersten Wechsel verlor Rapid beim Stand von 1:2 den Spielfluss und überließ offensiv wieder etwas mehr dem Zufall. Zudem musste das Auswärtsteam aufmachen, was der Austria Konterchancen ermöglichte.
Austria geht mit 2:1 nicht clever genug um
Diese Konter spielten die Gastgeber aber nicht zielgerichtet zu Ende und so blieb das Spiel ausgeglichen und auf Messers Schneide. Weiterhin spielte die Spielweise der Austria Rapid in die Karten. Die Führung wurde gerade in der Schlussphase nicht abgebrüht genug nach Hause gespielt, die Abstände wurden weiterhin zu groß gehalten und Rapid konnte sogar immer wieder – trotz Rückstandes – die Flügel überladen. Es hätte der Austria in dieser Phase besser gestanden, etwas destruktiver zu spielen, weniger Dominanz im zweiten Drittel zu suchen, dafür aber eine der vielen Kontermöglichkeiten sauber zu Ende zu spielen. Natürlich wäre die Partie mit einem 3:1 der Veilchen entschieden gewesen…
Leitgebs Katastrophenschnitzer leitet 2:2 ein
Je mehr gewechselt wurde, desto instabiler wurde Rapid und so war es ein Fehler eines Spielers, der im Sommer beinahe zu Rapid wechselte, der den leistungsgerechten Endstand einleitete. Mario Leitgebs Spielerei nahe der eigenen Grundlinie rief Thomas Schrammel auf den Plan und dessen Maßflanke verwertete Stefan Schwab, der dem Spiel Rapids nach seiner Einwechslung durchaus Präsenz verlieh, mit großem Willen und der in letzter Zeit so viel gescholtenen Durchschlagskraft.
Gegenseitig aufgeweckt, ohne sich so richtig weh zu tun
Die Austria steht damit nach sechs Bundesligarunden noch immer ohne vollen Erfolg da, während Rapid das 2:2 auch aufgrund des etwas kuriosen Spielverlaufs als gewonnenen Punkt feiern darf. Was die kämpferische Linie angeht, haben sich die beiden Wiener Großklubs in diesem Derby gegenseitig aufgeweckt, ohne dass ein Sieger aus dem 310. Wiener Derby hervorging. Die kampfstarke, aggressive Herangehensweise beider Teams muss sowohl für Grün-Weiß, als auch für Violett in den nächsten Wochen und Monaten als Gradmesser herhalten, nachdem beide Mannschaften zuletzt immer wieder mit blutleeren Darbietungen aufwarteten.
Völlig anderes Spiel am Donnerstag gegen HJK Helsinki
Die Leistung Rapids war sicher nicht durchwegs zufriedenstellend und unter anderem von zu vielen technischen Fehlern auf der Zentralachse geprägt, sollte aber dennoch Selbstvertrauen für die wichtige Aufgabe gegen HJK Helsinki am kommenden Donnerstag geben. Da wartet aber eine völlig andere Partie auf den Europacupstarter, denn HJK wird Rapid wesentlich weniger Räume offenbaren. Was man neben der Einstellung aber auch ins Spiel gegen HJK mitnehmen kann bzw. sogar muss, ist das durchaus ansehnliche Pressing und Gegenpressing, durch das Rapid in der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit wieder ins Spiel fand.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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