Nach 298 Pflichtspielen für den SK Rapid muss sich Helge Payer im Sommer eine neue Herausforderung suchen. Der Vertrag des 32-Jährigen wird aus rein... Vertragsende im Sommer 2012: Helge Payer und Rapid – oder wie man alle Facetten einer Beziehung durchleben kann

Nach 298 Pflichtspielen für den SK Rapid muss sich Helge Payer im Sommer eine neue Herausforderung suchen. Der Vertrag des 32-Jährigen wird aus rein sportlichen Gründen nicht mehr verlängert und Rapid lässt einen Spieler ziehen, der mit seiner Art, seinen Leistungen, aber auch seinem Bezug zum Klub selbst immer wieder polarisierte. abseits.at geht auf Spurensuche, wieso die Liebesbeziehung Payer-Rapid im Sommer 2012 endet.

Der 10.Oktober 2001: Als Helge Payer in Bregenz erstmals zwischen den Pfosten des Rapid-Tores stand, spielte der Rekordmeister noch mit Libero und einem 3-6-1-System. Die Zeiten der Viererkette waren noch nicht gekommen. Payer spielte ein passables Debüt, saß jedoch drei Tage später, beim Heimspiel gegen Austria Salzburg wieder auf der Bank. Bis sich der tschechische Keeper Ladislav Maier, einer der besten Rapid-Torhüter der Neuzeit, kurz vor der Halbzeit schwer am Knie verletzte. Payer wurde noch vor der Pause für Maier eingewechselt und hielt seinen Kasten beim 1:0-Sieg sauber. Weitere fünf Tage später musste der damals 22-Jährige gegen Paris St.Germain im Prinzenparkstadion Lehrgeld bezahlen, viermal hinter sich greifen – nicht schuldlos.

Superleistungen für Klub und Team

Payer hatte in der Zeit einer grün-weißen Krise kaum Druck, konnte sich langsam und in Ruhe an die Kampfmannschaft heranpirschen. In der Saison 2002/03 lieferte er starke Leistungen, wurde mit seinem ersten Länderspiel im Juni 2003 belohnt. Eine Saison später wurde Payer zum Publikumsliebling, spielte eine grandiose Saison 2003/04 und wurde 2004/05 mit ebenso starken Leistungen Meister mit dem SK Rapid. Am 26.März 2005 spielt Payer seine wohl beste Partie: Beim 2:0-Auswärtssieg des Nationalteams in Wales hat Payer seine Sternstunde und verhilft dem Team mit fantastischen, teilweise fast unrealistischen Paraden zum Auswärtssieg.

Schwacher Herbst 2006 als Umschwung

An ein mögliches Tormannproblem denkt bei Rapid niemand. Payer pushte sich in der Meistersaison 2004/05 auch aufgrund des verschärften Konkurrenzkampfes mit dem kurzfristig verpflichteten Jürgen Macho zu Höchstleistungen. Das Duell mit dem zwei Jahre älteren Macho entschied der Welser klar für sich. Auch 2005/06 präsentierte sich der Rapid-Keeper stark, doch mit der Saison 2006/07 kam der abrupte Umbruch in den Leistungen Payers. Ein schwacher Herbst 2006 genügte, um Payers (sportliches!) Ansehen bei den traditionell kritischen Rapid-Fans zu spalten. Fürchterliche Leistungen in Heimspielen gegen Pasching und Ried, immer größere Verunsicherung bei Flanken (die nie zu Payers Spezialitäten zählten)… Payer war nicht mehr unumstritten, sorgte zudem mit trotzigen Interviews für Unruhe. Er wolle sich „die Reaktionen der Fans merken“. Eine halbgare Kampfansage, in Wahrheit aber der Beginn dessen, was Payer in den kommenden Jahren zu einer umstrittenen Figur der grün-weißen Bühne machen sollte: Unfähigkeit zur Selbstkritik.

Starke Meistersaison, schwere Erkrankung

2007/08 sah zwischendurch alles wieder anders aus. Rapid wurde unerwartet Meister, Payer absolvierte alle 36 Ligaspiele, hielt vier von fünf Elfmetern und durfte zu Saisonende das zweite Mal den Meisterteller stemmen. Alles deutete darauf hin, dass der temporär angezählte Rapid-Torhüter wieder den Weg in die gerade Bahn findet. Doch im Mai 2008 machte ihm wenige Wochen vor der Europameisterschaft, bei der Payer als Mitglied der Hickersberger’schen Meistermannschaft gute Chance auf Einsätze gehabt hätte, sein Körper einen neuerlichen Strich durch die Rechnung. Ein Venenverschluss im Darmbereich zwang Payer zu einer längeren Pause. Es sollte eine Pause der Ungewissheit werden, denn anders als bei „klassischen“ Fußballerverletzungen war unklar, wie lange der Torhüter ausfallen würde. Darüber hinaus erwies sich die Erkrankung als tückisch und äußerst gefährlich, wodurch unklar war, ob Payer überhaupt jemals wieder zwischen den Pfosten stehen würde.

Payer verunsichert, Fans wollen Leistung

Neun Monate nach seiner Erkrankung gab Payer sein Bundesliga-Comeback gegen Red Bull Salzburg. Doch der heute 32-Jährige wurde nie wieder der Alte. Die Angst vor einem gesundheitlichen Rückfall war spürbar, Insider berichteten, dass Payers Rückkehr ins Rapid-Tor seine unglaubliche Willenskraft bewies. Auch ein sofortiges Karriereende wäre angesichts der Gefährlichkeit der Venenthrombose nicht unerwartet gewesen. Die Öffentlichkeit blendete die Begleiterscheinungen aus, wollte nur Leistung sehen. Und die brachte Payer nicht mehr.

Konkurrenzkampf

Es folgte ein mittlerweile drei Jahre dauernder Krampf. Richtig zufrieden wurde dabei niemand. Die Verantwortlichen bemerkten Payers schwache Leistungen natürlich, nahmen ihn trotzdem zärtlich an der Hand, um ihn wieder in die Spur zu führen. Inzwischen musste sich der sonst gesetzte Torhüter dem Konkurrenzkampf mit seinem späteren Tormanntrainer Raimund Hedl und den Talenten Andreas Lukse und Lukas Königshofer stellen. Viele Fans hatten ihren Buhmann inzwischen gefunden, denn die Wirkung von Payers ohnehin schwachen Leistungen wurde durch seine augenscheinliche Selbstüberschätzung verstärkt.

Keinerlei Selbstkritik

Payer manövrierte sich nun immer wieder ins Abseits. Beim harten Kern der Rapid-Fans aufgrund seiner öffentlichkeitswirksamen Außendarstellung (Stichwort: Mit einer Bengale vor die Westtribüne, um eine Lanze für Pyrotechnik zu brechen) verehrt, schoss sich vor allem die breite Masse immer mehr auf den Keeper ein. Jeder Fehler zählte doppelt, der langjährige Ruf des vereinstreuen Dauerbrenners war für viele dahin. Einige Fans fanden in der Art Payers ein ungesundes Maß an Egomanie, das dieser jedoch auch immer wieder bekräftigte. So etwa nach dem Cup-Halbfinale bei der SV Ried am 4.Mai 2011. Rapid gab eine 1:0-Führung in den letzten 20 Minuten aus der Hand und erreichte das Cup-Finale gegen Austria Lustenau nicht. Bei beiden Gegentoren war Helge Payer schnell als Hauptschuldiger ausgemacht. Doch der Rapid-Keeper sah seine Schuld nicht ein, patzte seine Abwehr noch im Bus nach Hause an, indem er zum Rundumschlag auf seiner Homepage ausholte.

Schmaler Grat in der Außendarstellung

Es war nicht die einzige Kontroverse rund um Payers Fähigkeit zur Selbstkritik. Der Torwart hätte sein Leben beim „ungeduldigen Gesamtpaket“ SK Rapid Wien gemütlicher gestalten können, indem er seine Fehler immer gleich zugegeben und sich nicht an anderen, hauptsächlich jüngeren Spielern abgeputzt hätte. Der vor Ehrgeiz und Stolz strotzende Payer brachte dies jedoch nicht übers Herz. Ein schmaler Grat, denn wenn’s läuft, dann kann eine solche Vorgehensweise durchaus populär sein und positiv-kämpferisch wirken. Wenn’s jedoch nicht läuft und die negativen die positiven Eindrücke überlagern, wandert man stets am Rand zum Eigentor. Einsicht und relativierende Interviews kamen zu spät – Payers Vertrag wurde nicht verlängert.

Wohin zieht es Payer?

Die nächsten Monate werden für Payer die schwersten seit seiner langwierigen Krankheitspause sein. Nach einem Leben für den SK Rapid muss sich der Oberösterreicher eine neue Herausforderung suchen und es wird bereits jetzt gerätselt, wie diese aussehen könnte. Stellt sich Rapid-Aushängeschild Helge Payer bei einem anderen heimischen Bundesligaklub ins Tor? Oder wagt der Torhüter, dessen Karriere bereits an einem seidenen Faden hing, den Sprung ins Ausland? Fest steht, dass Payers Beziehung zum SK Rapid nachhaltig ist und die Öffentlichkeit nach seinem Abgang summa summarum an die positiven Zeiten einer langen Karriere in Grün-Weiß denken wird. Ganz zu schweigen vom hohen Standing, das Payer bei Vereinsmitarbeitern, Mitspielern und einigen Fans hat und immer haben wird. Helge Payer wurde mit Rapid zweimal österreichischer Meister, erreichte die UEFA Champions League und wurde zweimal von den Fans zum Rapidler des Jahres gewählt. Eine offizielle Verabschiedung durch den Verein ist noch ausständig, wurde jedoch bereits angekündigt.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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