Nach der äußerst durchwachsenen Spielzeit stehen die Zeichen in Wien-Favoriten auf Veränderung. Die Verantwortlichen der Austria kündigten in den letzten Wochen bereits einen großen Umbruch in der Mannschaft an und scheinen ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. Die ersten Verpflichtungen werden bereits eingetütet, weitere zum Teil unerwartete Abgänge werden hinzukommen und das Transferkarussell der Violetten zum Glühen bringen. Daher wollen wir uns auch etwas näher mit dem Kader der Austria beschäftigen und einen Blick auf die Problemzonen richten, wo man noch dringend Verstärkungen braucht und in welchen Bereichen man bereits gut aufgestellt ist.
Nahezu eine gesamte Startelf verabschiedet sich
Nachdem man sich bei der Austria die letzten Wochen augenscheinlich bereits von der Liga quasi in den Urlaub verabschiedet hat, tritt bei den Violetten die Planungen für die neue Saison nun in eine heiße Phase ein. Zahlreiche Entscheidungen müssen getroffen werden, sei es für welche Neuverpflichtungen man sich entscheidet oder welche Spieler nach dieser Seuchensaison im runderneuerten violetten Stadion die Chance erhalten, auch weiterhin das Trikot der Austria tragen zu dürfen. Nicht weniger als bei elf Spielern ist die Zukunft ungewiss und muss eine Entscheidung getroffen werden. Die meisten sind auch bereits gefällt worden – so verlassen u.a. die beiden Leistungsträger Holzhauser und Pires die Austria fix und hinterlassen ein qualitatives Loch bei den Veilchen, welches ersetzt werden muss. Aber auch Hadzikic, Almer, De Paula und Stronati werden die Violetten verlassen, ebenso die Leihgaben Stangl, Ruan und Alhassan, die keine Zukunft mehr in Wien-Favoriten haben werden.
Ein Fragezeichen gab es einerseits bei einer weiteren Leihgabe, nämlich dem Südkoreaner Lee, der sein Potenzial immer wieder aufblitzen ließ, gleichwohl die Austria auf seiner Position jedoch die geringsten Sorgen hat und speziell aus der eigenen Jugend Spieler wie Dominik Fitz bereits in den Startlöchern stehen. Zusätzlich litt Lee auch an Heimweh, weshalb man die Kaufoption des Koreaners auch nicht zog und er vom Verein bereits verabschiedet wurde. Des Weiteren ist die Zukunft von U21-Nationalspieler Gluhakovic ungewiss, der in einigen Einsätzen im Herbst sein hohes Potenzial immer wieder offenbarte, jedoch nicht genügend gefördert wurde bzw. das Nachsehen gegenüber Routinier Klein hatte. Die Option des Rechtsverteidigers auf eine Verlängerung um weitere zwei Jahre hätte bis zum 15.Mai gezogen werden müssen, dies dürfte auch geschehen sein, auch wenn dies bislang noch nicht öffentlich kommuniziert wurde.
Doch abgesehen davon gibt es noch einige weitere Spieler mit laufenden Verträgen, die die Austria noch verlassen könnten. So ist Tarkan Serbest zweifellos die heißeste Aktie der Violetten, wurde dieser doch gerade erst ins türkische Nationalteam einberufen und ist dort als einer der wenigen Spieler von einem etwas „kleineren“ Vereinen vertreten. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten und das Interesse speziell aus der Türkei ist da sehr stark, wo u.a. der Spitzenklub Besiktas Istanbul ins Rennen eingestiegen ist. Da noch dazu Serbest relativ jung ist und die Jugendausbildung in der Türkei allgemein zu wünschen übrig lässt und der Altersdurchschnitt der Mannschaften sich Großteils in Richtung der 30er-Marke bewegt, sind solche Spieler mit einem türkischen Pass natürlich äußerst gefragt. Daher könnte es auch leicht zum Wettbieten für den Mittelfeldspieler ausarten, weshalb man am Verteilerkreis bereits mit einem warmen Millionenregen rechnen kann. Des Weiteren steht der Abgang von Stürmer Friesenbichler bevor, der sich eine neue Herausforderung sucht und ein lukratives Angebot des kasachischen Spitzenklubs Astana vorliegen hat, was der Austria ebenfalls eine siebenstellige Summe einbringen soll. Interesse soll es auch an Innenverteidiger Kadiri geben, der zwar laufend zwischen Genie und Wahnsinn tendiert, aber viel Potenzial mitbringt. Dadurch sollte also zusätzliches Geld in die Klubkassen gespült werden, was dann mehr Möglichkeiten bei Neuverpflichtungen zur Folge hat.
Gleichwohl man noch Entscheidungen bei den möglichen Abgängen treffen muss, laufen parallel dazu natürlich die Planungen im Bereich der Neuzugänge und bewegen sich überwiegend in Richtung Zielegerade. Bereits frühzeitig fixiert wurden die Verpflichtungen von Flügelspieler Max Sax, der quasi der verspätete Ersatz für Tajouri ist und jene des hochveranlagten Torhüters Lucic, der den Abgang von Hadzikic kompensieren soll. In den Medien wird die Verpflichtung von Innenverteidiger Schoissengeyr auch als fix angesehen, auch wenn es bislang keine Vollzugsmeldung in dieser Causa gab, da man noch andere Kandidaten auf der Liste hat. Darüber hinaus wurden erst kürzlich die Transfers von Uros Matic und James Jeggo dingfest gemacht, die beide auf eine gemeinsame und erfolgreiche Zeit bei Sturm zurückblicken können, als sie vermutlich das beste zentrale Duo der Liga bildeten.
Mit Uros Matic kommt ein äußerst durchschlagskräftiger und technisch beschlagener box-to-box Mittelfeldspieler nach Wien, der während seiner Zeit in Graz für Furore sorgte und dort so einen starken Eindruck hinterließ, weshalb sich Kopenhagen genötigt sah tief in die Tasche zu greifen und ihn bereits nach wenigen Monaten für einen Millionenbetrag wieder aus der Steiermark zu lotsen. Nachdem er sich die ersten Monate in Dänemark einen Stammplatz ergattern konnte, folgte in der aktuellen Spielzeit dann der Bruch und darüber hinaus auch noch die Versetzung in die zweite Mannschaft, da die Vereinsführung nach der durchwachsenen Saison (nachdem man den Zielen bereits frühzeitig deutlich hinterherhinkte) von nun an beschloss, teure ausländische Neuzugänge aus dem Kader zu streichen, worunter u.a. auch der Neuzugang von Rapid Pavlovic zählte. So gesehen hatte der Abschied nicht überwiegend mit der Leistung des Serben zu tun, sondern eher mit den Querelen im Umfeld und der Vereinsführung des FC Kopenhagen, weshalb man darauf hoffen kann, dass Matic an seine Zeit in Graz anknüpfen kann.
Matic soll nun den Abgang von Holzhauser wettmachen, wobei der Serbe aufgrund seiner Laufstärke und Physis noch besser in die Philosophie von Thomas Letsch passt. James Jeggo hingegen nimmt eher den absichernden Part im Zentrum ein, bringt eine hohe Aggressivität und Kampfkraft mit, wodurch er speziell für die defensive Stabilität ein wichtiger Faktor sein kann und seinen Kollegen im Mittelfeld damit quasi den Rücken freihält. Man sollte Jeggo jedoch nicht nur darauf reduzieren, auch fußballerisch hat der in Wien geborene Australier einiges zu bieten und hat speziell während seiner Zeit in Australien wesentlich offensiver und als Box-to-Box Mittelfeldspieler agiert, als es zuletzt in Österreich und bei den Grazern der Fall war, wo er hauptsächlich Matic oder aktuell Zulj absicherte und konstant den Raum vor der Abwehr besetzte. Damit schließt man auch endgültig eine Lücke im Kader, da man einen solchen Spielertypen bislang nicht hatte bzw. mit Demaku erst einer langsam heranreift, welcher allerdings noch Zeit benötigen wird.
Weitere Neuzugänge sollten die nächsten Tage/Wochen noch folgen, wobei man auf der gezielten Suche nach einem Innen- und Außenverteidiger, Stürmer und Flügelspieler ist, da es auf diesen Positionen noch Handlungsbedarf gibt. Daher tauchten auch zuletzt in der violetten Gerüchteküche die Namen Edomwonyi und Ebner auf, die als Neuzugänge gehandelt werden. Aber auch die Namen von u.a. Marco Djuricin, Hosiner, Goiginger oder Vucur werden immer wieder genannt. Es wird also interessant zu sehen sein, wen sich die Verantwortlichen der Austria noch angeln werden. Mit den letzten beiden Verpflichtungen sendete man an deutliches Signal an die Öffentlichkeit, dass man durchaus gewillt ist tiefer in die Tasche zu greifen, um sich vor allem qualitativ zu verbessern.
Wie könnte die neue Mannschaft der Austria aussehen?
Blicken wir nun auf den vorhandene Kader, mit dem man zum jetzigen Zeitpunkt wohl in die nächste Saison gehen wird:
Tor:
Patrick Pentz, Ivan Lucic, Mirko Kos
Verteidigung:
Florian Klein, Petar Gluhakovic, Michael Blauensteiner, Michael Madl, Alexandar Borkovic, Abdul Kadiri, Christoph Martschinko, Thomas Salamon
Zentrales Mittelfeld:
James Jeggo, Uros Matic, Vesel Demaku, Alexander Grünwald, Dominik Prokop, Dominik Fitz
Flügelspieler:
Lucas Venuto, Maximilian Sax
Stürmer:
Christoph Monschein
Das ergibt aktuell 20 Kaderspieler, die mehr oder weniger einen Platz in der Kampfmannschaft der Austria innehaben. Damit steht auch das Grundgerüst der Violetten mehr oder weniger und muss nur noch punktuell verstärkt werden. Da man ja nächste Saison international nicht vertreten ist und keine mehrfache Belastung zu schultern hat, sollte der Kader maximal bei 24-25 Mann angesiedelt sein, womit man auf jeder Position mehrere Optionen zur Verfügung hätte und so ein passender Kokurrenzkampf gewährleistet ist. Ins Auge sticht dabei vor allem das stark besetzte zentrale Mittelfeld, in dem viel spielerisches Potenzial schlummert. Das bietet für Trainer Thomas Letsch natürlich viele Möglichkeiten und die Qual der Wahl bei der Auswahl seiner Stammelf. Daraus leitet sich dann wohl auch die Frage des System und der Struktur ab, mit der man die Spieler auf das Feld schickt. Kapitän Grünwald, Matic und Jeggo dürften nämlich gesetzt sein, was im Umkehrschluss bedeutet, dass entweder für die beiden Talente Prokop und Fitz kein Platz da ist, man nur mit einem Stürmer spielt oder auf Flügelspieler verzichtet. Diese drei Varianten stellen wir mal bildlich dar, um die Möglichkeiten aufzuzeigen:
Option A:
4-1-4-1/4-3-3
Das wäre nach aktuellem Stand wohl die passendste und ausgewogenste Formation, für die jeweiligen zur Verfügung stehenden Spielertypen und deren Profile. Man hätte mit Madl und Borkovic wohl die aufbaustärkste Verteidigung der Liga, Jeggo würde den beiden Kreativspielern Matic und Grünwald den Rücken freihalten und als Absicherung fungieren, damit diese das Spiel in die Hand nehmen und ordnen können. Am interessantesten wären hier die jeweiligen Rollen der Flügelspieler, denn Prokop würde als linker Flügelspieler eine inverse Rolle bekommen, damit er in die Mitte ziehen und den Zwischenlinienraum besetzen kann – um dort gemeinsam mit Matic und Grünwald kombinativ tätig zu werden. Prokop hat schon bewiesen, dass er diese Rolle ausfüllen kann, z.B. im Wiener Derby im Herbst, als er Pires auf dessen Position ersetzen musste und eine starke Leistung ablieferte. Unter Letsch nahm er diese Rolle ebenfalls schon ein, u.a. in der zweiten Halbzeit gegen den WAC, als er ebenfalls eine gute Leistung bot oder zuletzt im Spiel in St. Pölten. Währenddessen würde Venuto als klassischer Flügelstürmer und Dribbler konstant Breite geben und in Eins gegen Eins Situationen geschickt werden, damit sich nicht alles im Zentrum tummelt.
Option B:
4-1-2-1-2/4-3-1-2
Die zweite Möglichkeit wäre eine 4-3-1-2 Grundformation, die man speziell von den Salzburgern unter Marco Rose bestens kennt. Der Vorteil hier wäre, dass man das gesamte spielstarke Zentrum aufbieten und mit zwei Stürmern agieren könnte, auf Kosten der klassischen Flügelstürmer, die in dem Fall das Nachsehen hätten. Diese Anordnung gab es schon einige Male unter Letsch zu sehen, u.a. im Spiel gegen die Admira, wo man eine starke erste Halbzeit hinlegte und die Südstädter absolut dominierte. Allerdings hing das auch damit zusammen, dass man eine spezielle Rolle für Felipe Pires schuf, der immer wieder auf den Flügel auswich (um Breite zu geben) , dadurch für den Gegner kaum zu greifen und der beste Spieler auf dem Feld war. Es gab nämlich ebenfalls schon Spiele zu sehen, in dem das Ganze weniger gut aussah und durch den hohen Zentrumsfokus der Gegner leichtes Spiel beim Verteidigen hatte, indem man einfach die Mitte dicht machte. So lautet hier das Zauberwort „Balance„, um die richtige Mischung im eigenen Positionsspiel zu finden.
Option C:
5-3-2/3-4-1-2
Die dritte Möglichkeit wäre eine Mischformation zwischen Dreier- und Fünferkette, je nach Ausgangslage und personeller Ausstattung. Letsch griff seit seiner Amtsübernahme auch immer wieder zu dieser Grundformation, mal in einer 5-3-2/3-4-1-2 Ausprägung, oder auch mal in einem 5-4-1/3-4-3. Diese Variante könnte u.a. gegen stärkere Gegner zum Einsatz kommen, um die defensive Stabilität gegen den Ball zu forcieren und aus dieser Kompaktheit heraus dann nach vorne zu spielen.
Dem Austria-Trainer Letsch stehen also viele Optionen und Möglichkeiten offen, je nachdem mit welcher Formation und Struktur er seine Mannschaft aufs Feld schicken möchte. Der Kader würde in dem Fall durch die unterschiedlichen Spielerprofile auch einiges an Flexibilität bieten, mit der man je nach Bedarf auch die Grundordnung anpassen könnte. Wie genau das letztendlich aussehen wird, bleibt abzuwarten. Einerseits werden ja noch weitere Neuzugänge folgen, wodurch man einen besseren Eindruck auf die angepeilte Spielweise bekommt, andererseits steht die wichtige Vorbereitung auch noch bevor, wo man die Möglichkeit hat Verschiedenes zu testen und die richtige Mischung zu finden.
Klar ist aber auch – für Trainer Thomas Letsch gibt es ab den Sommer keine Ausreden mehr. Der Kader wird zum Großteil nach seinen Wünschen ausgerichtet werden und in der Mannschaft wird viel spielerisches Potenzial schlummern. Dies gilt es dann auch auf den Platz zu bringen, indem man eine passende Struktur schafft, in der sich die Spieler wohlfühlen und ihre Qualitäten entfalten können. Mit dem aktuellen Kader und weiteren Verstärkungen kann das Ziel für die Austria nur sein einen Platz unter den Top 3 zu ergattern, um wieder in jene Regionen vorzustoßen, in denen man sich selber sieht und auch finanziell anzusiedeln ist.
Dalibor Babic, abseits.at
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