Was bringt das „Gemeinsam“, wenn weder gekämpft noch gesiegt wird?
Bundesliga 11.März.2018 Daniel Mandl 5
„Die Stürmer sind gut, sie treffen nur nicht“ – Goran Djuricin versuchte die immer wiederkehrende Rapid-Misere auf den Punkt zu bringen, schaffte es aber nicht wirklich. Das schaffte Sky-Experte Alfred Tatar schon eher.
Der quittierte die Djuricin-Aussage mit dem Konter: „Ich bin ein guter Koch, aber es schmeckt nicht“. Viel wichtiger war aber Tatars Aussage in der Halbzeitpause, als er nach den müden ersten 45 Minuten meinte, dass Rapid sich nicht unbedingt über die beiden Sitzer von Kvilitaia und das Aluminium-Pech von Murg beschweren darf, sondern viel mehr darüber, dass solche Szenen nicht im Fünf- oder Zehn-Minuten-Takt kreiert werden.
Das leidige Mentalitätsthema
Es bleibt dabei: Rapid bleibt im selben Trott gefangen, wie bereits in den letzten Jahren. Auf eine gute Partie folgt eine schlechte. Auf eine aufopferungsvolle Kämpferleistung folgt ein halbbackener Kick, bei dem man nie das Gefühl hat, dass alle an ihre Grenzen gehen. Das Mentalitätsproblem war auch in Altach offensichtlich und wurde vor der Partie quasi „angekündigt“. Djuricin sprach davon, dass ein Sieg natürlich das allerhöchste wäre, aber „wir hier zumindest einen Punkt mitnehmen wollen“.
Zufriedenheit mit Mittelmaß!?
Das ist eine Aussage – egal, wie genau durchdacht oder nicht – die einem Rapid-Trainer vor dem Auswärtsspiel gegen den insgesamt formschwachen Achten nicht so leicht vergessen wird. Dass das Anspruchsdenken aufgrund der Salzburger Übermacht ein wenig gezügelt werden muss, ist natürlich klar – aber Zufriedengeben mit Mittelmaß? Rapid spielt derzeit um die Europacupteilnahme und mit derart laschen Ansagen, 80%-Leistungen und der Zufriedenheit mit unzureichenden Matchplänen, die angeblich nur nicht aufgehen, weil die „guten Stürmer nicht treffen“ wird man diese Teilnahme zum zweiten Mal in Folge verpassen.
Rapid muss mehr Chancen kreieren
Zwei Großchancen für Kvilitaia, eine für Joelinton und schließlich der Last-Minute-Matchball für Berisha. Rapid vergab seine vier Sitzer, wobei zwei davon eher zufällig zustande kamen, einmal nach einem Lattenfreistoß von Murg und am Ende nach einer Flanke, die mit Glück Berisha am langen Pfosten erreichte. Dass zumindest einer dieser Bälle drin sein muss, ist natürlich klar. Aber das Problem ist nicht primär, dass Torchancen vergeben werden, sondern viel mehr, dass Rapid es weiterhin nicht schafft, ein vernünftiges Maß an Chancen herauszuarbeiten. Gegen eine biedere Altacher Mannschaft müssen schlichtweg doppelt so viele Sitzer her.
Nur selten am Limit
Dies führt uns weiter zu den Wurzeln der Probleme: Wie schon Fredy Bickel im Sky-Interview konstatierte, sieht man im Training immer wieder das große Potential der Mannschaft, die dieses aber nicht ins Spiel übertragen kann. Bei einigen Spielern, wie etwa dem explizit angesprochenen Philipp Schobesberger, ist ein Mentalitätsproblem unverändert offensichtlich. Auch bei anderen Akteuren hatte man nicht nur gegen Altach den Eindruck, dass sie das Spiel auf 70 – 80% Leistungsvermögen herunterspulen wollen. Das steht in krassem Gegensatz dazu, was die Öffentlichkeit von Rapid erwartet.
Nicht flexibel, nicht automatisiert
Auch dass Rapid keine klare Spielanlage hat, wurde wieder einmal deutlich. Wie so oft in den letzten Jahren ist Rapid eine leicht berechenbare Einheitsmasse ohne situative Flexibilität im Spiel nach vorne. Es fehlt die Dynamik, der Mut zum Risiko und nach Ballverlusten die Bereitschaft richtig intensiv ins Gegenpressing zu gehen. Das Umschaltspiel von Defensive auf Offensive funktioniert nicht, die Raumbesetzung war gegen Altach – wie in vielen Partien der laufenden Saison – in zahlreichen Situationen völlig unzureichend. Löcher im Mittelfeld sind bei Rapid nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Mannschaftsteile stehen viel zu häufig nicht in direkter Verbindung zueinander, klare gruppentaktische Automatismen gibt es nur sehr wenigen Mannschaftsteilen (meistens zu beobachten, wenn Joelinton nach außen pendelt).
Die grauenvolle Einfachheit des Rapid-Spiels
Und auch gegen Altach war die fehlende offensive Kompaktheit überdeutlich: Schobesberger kommt an den Ball, versucht seinen Paradehaken, scheitert, verliert den Ball, bleibt stehen. Murg kommt an den Ball, versucht einen seiner beiden Paradehaken, scheitert, passt retour. Joelinton kommt an den Ball und nur wenn er zu einem Sprint über zehn, fünfzehn Meter ansetzt, kann Rapid halbwegs gefährlich werden. Gleichzeitig hängt Kvilitaia in der Luft und vergibt seine wenige Torchancen, Petsos verlagert das Spiel durchschnittlich quer nach hinten und bremst den kompletten Aufbau, Szanto ist gegen den Ball praktisch nicht vorhanden und taucht bei eigenem Ballbesitz in irrelevanten Zonen ab.
Gegen den Ball genauso schwammig wie mit Ball
Rapid ist mit dem Ball ratlos und überbrückt Zonen primär dafür, dass Spieler X oder Spieler Y an den Ball kommen, greift aber nicht kompakt und mannschaftlich geschlossen an. Das Offensivspiel ist nicht dynamisch und dazu noch enorm individualistisch geprägt. Die Exit-Strategie für fehlenden Esprit am Ball, wäre das aggressive Spiel gegen den Ball. Aber gepresst wird bei Rapid ebenso schwammig. Einer geht drauf, zwei stellen zu – die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sind aber auch hier enorm und praktisch jeder Gegner kann sich aus dieser liebevollen Umklammerung lösen, egal wie aufbauschwach er auch ist.
Alleinstellungsmerkmale dringend gesucht
Die dritte Option wäre es, dem Gegner den Ball zu überlassen. Aber auch das kommt für Rapid nicht in Frage. Immerhin gibt es Strömungen im Staff, die das gepflegte, oft langweilige Kurzpassspiel und massive Absicherung durch Passsicherheit einem dynamischen Spiel gegen den Ball in hohen Zonen vorziehen. Rapid sucht also weiterhin nach einer Spielidee mit Wiedererkennungswert. Oder sollte zumindest danach suchen. Bisher sieht man weder Ergebnisse in Bezug auf Alleinstellungsmerkmale im Spiel, noch in Bezug auf die angeknackste Mentalität der halben Mannschaft (während mit Steffen Hofmann der zwar älteste, aber größte Kämpfer im Kader wochenends nur mit seinen Kindern spielen darf).
„Wann hattest du das letzte Mal Spaß mit Rapid?“
Nennen wir das Kind beim Namen: Rapid ist seit geraumer Zeit einfach nicht zum Anschauen. Die echten „Rapid-Momente“, nach denen jeder Fan lechzt, liegen bereits lange zurück. Dynamische Top-Spiele wie etwa auswärts in Zilina gegen Trencin, in Amsterdam oder in Donetsk, sowie zu Hause gegen Pilsen oder bei der Stadioneröffnung gegen Ried, gelingen in Abständen von Monaten bis Jahren. Wenn man aktuell einen Rapid-Fan fragt, wann er das letzte Mal wirklich Spaß mit Rapid hatte, wird er lange nachdenken müssen.
Weg mit der Übergeduld – nur kämpfen und siegen
„Gemeinsam – Kämpfen – Siegen“ lautet das gerne zitierte Motto, speziell in der Rapid-Geschäftsstelle, die es ebenso nicht schafft, Balance ins Gesamtgefüge zu bringen. Dieses Motto wird bei Rapid nicht an allen Ecken und Enden gelebt und gerne vorgeschoben, wenn irgendetwas nicht funktioniert. Genauso wie das Leitbild, das ebenfalls nur ausgegraben wird, wenn wieder mal irgendetwas Unerfreuliches passierte. Manchmal muss man sich aber auch überlegen, ob das sture „Gemeinsam“ und übergeduldige Zusammenhalten in vielen Bereichen überhaupt sinnvoll ist, wenn man dadurch weder kämpft noch siegt. Das 0:0 gegen Altach war nur ein schlechtes Spiel, der rote Faden zieht sich aber schon wesentlich länger durch viele Ebenen des Vereins. Jetzt müssen klare sportliche Konzepte her, die zu Rapid passen und länger halten als eine Saison. Dazu eine prall gefüllte Kriegskassa für Bickels Sommerunternehmungen, die sich an diesen Konzepten zu orientieren haben. Nur dann könnte 2018/19 wieder eine Rapid-Saison werden – 2017/18 ist es nämlich eindeutig nicht.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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