Fanproteste, Skandalderby, Trainerrauswurf – beim SK Rapid Wien hatte es schon ruhigere Sommer gegeben. Mit Trainer Peter Schöttel wurde eine Fachkraft und eine Legende... Wenn eine ungewisse Reise Formen annimmt – Rapid findet sich selbst wieder

Fanproteste, Skandalderby, Trainerrauswurf – beim SK Rapid Wien hatte es schon ruhigere Sommer gegeben. Mit Trainer Peter Schöttel wurde eine Fachkraft und eine Legende für den Umbruch, der zumindest mal angefangen wurde, geholt. Der Rekordspieler hat sich seine Meriten als Trainer und Sportdirektor nach seinem unruhigen Abschied als Sportdirektor bei Rapid 2006 beim Wiener Sportklub, dem First Vienna FC und dem SC Wiener Neustadt verdient. Im Sommer kehrte der „verlorene Sohn“ in den Kreis der Rapid-Familie zurück.

Ein kleiner Umbruch während des Transferfensters

Der große Kader-Umbruch fand im Sommer nicht statt. Einige Spieler, die unter Ex-Coach Peter Pacult stagnierten, verließen den Verein. Veli Kavlak und Tanju Kayhan (Besiktas Istanbul) wechselten für gutes Geld in die Türkei, genauso wie Yasin Pehlivan (Gaziantepspor). In der Innenverteidigung wurde kräftig aufgeräumt. Hannes Eders Vertrag, er war zuletzt an SønderjyskE verliehen gewesen, lief aus, er wechselte mit Christoph Schösswendter zum SCR Altach. Andrey Lebedev wechselte leihweise zum FC Lustenau. Auch bei den Goalies änderte sich einiges, Raimund Hedl übernahm den Posten des Tormanntrainers, Georg Blatnik vom SV Grödig wurde nicht weiter verpflichtet sondern nach der Leihe nach Salzburg zurückgeschickt. Des Weiteren wurde überflüssiger Kaderbalast abgegeben. Andreas Dober ging nach Hartberg, Mario Konrad zum SV Horn, Andreas Lukse ist noch auf der Suche und Thomas Hinum konnte sich in Wien nicht durchsetzen, unterschrieb bei Ried. Ebenfalls gehen musste Jan Vennegoor of Hesselink.

Auf der Tormannposition wurde nachgebessert, der slowakische Riese Jan Novota kam von Dunajska Streda. Für die Verteidigung wurden Harald Pichler (Wacker Innsbruck), Thomas Schrammel (SV Ried) und Christian Thonhofer (Wiener Neustadt, zuletzt dorthin verliehen) geholt. Ansonsten wechselte Sturm-Talent Deni Alar aus Kapfenberg in die Bundeshauptstadt und die offensive Allzweckwaffe Guido Burgstaller trat mit Coach Schöttel die Reise in den Westen Wiens an.

Peter Schöttel entschied sich dafür, den Kader behutsam umzubauen. Spieler, die den Zenit bereits überschritten haben, sich aber ohne Murren auch auf die Bank setzen, blieben. Dafür bleibt es ruhig im Kader. Markus Katzer, Jürgen Patocka, Ragnvald Soma und Markus Heikkinen durften ebenso bleiben wie Helge Payer. Vereins-„Fußballgott“ Steffen Hofmann sollte aber der bestimmende Faktor im Spiel der Grün-Weißen bleiben. An der Seite dieser erfahrenen Kicker sollten junge Spieler wie Michael Schimpelsberger, Deni Alar oder Lukas Königshofer langsam Erfahrungen sammeln. Die große Breite des Kaders bestand aber aus Mittzwanzigern, die ihre Leistung bringen sollen und müssen, beispielsweise Rene Gartler, Christian Thonhofer oder Thomas Prager.

Dankbarer Start und mittelfristiger Absturz

Zu Beginn der Saison probierte Peter Schöttel viel herum. Nach zwei Siegen gegen Aufsteiger Admira und den SC Wiener Neustadt folgten die Wochen der Standortbestimmung gegen die Europacup-Starter. Gegen Ried wurde 0:0 gespielt, Sturm gewann in letzter Minute. Es folgte eine schmerzliche, weil chancenlose, Derbyniederlage gegen die Austria und ein Remis gegen die Bullen aus Salzburg. Nach einem 1:1 gegen den SV Mattersburg war Rapid im Mittelfeld angekommen, nur Sechster. Erste Stimmen des Unmuts kamen auf. Experimente, wie ein Steffen Hofmann auf der Position des zentralen, eher defensiven Mittelfeldspielers, schienen nicht aufzugehen. Mitten in der Tabelle gelegen, war Mitte September nicht klar, wohin die Reise für „Rapid neu“ gehen sollte.

Langsam Richtung oberes Drittel

Wenn grade eine kleine Durststrecke hinter einer Mannschaft lag, kam der Kapfenberger SV in dieser Hinrunde oft zur rechten Zeit. So auch für die Hütteldorfer, die den KSV mit 5:1 nach Hause schickten. Auch am Innsbrucker Tivoli hieß der Sieger am Ende deutlich Rapid (3:0). Der erste Überschwang erhielt in der Südstadt allerdings einen Dämpfer. Die Anzeige Tafel glühte richtiggehend in der zweiten Spielhälfte. Beide Teams trafen je drei Mal in Durchgang zwei, Ouedraogos Tor vor der Pause ließ die Admira aber einen 4:3-Heimsieg bejubeln. Nach dieser Niederlage war das Experiment „Hofmann im defensiven Mittelfeld“ aber endgültig beendet und er rückte weiter vor und damit Rapid in der Tabelle.

Wechselhaft Richtung Winterkönig

Zur defensiven Konsolidierung entschied sich Schöttel in den kommenden zwei Spielen für einen altbekannten Kniff. Er stellt Harald Pichler vor die Abwehr. Rapid remisierte zunächst gegen Wiener Neustadt daheim, dann auswärts gegen die Austria. Eine weitere Umstellung im zentralen Mittelfeld bewirkte eine weitere Verbesserung des Spiels. Thomas Prager und Markus Heikkinen (außer gegen den KSV, da spielte Kulovits) übernahmen die Doppelsechs und das wirkte sich sehr positiv aus. 3:2 gegen Sturm, 1:1 in Ried, eiskalter 4:2-Heimsieg gegen desolate Salzburger, Sieg in Mattersburg, zwei torlose Remis gegen Kapfenberg und Innsbruck. Zum Jahresende konnte noch die Admira mit 2:1 besiegt werden. Schöttels Bilanz fällt mit lediglich drei Saisonniederlagen und acht Unentschieden sehr positiv aus. Dass im Cup die Rieder zu stark (oder zumindest zu clever) waren, muss so hingenommen werden.

Schöttels Taktik

Der Neo-Trainer tat sich anfangs sehr schwer, die richtige Mischung zu finden. Die Fans wollen Kampf und Technik, aber zuerst musste die Defensive gesichert werden. Letzten Endes klappte es ab Runde 11 so, wie es im 4-2-3-1 heutzutage zumeist gelöst wird. Einer übernahm den defensiven Part (zumeist Heikkinen) und einer den offensiven (Prager). Davor agierten die vier Offensivspieler sehr dynamisch. Dass Schöttel von seinem 4-4-2 absah, liegt aber wohl doch eher an der eigenen Mannschaft. Zu Beginn der Saison fehlte zunächst die defensive Stabilität, dann die Durchschlagskraft in der Vorwärtsbewegung.
Darüber hinaus bedient das erfolgreiche System die Stärken der Akteure. Alar und Burgstaller können an vorderster Front spielend aus der Distanz kommen, Trimmel und Drazan sind sowieso eher Flügelstürmer denn Außenbahnspieler im Mittelfeld. Steffen Hofmann ist in der Offensivzentrale weitgehend von Defensivaufgaben entbunden, die mit über 30 Jahren auch nicht mehr so leicht fallen wie noch vor ein paar Saisonen. Dass dabei einige Stürmer durch den Rost fallen, passiert fast zwangsläufig. Aber im Fußball hat eben zumeist der Erfolg recht.

Grün-Weißes Highlight

19. Runde, Minute 78. Der teure Sommerneuzugang Deni Alar enteilte der Abwehr des FC Trenkwalder Admira und netzt zum 2:1 ein. Rapid kann nach dem unerwartet erfolgreichen Herbst mit Zusagen zur Stadionsanierung und Platz eins zu Weihnachten in einen ruhigen Jänner gehen.

Fazit

Es ist fast verwunderlich, dass bei einem so großen Verein wie Rapid so viel Geduld an den Tag gelegt wird. Aber Peter Schöttel kann weitgehend in Ruhe an der Vereinbarung seiner Spielphilosophie und dem Mythos Rapid arbeiten. Gelingt ihm das so wie bisher, können die Hütteldorfer sogar um den Meistertitel mitspielen, vor allem, wenn Gartler und Alar ihr unbestrittenes Potential in mehr als nur zwei Tore ummünzen. Qualifiziert sich Rapid am Ende der Saison „nur“ für den Europacup, wäre es auch nicht allzu schlimm, da eben etwas aufgebaut werden soll. Auch für den Fall, dass Salzburg, Ried, Austria oder Sturm vor den Grün-Weißen stehen, sollte man sich nicht allzu sehr ärgern. Diese Mannschaft hat Potential und braucht möglicherweise noch eine halbe Saison, um dieses voll zur Entfaltung zu bringen. Und während die anderen dann Europacup spielen, kann ja im Herbst die Basis für eine Meisterfeier 2013 gelegt werden.

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

Schreibe einen Kommentar zu Lehner98 Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert