Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografien – im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Gedanken machen wir uns dabei über Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat. Heute erinnern wir an Rapids vorvorletzten Meistermacher, der gestern seinen 74. Geburtstag gefeiert hat.
„Der Laissez-faire-Führungsstil hat mich immer ausgezeichnet.“
„Die Mannschaft hat so gut gespielt, dass sie mich heute nicht gebraucht hat.“, meinte Ernst Dokupil vor fast 25 Jahren, am 18. April 1996, lapidar als er dem ORF das obligatorische Interview nach dem Einzug seiner Mannschaft ins Europacupfinale gab. Rapid-Fans denken wahrscheinlich wehmütig an diese Traumzeiten zurück. Ernst Dokupil ist ob seiner erreichten Erfolge – Cuptitel, Meisterteller, Europacupendspiel – eine Trainerlegende der Grün-Weißen. Dabei ist nur den wenigsten bekannt, dass „Dok“ auch selbst ein guter Fußballer war.
Der gebürtige Wiener begann in seinem Heimatbezirk mit dem Kicken. In jungen Jahren machte er eine Lehre als Modellmacher, arbeitete als Vertragsbediensteter und spielte für den SC Wacker Wien. Der spätere Meistermacher galt als guter Techniker, sein Handicap führte jedoch dazu, dass ihm eine große Karriere als Aktiver vorenthalten blieb. „Dok“ meinte später trocken: „Ich war ein Fußballer, den ich als Trainer erwürgen könnte.“ Er habe nicht den Biss gehabt sich zu überwinden, sei faul gewesen und das Gegenteil von lauffreudig. Trotzdem wechselte er schon als Spieler zu Rapid. Im Wiener Westen gab es aber kein Vorbeikommen an Goleador Krankl. Dokupil schoss neun Tore in 53 Spielen und musste die Hütteldorfer als „persönlicher Einkauf“ des damaligen SCR-Präsidenten Draxler bei dessen Rückzug wieder verlassen. Immerhin war er 1976 Cupsieger mit den Grün-Weißen geworden. Die letzten drei Jahre als Aktiver verbrachte er beim SC Simmering, wo er 1978 auch seine Laufbahn als Trainer begann.
Dokupil machte sich zunächst einen Namen als Detektor für Rohdiamanten: Es begann mit einem gewissen Toni Polster, den er im 11. Wiener Hieb für die Austria bereitmachte, und ging über Rodax und Ogris bei der Admira bis zu Herzog, Heraf und Stöger, die ihre ersten Sporen im Vienna-Trikot verdienten. Dokupils Geheimnis? Er kitzelte aus talentierten Jungstars das Beste heraus, weil er sie richtig anpackte. „Dok“ vermittelte Spaß am Fußball. Er fasste seine Spielphilosophie folgendermaßen zusammen: „Gut spielen, ohne dabei an das Resultat zu denken.“
Der angeschlagene SK Rapid – knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt – streckte 1994 schließlich seine Fühler nach dem erfolgreichen Übungsleiter aus. Niemand ahnte welche Zeiten nun beginnen sollten: Es war kurz, aber schön und sehr erfolgreich. Der Neo-Rapid-Trainer drückte zunächst die Erwartungshaltung: „Unsre Zielsetzung heißt mit dem vorhandenen Budget eine neue Mannschaft aufzubauen.“ Diese neue Mannschaft wurde 1995 auf Anhieb Cupsieger, ein Jahr später wurde man Meister und Europacupfinalist. Zahlreiche Rapidlegenden wirkten unter Dokupil: Schöttel, Konsel, Barišić, Kühbauer, Heraf, Mandreko, Guggi, Ivanov, Jancker. Dokupil ließ die Zügel locker, ermunterte die Mannschaft sich auf dem Platz selbst zu organisieren und schaffte es die richtige Mischung in Wien-Hütteldorf werken zu lassen. Sein kongenialer Partner war Co-Trainer und Schmähbruder Herbert „Funki“ Feurer, der – neben seinen Fachkenntnissen – seine verlängerte Hand in der Kabine war. Anhand seiner eigenen Spielerkarriere machte Dokupil seinen Schützlingen klar, was man aus sich machen konnte oder eben nicht. Der Vater eines Sohnes belehrte all jene, die ihm den Erfolg nicht zutrauten, eines Besseren: „Er hat keine internationale Erfahrung, er war noch bei keinem Spitzenklub, er ist zu gut zu den Spielern, ihm fehlt die nötige Härte. Das waren alles Dinge, die mir bekannt waren.“, wusste Ernst Dokupil von Übelmeinenden zu berichten. Doch so schnell der Erfolg da war, so schnell war er auch wieder weg. Die Meistermannschaft zerbröselte und Dokupil wurde Sportdirektor, während Weber auf der Trainerbank Platz nahm. Nach dessen Rauswurf sprang Dokupil wieder ein, ehe er nach einer Derby-Niederlage endgültig seinen Hut nehmen musste. Die Bank Austria zog sich als Hauptsponsor zurück, der Wiener erlitt 2001 einen Herzinfarkt, Rapid strauchelte. Es war wie ein böses Erwachen aus einem Traum.
Ernst Dokupil hat seitdem keine Trainerstation im Profibereich mehr angetreten. Er ist Pensionist, leidenschaftlicher Golfer und Hundeliebhaber. Im Gegensatz zu anderen Rapidlegenden äußert er sich nur selten zur aktuellen Lage beim Rekordmeister. Wenn er es jedoch tut, sind seine Worte meist deutlich. Seine Zeit bei den Hütteldorfern kann man genauso wie sein Resümee zum verlorenen Finale gegen Paris St. Germain formulieren: „Dieses Spiel war mein größter Erfolg, aber gleichzeitig auch meine größte Enttäuschung.“ In diesem Sinne: Happy Birthday, „Dok“!
Marie Samstag, abseits.at
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