Wolfsberger AC gegen Red Bull Salzburg: Das Duell zweier gegensätzlicher Spielphilosophien
Bundesliga 13.September.2014 Alexander Semeliker 1
Am Sonntag kommt es im Wörthersee Stadion zum Gipfeltreffen der österreichischen Bundesliga. Mit Red Bull Salzburg gastiert der Tabellenführer beim zweitplatzierten Wolfsberger AC. Obwohl die beiden Klubs punktegleich an der Spitze der Liga stehen setzen sie auf stark unterschiedliche Strategien.
In einer bisher sehr kuriosen Bundesligasaison 2014/2015 sind der Wolfsberger AC und Red Bull Salzburg nicht nur jene Teams, die mit der eindrucksvollen Bilanz von jeweils sechs Siegen und einer Niederlage die Tabelle mit neun Punkten vor der Konkurrenz klar anführen, sondern auch die einzigen Teams mit einer positiven Tordifferenz.
Kühbauers Konterstrategie greift auch beim WAC
Beim WAC gab es im vergangenen Sommer eine Vielzahl an Abgängen, darunter auch die Leistungsträger Michele Polverino und Sandro Gotal. Das bedeutete aber gleichzeitig, dass Trainer Dietmar Kühbauer bei den Neuverpflichtungen seine Vorstellungen entsprechend einbringen konnte. So holte man vor allem Spieler, die zur Philosophie des 43-jährigen Burgenländers passen. Bei seiner letzten Station in der Südstadt hatte Kühbauer vor allem aufgrund eines enorm starken Konterspiels Erfolg, erreichte als Aufsteiger den Europacup.
Sein Team praktiziert im Allgemeinen ein tiefes Mittelfeldpressing und wird nach vorne hin meist mit simplen Angriffszügen gefährlich. Das Mittelfeld wird entweder mit hohen Bällen oder direkten Kombinationen überspielt und die offenen Räume hinter der gegnerischen Abwehrlinie anvisiert. Die defensiven Abläufe der Kärntner sind dabei allerdings in einigen Punkten taktisch unsauber und können durchaus als wirr bezeichnet werden. Das Mittelfeld agiert mit einem sehr hohen Ballfokus, wobei meist die Rückendeckung für den attackierenden Spieler fehlt, da wenig antizipiert und sehr viel reagiert wird.
Dass der WAC dennoch erst fünf Gegentore erhielt, liegt an der hohen Laufbereitschaft, die aufgebracht wird sowie einer extrem starken Strafraumverteidigung. Die Viererkette, die sich nicht selten kurz vor oder an der Strafraumgrenze positioniert, steht im Vergleich zum Mittelfeld meist sehr geordnet, wodurch der Gegner oft zu Abschlüssen aus ungünstigen Positionen gezwungen wird oder Schüsse geblockt werden. Insgesamt verzeichnete der WAC in den bisherigen sieben Spielen 222 klärenden Aktionen – also Aktionen, bei denen ein Spieler den Ball vom eigenen Tor ohne klare Passabsicht wegschlägt. Zum Vergleich: bei Red Bull Salzburg liegt dieser Wert bei 121.
In der Vorwärtsbewegung agiert das Team von Kühbauer hingegen sehr zielgerichtet. Mit Peter Zulj hat man einen Spieler auf der Zehnerposition, der über ein weitreichendes Repertoire – sowohl was Pass- und Laufspiel, als auch Technik und Dribbling angeht – verfügt, dazu mit Jacobo einen spielstarken und Christopher Wernitznig einen dynamischen Flügelspieler. Neuzugang Tadej Trdina stellte im Angriff sich indes als Goldgriff heraus, trifft mit jedem vierten Schuss ins gegnerische Tor.
Den großen Unterschied zu den meisten österreichischen Teams findet man im defensiven Umschaltspiel. Während man von vielen Trainern mittlerweile hört, ihr Team solle nach vorne verteidigen, sieht man aufseiten des WAC ein hohes Gegenpressing kaum. Die Wolfsberger lassen sich vielmehr fallen um ihre Stärken in der letzten Linie auszuspielen und dann Räume für Konter zu finden. Den Nachteil dieser Spielweise konnte man in der bisherigen Spielzeit ebenfalls sehen, nämlich beim Gegentor in Graz.
Die Abwehr und die Sechser rückten bei einem Befreiungsschlag nur langsam heraus, sodass Sturm den zweiten Ball problemlos erobern konnte und bei dessen Verarbeitung kaum Druck spürte. In Erwartung des Steilpass orientierten sich die Defensivspieler, bis auf die Spieler auf der linken Außenbahn, dann geschlossen nach hinten um ihn abzufangen bzw. den Passempfänger schon bei der Annahme abzudrängen. Das ging, auch weil dieser näher zum WAC-Tor stand, schief.
Salzburg mit Struktureinbußen unter Hütter
Während man beim WAC also auf ein sehr klassisches Kontersystem setzt, sieht man bei Red Bull Salzburg im defensiven Umschaltspiel nach wie vor das ligaweit beste Gegenpressing. Allerdings machten die Mozartstädter unter dem neuen Trainer einige Einbußen hinsichtlich der Struktur. Der SV Grödig agierte unter Hütter im Pressing gewissermaßen chaotisch. Insbesondere im Aufeinandertreffen mit den Bullen wurde das in der letzten Saison klar. Aufgrund der extremen Ballorientierung der ballnahen Spieler und der Aggressivität war die nötige Absicherung nicht immer gegeben. Aufgrund der niedrigen individuellen Qualität des Teams war es kaum möglich, mit dieser riskanten Spielweise durchgehend stabil zu bleiben.
In Salzburg hat Hütter nun den mit Abstand stärksten Kader der Liga zur Verfügung. Sein Team agiert nicht mehr mit einem derart hohen Ballfokus wie es noch beim SV Grödig der Fall, sondern es attackieren nur mehr jene Spieler, die ausreichen, um den Gegner unter Druck setzen zu können. Die restlichen Spieler schieben zwar weiterhin nach, sichern aber so ab, dass sie auf etwaige Abpraller oder Befreiungen des Gegners reagieren können. Ein Musterbeispiel dafür sah man beim 3:0 gegen die Admira.
Nach den ersten Spielen konnte man den Eindruck gewinnen, dass es Hütter nach nur kurzer Zeit schaffte, das Rekordteam der letzten Saison noch einen Tick besser zu machen. Tatsächlich gibt es aber Unterschiede zum Spielstil, den Roger Schmidt implementierte. Im Spiel gegen den Ball fällt hierbei vor allem auf, dass der ballferne Flügelspieler nicht mehr so extrem stark verschiebt wie noch letzte Saison. Damit konnten sie insbesondere weit aufgefächerten Gegnern nach Balleroberungen große Probleme bereiten.
Augenscheinlicher sind die Probleme im Kombinationsspiel. In der letzten Saison nutzten die Salzburger phasenweise ihr starkes Gegenpressing und die weit eingerückten Flügelspieler auch für das Aufbauspiel. Man schlug hohe Bälle in den gegnerischen Sechser- bzw. Zwischenlinienraum und eroberte mit den großen Dynamikfähigkeiten der vier Offensivspieler dann die zweiten Bälle. In der aktuellen Saison agieren die Flügelspieler zwar weiterhin sehr frei und rücken oft in den Zwischenlinienraum, allerdings wird das Spiel von hinten langsamer aufgebaut.
Vor allem gegen tief stehende Gegner – unter anderem in der Champions League Qualifikation – hatten die Salzburger dann Probleme, sich gute Chancen herauszuspielen, da diese ihre tiefstehenden Ketten schnell zusammenziehen konnten. Was man in den internationalen Spielen ebenfalls sehen konnte war eine in der letzten Saison kaum gesehene Konteranfälligkeit, die von einer, für Salzburger Verhältnisse, tiefstehenden Abwehrlinie rührte. Insbesondere Malmö nutzte den Zwischenlinienraum sehr gut aus. Sowohl bei den Großchancen im Hinspiel als auch dem richtungsweisenden, frühen 1:0 im Rückspiel konnten die Schweden zwischen den Linien verlagern – etwas, das in der vergangenen Saison nicht einmal dem FC Bayern gelang.
In der letzten Runde mussten die Bullen zudem auch noch gegen Sturm die erste Niederlage in der Bundesliga hinnehmen. Dabei griffen die Steirer zu einem interessanten Mittel: sie versuchten erst gar nicht mitzuspielen, sondern fokussierten sich darauf, den Ball möglichst schnell aus der Gefahrenzone zu befördern. Dementsprechend viele klärende Aktionen zeichneten die Statistiker auf. Diese sind, wie erwähnt, auch vom WAC zu erwarten.
Fazit: Gute Voraussetzungen für WAC – zumindest am Papier
Die taktischen Voraussetzungen für eine Überraschung durch den Wolfsberger AC sind also durchaus gegeben. Insbesondere die Frage, inwiefern es sich das Kühbauer-Team zutrauen wird, gegen Salzburgs Gegenpressing zu kontern, dürfte interessant und entscheidend werden. Red Bull ist in dieser Sicht durchaus verwundbar, bot national aber weniger Möglichkeiten als in den CL-Qualifikationsspielen, da man mutiger auftrat und die Abwehr höher positionierte. Andererseits darf man gespannt sein, ob die bisher so überragende Strafraumverteidigung des WAC auch der Bullen-Dynamik standhält oder wie vor einem halben Jahr einbricht.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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