Zoki und seine Rapid: Die lange Geschichte einer On-Off-Beziehung
Bundesliga 15.November.2023 Daniel Mandl
Zoran Barisic und Rapid – eine On-Off-Beziehung mit vielen Höhen und Tiefen. Mit seiner heutigen Beurlaubung ist für den 53-jährigen Wiener nach fast 17 Jahren in Grün-Weiß Schluss. Wir blicken zurück auf eine teils erfolgreiche, teils umstrittene bzw. heftig diskutierte Ära.
Als Barisic vom VfB Mödling zu Rapid wechselte, war er 23 Jahre alt. Rapid befand sich in einer rundum schwierigen Situation, war im Umbruch. Trainer war mit Hubert Baumgartner einer, der aufgrund seiner teils alternativen Methoden von den Spielern eher belächelt wurde. Beim ersten Heimspiel Barisic’ für Rapid kamen beim 3:1 gegen den Wiener Sport-Club 5.200 Zuschauer ins Hanappi-Stadion. Das war für die „Nicht-Spitzenspiele“ allerdings schon viel. Bei der zweiten Saisonauflage gegen den Sport-Club im November waren nur 1.500 Zuschauer da…
Teil der „Daltons“
Die „Daltons“ waren aber schon damals in Grün-Weiß vereint. Didi Kühbauer und der viel zu früh verstorbene Sergej Mandreko waren bereits ein Jahr da. Stephan Marasek und Zoran Barisic kamen zeitgleich 1993 nach Hütteldorf. Es sollte ein eingeschworenes Quartett werden, mit dem sich die Rapid-Fans Anfang und Mitte der 90er-Jahre richtig identifizieren konnten. Ein bisschen verrückt im Kopf, immer einen Schmäh auf Lager und vier junge Burschen, die sich am Platz nichts gefallen ließen und ihre Leistungen brachten.
Bester Freistoßschütze seiner Zeit
Neben seinen medialen Schlagabtäuschen mit seinem Freund Didi Kühbauer, dem Schlüsselspieler dieser Zeit, kam bei „Zoki“ auch noch der „Faktor Freistoß“ hinzu. Acht Jahre nach Antonin Panenka hatten die Rapid-Fans wieder einen, über den sie sagten: „Wenn der am Sechzehner den Freistoß kriegt, is’ wie a Elfer“. Barisic war zu dieser Zeit wohl einer der besten Freistoßschützen Europas, was auch dazu beitrug, dass er als Spieler eine echte Attraktion wurde. Einer, für dessen Fähigkeiten man ins Stadion ging. Einer der Publikumslieblinge war er im Dalton-Gespann sowieso.
Eine erfolgreiche Karriere, in der noch mehr drin war
Und dennoch war Zoki als Spieler ein schlampiges Genie. Immer wieder streute er Leerläufe ein, manche Dinge wollte er vielleicht zu spielerisch lösen. Potential hatte der 1970er-Jahrgang vom offensiven Mittelfeld bis zur Libero-Position zur Genüge, aber insgesamt war in der Kickerkarriere des Zoran Barisic doch noch ein bisschen mehr drin.
Das so zu formulieren, mutet merkwürdig an. Die Karriere des Rapid-Urgesteins war nämlich auch so außerordentlich erfolgreich. In seiner zweiten Saison Cupsieger mit Rapid, in der dritten Meister und Finalist im Europapokal der Pokalsieger. Keine fünf Monate nach dem Finale kam es jedoch zum Zerwürfnis mit Trainer Dokupil.
Suspendierung nach der Cup-Blamage
Die 1:2-Cuppleite in Kottingbrunn sollte Barisic’ letztes Spiel für Rapid sein. Schon zuvor war er in zehn Bundesligarunden der Saison 1996/97 nur knapp 200 Minuten auf dem Platz gestanden. In der Champions League durfte er nur eine halbe Stunde im Old Trafford ran. Als seine Kollegen Mitte Oktober gegen Juventus remisierten war er bereits freigestellt. So richtig aufgeklärt wurde nie, was Dokupil zu seiner Entscheidung bewegte. Vor Zeiten des Internets wurde auch maximal am Stadionkiosk darüber diskutiert, was nun der wahre Grund gewesen sein könnte. Barisic stand schließlich bis zum Winter, wechselte dann für ein halbes Jahr zum FC Linz.
Über Tirol und drei Meistertitel zum Trainerjob
Im Sommer 1997 heuerte er in Tirol an. Was gerne vergessen wird: Barisic bestritt für den FC Tirol mehr Spiele als für Rapid (116 zu 105), feierte gleich drei Meistertitel, spielte sich zum ersten und einzigen Mal ins österreichische Nationalteam. Nach fünf Jahren ging’s zur Admira und parallel dazu begannen für den heute 53-Jährigen die Trainerlehrgänge. Ein Jahr nachdem er seine Karriere in Eisenstadt ausklingen ließ, hielt er die UEFA-A-Lizenz.
Spielerkumpel unter „mürrischem“ Pacult
2006 folgte nach über zehn Jahren die Rückkehr zum SK Rapid. Als junger Co-Trainer unter Peter Pacult wurde er zur beliebten Integrationsfigur für die Spieler. Auf Anhieb erwies sich Barisic als guter Gegenpart zum oft mürrisch anmutenden Pacult. 2008 wurde er als Assistenzcoach zum fünften Mal österreichischen Meister.
Zerwürfnis mit Pacult und ein Schritt zurück
Doch 2009 kam es erneut zu einem Zerwürfnis und Pacult tauschte Barisic durch Leopold Rotter aus. Von einer Liebeshochzeit waren Barisic und Pacult schon davor weit entfernt. Zoki hatte im Klub aber eine starke Lobby, sowohl in der Führungsetage, als auch unter den Spielern. Er wagte den durchaus riskanten Rückschritt in die Akademie, arbeitete in der U19-Mannschaft als Individualtrainer. Als Pacult im Frühling 2011 fristlos gekündigt wurde, rückte Barisic interimistisch ins erste Glied. Direkt aus dem Nachwuchs in die Bundesliga.
Ein ungewöhnlicher Jubel am Tivoli
Die verunsicherte Rapid-Elf war nach 28 Runden nur Fünfter, dennoch nur fünf Punkte von Rang 1 entfernt. Mit Topspielern wie Payer, Heikkinen, Salihi – und auch Hofmann und Katzer – ging er in sein erstes Spiel – ausgerechnet auswärts beim FC Wacker Innsbruck. Barisic gab den Kickern Freiraum und Salihi, Drazan und Hofmann dankten es nach einer turbulenten Zeit mit Treffern und einem 3:0-Sieg. An die Jubelszenen des Interimscoaches mit seinen Schützlingen musste man sich nach fast fünf Jahren Pacult erst gewöhnen.
Enttäuschungen in der Interimsära
Am Ende verlief die Restsaison dennoch enttäuschend. Halbfinal-Aus im Cup in Ried, zähe Unentschieden gegen Mattersburg und Kapfenberg, eine weitere Niederlage gegen Ried und eine 0:3-Derbyklatsche. Rapid wurde nur Fünfter, verpasste den Europacup und Barisic rückte wieder ins zweite Glied. Peter Schöttel übernahm die Kampfmannschaft, Barisic wurde Amateure-Coach.
Basisarbeit fernab der Aufmerksamkeit
Zwei Jahre lang bildete Barisic nun in der Regionalliga Ost die größten Rapid-Talente aus. Unter seinen Fittichen reiften etwa Maximilian Hofmann, Louis Schaub, Peter Zulj oder Philipp Lienhart heran. Die Arbeit abseits des Rampenlichts, ohne viele Fragen von außen, dafür mit vielen inhaltlichen Freiheiten und – vor allem – jungen Spielern war eindeutig etwas, was Barisic zugutekam. Als Peter Schöttel nach der peinlichen 0:1-Niederlage im Cup-Viertelfinale gegen Pasching – wohl wie so oft bei Rapid zu spät – gehen musste, war aber klar, dass für Zoki der nächste Schritt gekommen war.
Erstmals „echter“ Chef
Im April 2013 übernahm Barisic erstmals offiziell und mit längerfristigem Plan die Kampfmannschaft Rapids. Die Mannschaft wurde nach einem soliden Saisonfinish – damals enttäuschend – Dritter und ging mit Hofmann, Sonnleitner, Burgstaller, aber auch Kickern wie Sabitzer, Boyd, Schaub, Alar, Boskovic und Trimmel in die erste volle Barisic-Saison bei Rapid. In dieser Findungssaison sollte Rapid Zweiter werden – 18 Punkte hinter Salzburg. In Europa gab es spannende und souveräne Partien wie das 3:1 gegen Asteras Tripoli oder das 3:0 bei Dila Gori, aber auch herbe Enttäuschungen wie das schwer anzusehende 0:1 in Thun. Und je länger die Saison dauerte, desto mehr kristallisierte sich heraus, dass Barisic mit dem Team einen klaren Plan verfolgte.
Prägende Schlüsseltransfers im Sommer 2014
Im Sommer 2014 wechselten Schwab, Kainz, Beric und Schobesberger nach Hütteldorf. Sie sollten zu Schlüsselspielern in Barisic’ weiterer Idee werden. Das Hanappi-Stadion wurde abgerissen und im unliebsamen „Happel“ wollte Rapid die Weichen für eine Wiederauferstehung wie Phoenix aus der Asche im neuen Stadion stellen. Den ersten großen Dämpfer setzte es aber schon im August: Nach einem 1:2 in Helsinki kam man im Rückspiel zu Hause über ein 3:3 nicht hinaus und flog aus der Europa-League-Quali. Ein schwacher November mit drei Niederlagen gegen Altach, die Austria und Grödig sorgte zudem dafür, dass der Titel auch dieses Jahr kein Thema sein sollte. Nach 16 Runden stand man auf Platz 5, zwölf Punkte hinter Salzburg, übertrumpft auch von Sturm, Altach und dem WAC.
Funktionales, aber ungeliebtes Kurzpassspiel
Barisic etablierte über die restliche Saison das, was die Fans in Anlehnung an Barcelonas Kurzpassspiel „Tiki-taka“ gerne „Zoki-zaka“ nannten, ein engmaschiges, handballartiges Passspiel, zumeist in hohen Spielfeldzonen. Positiv konnotiert war der Begriff aber nur selten, weil sich zahlreiche Rapid-Fans nach explosiverem Spiel, mehr Kampf und auch nach diesem neumodischen Pressing, von dem plötzlich alle auch im Detail sprachen, sehnten. 80% Ballbesitz lagen für viele Fans nicht in der DNA des Klubs – dennoch gab der Erfolg Barisic weitgehend Recht. Rapid beendete die Saison 2014/15 auf dem zweiten Platz, nur sechs Punkte hinter Salzburg. Schon damals taten sich viele Fans und Beobachter schwer mit Barisic’ Interviews und der Suche nach Ausreden.
Amsterdam und Donetsk – ein Wendepunkt im Big Picture
In der Saison 2015/16 war das Barisic’sche Kurzpassspiel bereits so weit in seiner Umsetzung fortgeschritten, dass sich viele Gegner extrem auf die technische Überlegenheit Rapids einstellten. In Europa setzte man mit dem legendären Erfolg über Ajax Amsterdam und einem unfassbar bitteren Ausscheiden gegen Shakhtar Donetsk im Champions-League-Playoff eine echte Duftmarke. In der Gruppenphase besiegte Rapid Villarreal und – in einem der besten Spiele der ersten Ära Barisic – Viktoria Pilsen. In der Zwischenrunde der Europa League kassierte man allerdings in zwei Spielen zehn Trümmer von Valencia, das Rapid die Grenzen deutlich aufzeigte. Hätte Robert Beric seinen Sitzer in Donetsk verwertet, wäre wohl alles anders gekommen und Barisic wäre wohl auch als Rapid-Trainer ins neue Stadion umgezogen. Zudem hätte der Verein eine völlig andere finanzielle Basis gehabt. Manchmal geht’s im Fußball eben nur um Kleinigkeiten…
Niederlagen in der Provinz als Sargnagel
Im dichten Programm dieser Saison gab es immer wieder Rückschläge, wie etwa Auswärtsniederlagen in Altach, Wolfsberg, Grödig und bei der Admira. Während Rapid von 18 Heimspielen nur vier verlor, zwölf gewann, waren die unerklärlichen Leistungsschwankungen gegen die kämpferischen, körperlich reifer wirkenden Provinzklubs schon damals ein heftiges Gegenargument gegen das immergleiche Barisic-Spiel, das nach dem Abgang von Robert Beric und der Verpflichtung von Matej Jelic, der sich als Transferflop erwies, im letzten Drittel nie wieder dieselbe Sicherheit und Finesse erlangte.
Knasmüllner verhinderte Rapid-Tabellenführung
Am 27. Spieltag kippte bei einer 0:4-Heimniederlage gegen die Admira die Stimmung. Überragender Spieler war Christoph Knasmüllner mit zwei Treffern. Die Stimmung kippte aber vor allem deshalb, weil Rapid mit dieser Niederlage den Sprung zurück an die Tabellenspitze verpasste, die man nach 25 Runden noch inne hatte. Am Ende der Saison lag man neun Punkte hinter Salzburg auf Platz zwei. Kategorien in der zweiten Meisterschaftshälfte, von denen Rapid aktuell nur träumen kann.
Malochen statt Wiener Walzer
Gerade als das neue Stadion im Begriff war, aufgesperrt zu werden, entschloss man sich in Hütteldorf, auch auf dem Trainersektor für frischen Wind zu sorgen. Sportdirektor Andreas Müller installierte seinen alten Weggefährten Mike Büskens und damit einen hemdsärmeligen „Malocher“ aus dem Ruhrpott. Der Gedanke dahinter war wohl auch, dass Rapid explosiver werden sollte, das technisch dominante Spiel durch mehr Dynamik ersetzt werden müsste. Dass mit Spielern wie Mocinic, Joelinton oder Traustason aber eigentlich „Barisic-Kicker“ verpflichtet wurden, passte kaum ins Bild.
Kurze Auslandsausflüge
Barisic machte aus seiner Enttäuschung über die Entscheidung berechtigterweise nie einen Hehl, machte einige Monate Pause, unterschrieb dann einen Vertrag beim türkischen Klub Karagümrük, wo er aber nur knapp vier Monate blieb, nachdem die Gehaltszahlungen ausblieben. Ein Jahr später wechselte er nach Ljubljana, wo er trotz eines Punkteschnitts von 2,13 in 15 Partien sogar noch kürzer blieb.
Bickel-Nachfolger in ungewohnter Position
Im Grunde verschwand Barisic in der nationalen Wahrnehmung für drei Jahre von der Bildfläche, ehe er im Mai 2019 wieder dem Ruf Rapids folgte. Als Geschäftsführer Sport beerbte er Fredy Bickel, der es nicht schaffte, das Stückwerk der vergangenen Jahre zu sortieren. Nach Büskens scheiterte auch Canadi als Rapid-Trainer und Goran Djuricin zerschellte trotz teilweise guter Ansätze an der fehlenden Lobby im Klub und einigen fragwürdigen Personalentscheidungen bzw. am Umgang mit Vereinslegende Steffen Hofmann.
Schwieriges Freundegespann
Mit dem Freunde-Duo bestehend aus Cheftrainer Kühbauer und Sportchef Barisic sollte es wieder bergauf gehen. Schon zu Beginn dieses Arbeitsverhältnisses hatten jedoch viele Beobachter befürchtet, dass es nicht friktionsfrei zu Ende gehen würde. Wie so oft wurde der übertriebene Freundschaftsgedanke bei Rapid bereits im Voraus als möglicher Hemmschuh ausgemacht. Und obwohl es anfänglich gut lief, sollte sich diese Befürchtung zwei Jahre später bewahrheiten.
Gute erste Transferperiode
Barisic rückte als Sportchef dennoch aus wenig aus der Schusslinie, bekam nach längerer, grün-weißer Abwesenheit einen Vertrauensvorschuss. Allerdings wurde es einmal mehr verabsäumt, Rapid ein klares Gesicht zu geben, was Barisic in dieser Funktion noch eher und einfacher hätte etablieren können. Zunächst profilierte er sich aber als guter Verkäufer, der Millionen mit den Verkäufen von Müldür, Bolingoli und Badji einnahm. Dem gegenüber stand der eine oder andere gute Transfer, wie etwa das Duo Fountas-Kara, der kämpferische Stojkovic oder der prestigeträchtige Transfer von Maximilian Ullmann, mit dem man dem aufstrebenden LASK eins auswischte. Einzig Kitagawa und Petrovic sollten die Erwartungen nicht erfüllen. Rapid wurde dennoch Vizemeister und spielte ein gutes Meisterplayoff mit sechs Siegen.
Demir als Zankapfel, wenig Aktivität trotz Abgängen
Probleme begannen in der Saison 2020/21 – unter anderem wegen Yusuf Demir. Rapids Juwel wurde von Kühbauer „geschnitten“, während praktisch alle anderen im Klub der Meinung waren, dass das Supertalent praktisch immer zu spielen hat. Auf dem Transfermarkt tat sich praktisch nichts und die Abgänge von Schwab und Murg wurden weitgehend intern und mit der Leihe von Marcel Ritzmaier abgefangen.
Corona immerhin als „spielerischer Vorteil“
Dann kam Corona und damit eine Phase, die Rapid spielerisch entgegenkam, weil man mit einer insgesamt eher fragilen Truppe, ohne schlechtem Gewissen vor den Fans (die plötzlich nicht mehr da waren) reaktiv agieren konnte. Es fiel eine riesige Portion Druck weg und Kühbauer konnte den Vizemeistertitel bestätigen, während sich Barisic als Sportvorstand aufgrund der COVID-Situation kaum bewegen konnte. Eine langfristige Lösung war diese Art zu spielen allerdings nicht und das wusste man auch. Einmal mehr wurde auf die Basisarbeit vergessen und Rapid blieb weitgehend „gesichtslos“, feierte allerdings kurzfristig durchaus Erfolge.
Schwere Personalentscheidung
Die stark zerstückelte Saison 2021/22 bedeutete schließlich auch trotz zweier zweiter Plätze das Ende für Didi Kühbauer. Nach einem inferioren 1:4 in Wolfsberg musste Kühbauer mit nur 16 eroberten Punkten aus den ersten 14 Spielen gehen. Nach der kurzen Hickersberger/Hofmann-Interimsphase übernahm Ferdinand Feldhofer – und damit nicht der Kapazunder, den sich die Fans erwarteten.
Erstmals unschlüssige Personalpolitik
Mit Aiwu, Grüll und Robert Ljubicic, der direkt auf seinen nach Köln abgewanderten Bruder folgte, kamen vor der Saison einige Schlüsselspieler hinzu. Andere Transfers, wie etwa Kevin Wimmer oder Thierno Ballo, der zur falschen Zeit am falschen Ort war, wie man aktuell in Wolfsberg beobachten kann, rissen Lücken ins Gefüge. Ferdy Druijf konnte die Abgänge von Fountas und Kara im Zuge seiner Winterleihe alleine nicht abfedern. Zu sehr verließ man sich auf die, die noch da waren – zu groß war das Vertrauen in Spieler, die nicht die Qualität hatten, den schweren Dampfer Rapid alleine zu steuern.
Eine völlig neue Mannschaft für Feldhofer
Feldhofer zeigte zwar in seinem ersten Spiele beim 1:0-Sieg in Genk was mit der Mannschaft möglich wäre, aber die kurzzeitig aufflackernde Euphorie wurde mit Beginn des Jahres 2022 sofort im Keim erstickt. Im Cup flog man zu Hause gegen Hartberg raus, gegen Vitesse Arnheim lieferte man ein gruseliges Auswärtsspiel ab und auch in der Liga fand man keine spielerische Linie.
Rapid wurde enttäuschender Fünfter. Erst über das liga-interne Playoff qualifizierte man sich für Europa. Barisic versuchte nun in seiner letzten Transferzeit als Sportchef den radikalen Turnaround, verabschiedete elf Spieler, holte Burgstaller als Leithammel und ausbaufähige Spieler wie Kühn oder Pejic. Allerdings ging die Routine-Offensive schief und Spieler wie Sollbauer, Kerschbaum, Greil, Koscelnik oder Bajic schlugen allesamt nicht sofort ein. Feldhofers offenbar zu komplexe Vorstellungen erreichten die Mannschaft nicht – und dann kam Vaduz.
(Zu) Lange nach Vaduz: Barisic kehrt auf die Trainerbank zurück
Auch nach dem blamablen Ausscheiden gegen die Liechtensteiner hielt man an Feldhofer (und Barisic) fest, tat damit wohl beiden keinen großen Gefallen. Mehrfach hatten die Wiener die Chance das Ruder noch herumzureißen, aber spätestens mit der 1:2-Derbyniederlage im Oktober 2022 kippte die Stimmung endgültig. Eine Woche später, nach einem 0:1 in Ried, wurde Feldhofer beurlaubt und Barisic übernahm „seine“ Mannschaft – also die Truppe, die er als Sportchef zusammenstellte. Kurioserweise stellte dies eine Degradierung dar, die von vielen Fans als Plan- und Mutlosigkeit interpretiert wurde. Zudem war der Rückschritt vom Sportchef zum Trainer auch ein Indiz dafür, dass man mit der Kaderplanung unzufrieden war und auf der Position des Sportdirektors etwas verändern wollte. Wie so viele Entscheidungen Rapids in den letzten Jahren und Jahrzehnten war auch diese schlichtweg nicht schlüssig.
„Jetzt wird alles gut“
Schon zu diesem Zeitpunkt konstatierten viele Beobachter, dass diese Konstellation Harakiri mit Anlauf ist. Steffen Hofmann beruhigte kurz vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer auf der Hauptversammlung die konsternierten Rapid-Fans: „Jetzt ist der Zoki wieder unser Trainer, jetzt wird alles gut“. Tatsächlich gab es ein kurzes Aufflackern mit einigen überzeugenden Spielen, aber die Frühjahrssaison 2023 endete in der Liga mit einem Punktschnitt von 1,12 und einem schlussendlich vercoachten Cup-Finale, in der Barisic gegen eine giftige Sturm-Elf wieder das eigene Spiel durchziehen wollte, anstatt mehr Adaptionen auf die offensichtlichen Stärken des Gegners vorzunehmen. Der vierte Platz in der Bundesliga war am Ende sogar schmeichelhaft.
Obwohl der Kader aufgebläht war und offensichtlich Schwachstellen beinhaltete und obwohl Rapid keine Not hatte, dies zu tun, wurde Barisic’ Vertrag als Trainer bereits im Februar 2023 bis Sommer 2025 verlängert. Zwar eine Formsache aufgrund der Aufteilung des Geschäftsführergehalts auf den „kleineren“ Trainerposten, aber dennoch ein typischer, kurzsichtiger Rapid-Fehler, der nicht das erste Mal passierte bzw. faktisch problematisch war.
Zerhackte Sommertransferzeit 2023
Als Nachfolger von Barisic war es schließlich Markus Katzer, der dessen Fehler in der Kaderplanung ausbügeln musste. Mit geringen finanziellen Mitteln ausgestattet, war das oberste Ziel, die Flops von der Gehaltsliste zu bekommen. Das gelang zumindest teilweise, auch weil einige auslaufende Verträge nicht verlängert wurden. Mit Seidl und Cvetkovic gelangen zwei spannende Transfers – auf den anderen Baustellen agierte man aber zögerlich und konnte sich finanziell kaum bewegen. Kongolo und Kasanwirjo stießen bekanntlich erst am letzten Transfertag leihweise zu Rapid.
Barisic schützte die Spieler ohne Wenn und Aber
In der laufenden Saison fielen Barisic schließlich Dinge auf den Kopf, die er zuvor über Jahre gesät hatte und die zum Teil auch ein elementarer Bestandteil seiner Persönlichkeitsstruktur sind. Kaum ein Trainer ist so sozial und empathisch wie Barisic, kaum einer liebt seine Spieler so wie er. Das führte schlussendlich zu einer ähnlichen „Betriebsblindheit“, wie in einigen Phasen seiner ersten Ära. Der Rapid-Trainer verteidigte seine Mannschaft auch nach schlechten Leistungen – zumindest mit seinem „Kamera-Ich“, das ein völlig anderes als das des privaten Zoran Barisic ist. Was nach schwachen Leistungen hinter verschlossenen Türen passierte, kann nur erahnt werden. Die Verteidigung seiner Schützlinge – und das waren sie im wahrsten Sinne des Wortes – ließ die öffentliche Stimmung aber genau wie schon 2016 kippen.
Das schnelle Fußballgeschäft und der geduldige Zoki
Der Fußball hat sich auch in den letzten sieben Jahren massiv weiterentwickelt und Barisic wollte mit der einen oder andere Facette dieses dynamischen, sich ständig verändernden Fußballs wohl nicht mit. Das vereint ihn auch mit einigen seiner Vorgänger, die stets ihr eigenes Ding durchzogen, anstatt Rapid in eine klarere Form zu gießen. Auch wenn man in Ansätzen wieder so etwas wie eine Handschrift erkennen konnte, wurde Rapid doch nach und nach unflexibler und immer leichter auszurechnen. Die zahlreichen vergebenen Torchancen ausgeblendet, war das 0:1 in Hartberg, das schließlich zum finalen Stolperstein wurde, das deutlichste Sinnbild für diese „inhaltliche Stagnation“.
Unwürdiges Schauspiel zum Abschluss
Aber: Zoran Barisic hat nicht nur mit seiner Arbeit, sondern auch seiner verbindlichen Art Generationen von Rapid-Spielern geprägt. Das darf auch im Misserfolg nicht vergessen werden. Umso bitterer war die mehr als chaotische Kommunikation rund um seine Personalie in den letzten Tagen. Ein angemessenerer Abschied wäre sicher wünschenswert gewesen, aber auch das Herumgeeiere und die fehlende Ehrlichkeit auf Führungsebene sind leider kein neues Rapid-Problem. In Wien-Hütteldorf sagt man eben schon lange nicht mehr was Sache ist, sondern was sich für einen selbst am besten anhört, wenn man keinem Beteiligten auf den Schlips treten will (was bekanntlich nur schwer möglich ist).
Mehr Balance, klarere Linie
Jedes Ende ist auch eine Chance und öffnet neue Türen. Für Rapid wird es nun darauf ankommen, das Beste aus allen Welten mitzunehmen. Einerseits gilt es, die spielerischen Verbesserungen, die Barisic zuletzt zweifelsohne etablieren konnte, mitzunehmen und weiter zu stärken. Zudem braucht Rapid vor allem im Spiel gegen den Ball und in gruppentaktischen Elementen, aber auch in Bezug auf Analyse und Reflexion eine klarere Linie. Dies sind auch die Facetten, in denen man Barisic in seiner letzten Amtszeit bei Rapid Mängel vorwerfen muss. Der Fokus auf das eigene Spiel war stets zu groß, Gegneradaptierungen dafür unzureichend. Diese fehlende Balance und auch der eine oder andere Freifahrtschein für die Spieler, die auch nach miserablen Leistungen stets geschützt wurden, anstatt die Rute ins Fenster gestellt zu bekommen, sorgten dafür, dass sich nie ein richtiges Mannschaftsgefüge herauskristallisierte. Barisic verbesserte seine Kicker, aber nicht die Mannschaft als Ganze.
Guter Ruf, aber Schwierigkeiten mit „präsenter Rapid“
Der Vertrag des beurlaubten Rapid-Trainers läuft nun noch bis Sommer 2025. Bis dahin wird er auch auf der Gehaltsliste der Grün-Weißen stehen. Neben Barisic’ unbestrittenen, menschlichen Vorzügen genießt er auch fachlich in Österreichs Fußballumfeld einen guten Ruf. Er gilt als Trainer, der sowohl ein Auge, als auch einen guten Draht zu Spielern hat. Rapid ist allerdings der Klub mit dem größten öffentlichen Interesse und das war für den sturen Coach eine Situation, mit der er häufig nicht gut umgehen konnte bzw. auch kommunikative Fehler machte, die schnell öffentlich zerrissen wurden. Dinge, die Barisic bei einem Engagement mit weniger öffentlicher Aufmerksamkeit, wohl nicht hätten kümmern müssen.
Die „Einfachheit“ als Vor- und Nachteil
Während Barisic in seiner ersten Amtszeit der richtige Trainer am richtigen Ort war und lediglich den Absprung in eine etwas „populistischere“ Spielweise verabsäumte, war er dies in seiner zweiten Amtszeit nur zu Beginn, um im Herbst 2022 einer verunsicherten Mannschaft die Lockerheit und die Einfachheit des Fußballs wiederzugeben. Das Festhalten an der viel zitierten „Einfachheit“ war im Jahr 2023 aber auch der größte Hemmschuh. Dies funktionierte so lange, wie die Mannschaft traf und Punkte holte. Die Probleme dann aber auf den kleinsten Nenner zu reduzieren und auf den aufplatzenden Knopf zu hoffen, war schlussendlich zu wenig. Das torlose Remis im Derby, das nicht nur Barisic massiv mitnahm, stellte eine Zäsur dar. Ab hier war für den Langzeitrapidler in Wahrheit nicht mehr viel zu kitten. Die sehr präsente Rapid-Öffentlichkeit hatte ihre Meinung weitgehend manifestiert: Revolutionen würde man keine mehr erwarten dürfen.
Barisic hinterlässt zahlreiche Learnings
Eine ebensolche braucht Rapid nach dem Barisic-Aus auch nicht. Lediglich eine bessere Balance und mehr Selbstreflexion. Das spielerische Rüstzeug, das Barisic bei Rapid hinterlässt, ist eines, auf dem man aufbauen kann. In seiner Gesamtheit muss das Konzept Rapid aber hinterfragt, in ein strafferes Konzept gepresst und nach wie vor in einigen Punkten in die Moderne überführt werden. Eine Aufgabe, die die Führungsriege der Hütteldorfer parallel zur Bestellung eines neuen Trainers keinesfalls stiefmütterlich behandeln darf. Barisic hat Rapid geprägt, viele gute Dinge getan, aber auch viele Probleme und Unzulänglichkeiten aufgezeigt. Welche Puzzleteile aus diesem jahrelangen Learning man nun in die Zukunft mitnimmt und welche man in der Analyse als verbesserungswürdig ausmacht, wird über Erfolg und Misserfolg des Vereins entscheiden.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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