Das Phänomen des Janus-Kopfs (1) – Die Karriere des Paul Scharner
Fußball in Österreich 16.August.2013 Marie Samstag 0
Der Janus-Kopf ist eine Darstellung des altrömischen Gottes Janus. Vorwärts- und rückwärtsblickend trägt Janus die Beinamen „Geminus“ (der Doppelte), „Bifrons“ (der Zweistirnige) oder „Biceps“ (der Zweiköpfige). In seiner mythologischen Bedeutung ist Janus der Gott allen Ursprungs, des Anfangs und des Endes, der Ein- und Ausgänge, der Türen und der Tore. Später wurde er zum Vater aller Dinge und Götter erhoben. In altrömischen Häusern war der Januskopf häufig über Türen angebracht. Heute ist das „Doppelgesicht“ auch ein Sinnbild für Zwiespältigkeit oder Zweischneidigkeit.
Keine Frage, Paul Scharners Karriere ist „janusköpfig“. Sein beruflicher Weg führte den 33-Jährigen von Austria Wien, über Untersiebenbrunn, Austria Salzburg und Brann Bergen bis nach England. Auf der Insel kickte der Niederösterreicher für Wigan Athletic und West Bromwich Albion, heute steht er beim Hamburger SV unter Vertrag. Objektiv betrachtet, eine sehr gut verlaufene, wenn auch nicht einzigartige Karriere. 7 ½ Jahre Inselfußball über die Runden zu bringen, ist schon einmal kein Fliegendreck. Auch wenn seine Vereine nicht gerade große Titelambitionen hatten, konnte Scharner mit Wigan Athletic im Mai 2013 den FA Cup gewinnen. Sein bisher größter Triumph und die Krönung einer achtbaren Frühjahrssaison. Irgendetwas muss Paul Scharner also richtig machen, sonst wären solche Erfolge nicht möglich gewesen. Aber in seinem Lebenslauf ziehen sich auch Unstimmigkeiten, Zerwürfnisse und Missbilligungen wie ein roter Faden durch seine Vereinsstationen. Und damit kommen wir zum Doppelgesicht.
Maierhofers Vorgänger
Seien wir ehrlich, Scharners Talent als Fußballer ist überschaubar. Harte Arbeit und sein Mentalcoach und Karriere-Trainer Valentin Hobel machten es möglich, dass er trotz allem eine anständige Laufbahn hinlegte. Dafür gebührt beiden Respekt. Zielstrebigkeit, Flexibilität und Training formten aus dem Purgstaller einen brauchbaren Premier-League-Verteidiger. Dass Scharner ausgerechnet die längste Zeit seiner Karriere in Großbritannien verbrachte, verwundert nicht weiter: Eine harte, körperliche betonte Spielweise kam ihm entgegen. Wertfrei gesagt, Paul ist eher Holzhacker als Feinmechaniker. Doch das soll seinen Erfolg nicht mindern: Scharner stieg bei seiner ersten Station in Wigan schnell zum Publikumsliebling auf. Warum? Der Querkopf gab immer hundert Prozent, war mit dem Kopf dort, wo andere das Bein zurückziehen und bewies eine erstaunliche Torgefährlichkeit. Genauso wie bei Stefan Maierhofer ist es bewundernswert, was Scharner aus seinen Möglichkeiten gemacht hat. Selbstbewusst ließen sich beide nie von ihrem Weg abbringen und überwanden Grenzen, die andere ihnen gesetzt hatten. Allemal besser, als faule Genies, die zu bequem sind ihr Potential auszuschöpfen. Mit Kritik müssen beide Kategorien Spieler leben, doch zu wissen, dass man alles aus sich herausgeholt hat, beruhigt das Gewissen der Scharners und Maierhofers weltweit. Doch wie bei allem im Leben, gibt es auch eine andere Ausprägung dieser Lebenseinstellung.
The dark side of self confidence
Der Trainer ist immer der Chef. Selbst ein Paul Scharner muss das akzeptieren. Das Selbstbewusstsein, das Hobel seinem Schützling eingeimpft hatte, zeigte seine negativen Auswirkungen erstmals im Oktober 2003. Scharner lehnte eine Einwechselung ab, da er nicht auf jener Position zum Einsatz kommen sollte, wo er seiner Ansicht nach am Stärksten agieren kann. Der damalige Austria-Coach Joachim Löw war erbost und Scharner wurde von seinem Klub suspendiert. Er blieb der Austria nur namentlich treu und wechselte zu jener, die in Salzburg spielt. Hier zeigte sich erstmals die Unverbesserlichkeit des Purgstallers: „Ich bleibe meinem Weg treu“, erzählte er den Medienvertretern. Einem Weg, den der Niederösterreicher alleine kennt. Aus dieser Geschichte scheint Scharner aber auch gelernt zu haben, später ließ er sich bestimmte Positionen vertraglich zusichern.
Drei Jahre später, Scharner verdiente sein Geld mittlerweile bei Wigan Athletic, kündigte er seinen Rücktritt vom ÖFB-Team an. Der Spieler kritisierte die „unprofessionelle Strukturen“ des Verbandes und meinte pathetisch: „Mein Patriotismus wurde getötet.“ Er erklärte nie wieder für Österreich auflaufen zu wollen. Die Ewigkeit dauerte kein Jahr. Denn kaum stand die EURO vor der Tür, wollte der Defensivspieler doch wieder mitmachen. Obwohl er einst gemeint hatte, er könne sich nur wieder vorstellen, das rot-weiß-rote Trikot zu tragen, wenn sein Berater Hobel ebenfalls mit von der Partie wäre. Bei allem Verständnis, aber das ist ebenso unprofessionelles Verhalten. Wo käme man denn hin, wenn jeder Teamspieler sein eigenes Süppchen kochen möchte. Anregungen, Kritik und Hilfe sind sehr erwünscht, aber per Erpressung dem eigenen Betreuerstab Zweitjobs zu verschaffen, erinnert einerseits stark an Vetternwirtschaft und ist andererseits einer hierarchischen Vereinsstruktur nicht zumutbar. Am Ende hätte Roman Kienast einen Funktionärsplatz für Papa Wolfgang oder Onkel Reinhard gefordert, Ümit Korkmaz hätte seine Mutter gerne als Mannschaftsköchin beschäftigt oder Erwin „Jimmy“ Hoffer wäre nur ins Teamcamp eingerückt, wenn ihn seine gesamte Großfamilie begleiten hätte dürfen.
Auch wenn es im ÖFB viele Missstände und „Pfuschereien“ gibt, wie Scharner darf man nicht agieren. Ganz klar, der Verband agiert unsachlich und teilweise verstandslos. Einer der Gründe, warum das A-Team nach wie vor zu wenige Erfolge feiern kann. Doch wer das ändern möchte, kann nur derartige Tatsachen an die Öffentlichkeit und damit an die Medienvertreter tragen, damit Druck von außen den Verband aufsprengt und eine Beseitigung altmodischer Zustände endlich möglich wird. Gut so, also, dass Paul Scharner erstmals aufzeigte, dass der ÖFB ihm zuwider war, schlecht, aber dass er keine konkreten Probleme erläuterte und noch schlechter, dass er versuchte den Verband zu erpressen. Damit begab er sich nämlich auf dieselbe Stufe.
Im Oktober 2007 gestand Paul Scharner ein, mit dem Rücktritt einen Fehler begangen zu haben und erklärte, wie immer ganz selbstbewusst, er könne der Nationalmannschaft bestimmt helfen. Der damalige Teamchef Josef Hickersberger blieb ein Sir und verlautbarte diplomatisch, dass er auf einen Premier-League-Stammspieler nicht freiwillig verzichtet hätte, Scharners Aussagen würden aber dazu führen, dass er ihn so lange er das A-Team leite, nicht mehr einberufe. Und im Gegensatz zu Scharner, blieb „Hicke“ bei seinem Wort. Bei der EM 2008 war der dreifache Familienvater zum Zusehen verdammt. Sein Premier-League-Kollege Emanuel Pogatetz erwischte es besser. Dieser hatte nach der 0:1-Niederlage gegen Venezuela nämlich neben dem ÖFB auch den Cheftrainer persönlich kritisiert. Er warf Hickersberger fehlendes taktisches Verständnis vor. Nach einem „Canossa-Gang“ inklusive Aussprache, durfte der Verteidiger aber wieder für die Alpenrepublik auflaufen.
Marie Samstag, abseits.at
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