Der spielende Fan – Klubhelden der Neuzeit (6): Adi Pinter
Fußball in Österreich 3.Dezember.2013 Marie Samstag 4
Vereinstreue, Engagement und Identifikation fordern die Anhänger von ihren Spielern. In einer Welt des Wettkampfes und des Geldes müssen diese aber oft zweitrangig sein. Vereinswechsel in bessere finanzielle und sportliche Perspektiven sind an der Tagesordnung. So ist Fußball.
Aber es gibt auch Ausnahmen: Kicker, die selber Fans ihrer Farben sind und für diese ihr Herzblut vergießen. Bubenträume, die mit einem Profivertrag beim Traumklub war wurden.
In dieser achtteiligen Serie wollen wir euch nun einige Musterexemplare dieser Gattung vorstellen: Urgesteine und Legenden, sowie noch aktive Kicker, die Spieler und Anhänger in Personalunion sind. Unterschiedliche Typen in unterschiedlichen Ligen. Wir gehen der Frage nach ob und warum man ihnen eines Tages ein Denkmal meißeln wird….
Teil 6 unserer Serie behandelt:
Adi Pinter – Ein kleines bisschen (Horror)show
Trainer, Sprücheklopfer, Maler, Mental-Coach, Regisseur und Schauspieler, Fußballprofi, Dozent und Seminarleiter, Politiker, Sportfunktionär. Adi Pinter hat bzw. hatte viele Berufe und Berufungen. Er ist ein polarisierender Paradiesvogel, ein Ur-Grazer, der in der Welt zuhause ist, und auch Ernst Happel-Vertrauter, Familienvater, Ehemann und überzeugter GAK-Anhänger. Vor 65 Jahren nahm Pinters Leben im „grünsten“ Bundesland der Alpenrepublik seinen Anfang. Heute stellt Adi fest:
„Die Welt beginnt in Österreich“
Geboren wird der Tausendsassa am 19. Jänner 1948 in Graz. In der Stadt, die er bis heute liebt: Er kommt extra aus seiner bayerischen Niederlassung angerauscht, um am Kaiser-Josef-Platz Kernöl zu kaufen, wenn ihm sein Zuhause fehlt. Die Heimat ersetzt ihm ein bisschen die Familie, denn Pinter wächst mit seinem Bruder im Waisenhaus auf. Zwölf Jahre lang muss er sich einer strengen Hierarchie beugen und das ist nicht immer lustig.
Früh kommt er zum Fußball, kickt schon als Knirps beim GAK. „Die Erfahrungen aus dieser Zeit sind die Triebfeder meines Schaffens, sie treiben mich an immer etwas Neues zu lernen.“, erzählt Pinter heute rückblickend. Sein vorrangiges Ziel ist es zunächst Fußballprofi zu werden. „Ich habe als Waisenkind durch den Zaun geschaut und spielte später für diesen Klub. Das vergesse ich nie.“, sagt Adi Pinter über den Grazer Klub. Jahre später wird man ihn mit den „roten Teufeln“ stets assoziieren, davon ist aber damals noch keine Rede.
Pinters Laufbahn als Spieler kommt nicht so richtig in die Gänge, er wechselt schließlich nach Belgien. Dort sammelt er erste Erfahrungen als Spieler-Trainer und gibt seine aktive Karriere schließlich auf. Seine weiteren Coaching-Stationen befinden sich in Deutschland und Schweden.
Bald trifft Pinter auf den Trainergott Ernst „Wödmasta“ Happel, der sein Leben und seine Laufbahn entscheidend beeinflussen soll. Rund 20 Jahre begleitete der Grazer Happel als Volontär und Co-Trainer durch sein Leben. Adi weiß:
„Was ihn auszeichnete, kann man an keiner Schule lernen.“
Das gilt übrigens auch für Pinter selbst. Über zwanzig Profivereine hat er in seiner Trainerkarriere betreut, manche Engagements sind äußert kurz. 24 Stunden ist Pinter Chefcoach der Nationalmannschaft der Vereinigten Arabischen Emirate: Die sind beim ersten Training zwei Stunden zu spät gekommen. Ich habe ihnen gesagt: „Wenn Sie noch einmal zu spät kommen, können Sie die Scheiße selber machen.“ Beim zweiten Training bin ich dann abgereist. Ich hab ihnen gesagt, ich sei es nicht gewohnt, Arschlöcher zu trainieren.
Bis zu Happels Tod besteht eine enge Verbindung der beiden Herren: Beim KRC Harelbeke ist Pinter zunächst Co-Trainer seines Mentors. Danach absolviert er ein Volontariat beim Hamburger SV, den Happel als Headcoach betreut. Auf unterschiedlichen Bänken sind die beiden auch in der Bundesliga tätig: Happel sitzt von 1987 bis 1991 auf der Tiroler Seite, Adi führt kurze Zeit „seinen“ GAK.
Hier wird Pinter zum „roten Messias“. Vom 12. April 1987 bis zum 14. Mai 1988 und vom 16. Oktober 1989 bis zum 2. Dezember 1989 ist er Cheftrainer des Grazer Athletiksport-Klubs. Schwer abstiegsgefährdet kann Pinter „seinen“ Verein auf Platz 3 unterbringen. In der nächsten Saison läuft es lange gut, bis beim GAK alles zusammenbricht und der „Retter“ gehen muss.
Davor ist der „Showman“ mit dem großen Mundwerk aber plötzlich die Gallionsfigur der Liga. Einige Jungspunde erinnern sich noch heute daran, dass ihre „rote“ Fan-Karriere mit Pinters Ära begann. Sogar ein gutes „Tröpferl“ wird als „Roter Messias“-Wein verkauft, bei einer möglichen Meisterfeier kann dieser aber nie geöffnet werden.
Mit roter Krawatte steht der Lockenkopf am Spielfeldrand und liefert sich heiße Diskussionen mit Schiedsrichtern, Gegnern und der eigenen Truppe. Unbescheiden wie immer, stellt Adi fest: „Ich hab für den GAK so viel zählbar Gutes getan, dass es für mehrere Mitgliedsleben reicht.“ In den 80ern ist Pinter in aller Munde, er wird zum schrägsten Vogel der Bundesliga und der Erfolg gibt ihm zeitweise auch Recht. Pinter „beglückt“ anschließend den Wiener Sportklub, NK Croatia Sesvete und Pasching mit seinem Engagement.
Seine Philosophie hat er nur zum Teil vom „Wödmasta“ Happel übernommen, Pinter verlegt sich auf die Motivation um die letzten Prozent aus Kickern herauszupressen. Instinktfußball ist das Seine. Er selbst sieht sich als Pionier, andere bezeichnen ihn als Selbstdarsteller.
Der Grazer, der verstärkt auf die vereinseigene Jugend setzt, ortet heute Probleme, wenn Trainer die Happel-Schule praktizieren wollen: „Er (Anmerkung: Happel) müsste die Spieler anders behandeln, der dosierte Terrorismus, den er praktiziert hat, würde nicht mehr akzeptiert werden. Die jungen Leute fragen heute viel stärker nach dem Sinn des Tuns.“
Trotzdem hat er vom „Wödmasta“ einiges gelernt, besonderen Wert legt der 65jährige auf den Zusammenhalt der Mannschaft. Hierfür setzt er auch auf ungewöhnliche Motivationsmethoden: Mit „Total COACHING“ will Pinter das Kräftereservoir reaktivieren und Körper, Geist und Seele in Einklang bringen.
Adi Pinters Trainerlaufbahn spannt sich von Panachaiki Patras in Griechenland über Brynäs I.F. in Schweden und Lech Posen in Polen bis hin zu Olympique Marseille in Frankreich.
2011 ereilt ihn der Ruf Paschings, ein Angebot nach Pinters Geschmack: „[…] weil es eigentlich eine Aufgabe ist, die nicht zu lösen ist. Unlösbare Aufgaben reizen mich besonders.“ Den Vorletzten der Regionalliga Mitte soll der „Wunderwuzzi“ in die Bundesliga zurückführen. Sein Geltungsdrang macht ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung.
Im November 2011 ist Pasching zu Gast in Graz: Pinter kündigt an der steirischen „Kurve ein Geschenk zu machen, von dem sie noch die nächsten 100 Jahre reden werden.” Der Trainer betritt, das Feld und läuft in Richtung Tribüne. Im Angesicht von Pinters Bademantel, ahnt der ein oder andere vielleicht schon, was kommen wird. Zunächst erblickt man jedoch unter dem Frottee Adis „Einser-Panier“, jene Berufskleidung, die ihn als GAK-Trainer berühmt gemacht hatte: Die obligatorische rote Krawatte auf weißem Hemd.
Adi legt die Krawatte ab und wirft sie dem Publikum zu, erstaunlicherweise entledigt er sich kurz darauf auch seines blütenweißen Hemds und präsentiert das gemalte GAK-Kürzel auf seiner Kehrseite. Adi wie er leibt und lebt. Die Grazer Fans feiern, auch nach Spielende, denn der FC Pasching wird mit 6:0 besiegt. Pinter ist wieder in aller Munde, die Medien berichten über den Eklat. Wenig überraschend, dass der Steirer kurz daraufhin entlassen wird. „Das Projekt FC Pasching und Adi Pinter kann für beendet erklärt werden. Es macht keinen Sinn mehr. Wir spielen um den Abstieg und da sollte der eigene Verein im Vordergrund stehen und nicht der GAK. So etwas geht einfach nicht“, lässt Präsident Nussbaumer verlautbaren.
Pinter rudert später öffentlich zurück, er hätte nach dem Spiel in Graz sowieso mit dem Präsidenten über seine Zukunft sprechen sollen. Der Klub sei ihm ohnehin zu provinziell gewesen. „FC Fasching“ spottet Pinter über seinen Ex-Verein und legt auch gleich seine Zukunftspläne vor: „Ich will irgendeinen Klub […] kaufen, alle rauschmeißen und als Präsident, Manager und Cheftrainer in Personalunion den Verein ganz nach oben bringen.“ Adi traut sich einfach alles zu.
Die „Kleine Zeitung“ fragt den Steirer, ob das Kapitel Pinter und Fußball mit dem unrühmlichen Abgang in Oberösterreich nun beendet sei. Der Grazer verneint, aber:
„Wer Pinter holt, muss wissen, dass auch Pinter drin ist.“
Und tatsächlich landet Adi im Frühling 2012 in Leoben. Der Exzentriker soll als Vizepräsident und sportlicher Leiter der „Stahlfußballer“ tätig werden und verspricht einen neuen Erfolgstrainer zu holen. Ein „Trainer aus Deutschland mit einer Wahnsinns-Erfolgsbilanz“ soll im Sommer 2012 geholt werden um Teil eines Drei-Jahres-Planes zu sein, der den Aufstieg in die Bundesliga vorsieht.
In Leobens Präsident Heinemann scheint Pinter endlich einen, in seinen Augen kompetenten Fachmann, gefunden zu haben: „Es war nicht leicht, einen Präsidenten zu finden, mit dem ich auf intellektuellem Niveau Pingpong spielen kann.“
Gehirngerechtes, individuelles, kollektives Reparatur-Training soll die letzten Kräfte der steirischen Kicker wecken. GIKORT heißt das Trainingsprogramm, das Adi in die VOEST-Stadt mitbringt.
Doch die Rechnung geht nicht auf, im Mai 2012 ist Pinter wieder Geschichte. Still und leise verabschiedete sich der Tausendsassa „mit traurigem Herzen, weil ich nicht helfen konnte.“ Mit fehlenden Sponsoren stand der Verein finanziell vor dem Nichts.
Pinter, der behauptet ein täglicher Waldlauf schüre seine inneren Kräfte, polarisiert. Immer wieder behauptet er, ein wahrer Fachmann zu sein und rückt andere gerne in ein schlechtes Licht: „Ich hab‘ eigentlich keine Lust mich mit Menschen, die sich im intellektuellen Unterholz befinden, wie Herr Schachner, zu unterhalten.“ Da überrascht es, dass Pinter meint:
„Ich glaube an das Gute und bin überzeugt, ein anständiger Mensch zu sein.“
Adi hat mehrere Studien begonnen (Medizin, Kunstwissenschaften und Psychologie), eines hat er abgeschlossen (Sportwissenschaften an der Sporthochschule in Köln). Adi malt (und zeigt seine Bilder in New York, Graz, München, Los Angeles und Miami), Adi singt, spielt (im Fernsehen, im Kino und auf der Bühne), ist Stuntman und führt Regie. Adi schreibt Bücher, kandidiert für den Grazer Gemeinderat und motiviert andere Leute. Adi kann vielleicht nicht auf den Mond fliegen, er würde es sich aber eventuell zutrauen. Schließlich zählt er zu den „2 Prozent Genies“ und nicht zu den „98 Prozent Naturdeppen“, die es nach seiner Aussage auf der Welt gäbe. Selbstüberschätzung werfen ihm einige vor, ein Ordner quittiert diese in den 80er-Jahren mit einem Kopfstoß. Adi wird von dem Pensionisten bei einem GAK-Spiel K.O. geschlagen.
2007 versuchte sich der Happel-Vertraute als Coach der Fürstenfeld-Basketballer, seine Motivationskünste tragen auch hier Früchte.
Fußballerisch hat er eine klare Meinung: „Eine halbe Milliarde wurde ausgegeben und wir sind im Niemandsland gelandet. Und der „Gigi“ Ludwig (Anmerkung: Alfred Ludwig, Generaldirektor (CEO) des Österreichischen Fußball-Bundes) hat 20 Kilo zugenommen.“
Schon lange plädiert der Grazer für eine Ausländerbeschränkung, außerdem wünscht er sich ein „Halbprofitum“, „die Spieler sollen vormittags arbeiten und nachmittags trainieren.“ Besonders die österreichische Mentalität nervt ihn, es gäbe zu viele „Owezahrer“ in den Mannschaften. Er selbst habe diese Einstellung im Ausland einst ablegen können. Ob Pinter auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber ist, steht in den Sternen. Derweilen gibt er in Weismain/Bayern Coaching-Seminare.
Unterhaltungswert besitzt Pinter definitiv. Seine Aussagen sind wohl nicht immer ernst zu nehmen, ändern wird er sich aber nicht mehr. „Ich habe viele Menschen kennengelernt, die auf einem Gebiet sogar extrem gut waren – aber mir ist noch keiner begegnet, der so facettenreich war wie Adi Pinter.“, sagte Johnny Cash über den Grazer. Vielleicht gehört Pinter ja doch zu den „Naturdeppen“, hat aber erkannt, dass Neugier und Fleiß Talent und Veranlagung alt aussehen lassen können. Pinter traut sich vieles zu und versucht das auch zu vermitteln. „Seine erste große Liebe“, den GAK, hat er damit schon einmal erfolgreich betreut. Am GAK-Platz kennt man den „Steirer-Buam“ bis heute.
Der abseits.at – Platzheld-Check:
Name: Adi (eigentlich: Adolf) Pinter
Alter: 65
Position: Trainer
Dienstzeit beim Verein: Jugend; Trainer/Manager: 1987-1988 und 1989
Spiele: 38
Unvergessener Moment? Zwar war die Kulisse bescheiden, jedoch verfehlte die Entkleidungsshow im November 2011 nicht ihre Wirkung. „Ich bin mit meinem Heimatverein GAK für immer und ewig verheiratet.“, sagt Pinter. Dass sein damaliger Arbeitgeber die Aktion als unangemessen wertete, wies der Exzentriker zurück: „Das war doch mit dem Geschäftsführer von Pasching abgesprochen. Der Büroleiter hat mir das Logo raufgemalt, Pasching hat sogar den Druck für ein Leiberl mit dem GAK-Logo gezahlt.“
Darum lieben ihn die Fans: Pinter ist verrückt, aber eben ein verrückter „Roter“. Er brachte ein neues Auftreten nach Graz, impfte Spielern und Fans Selbstbewusstsein ein. Sportlich und marketingtechnisch ging seine Rechnung rasch auf. Dennoch war seine Zeit in Graz zu kurz, um als Kultfigur zu gelten, hätte sich Adi länger behaupten müssen.
Darum liebt ihn der Verein: 1987 bewahrt Pinter seinen Lieblingsverein vor dem Abstieg. Dank des Motivationskünstlers bleibt der Grazer Traditionsklub in der ersten Liga und kann auch im nächsten Jahr überraschend weit vorne mitspielen. Es folgt jedoch der Einbruch und Pinter wird im Winter 1989 gefeuert, der GAK steigt im Sommer 1990 ab. Der Grazer hat also bei „seinem“ Verein keine erfolgreiche Ära eingeläutet, sondern lediglich eine Flamme kurzzeitig am Leben erhalten.
Blumenspende oder Denkmal? In den Achtzigern wurde Pinter zur Kultfigur, zum „Hexer von der Körösistraße“. Zwischen stereotypen Trainerfiguren war Pinter ein spannender Tabubruch, er bereicherte die Liga mit seinen markigen Sprüchen. Viele mögen ihn als arrogant bezeichnen, für andere war er einfach selbstbewusst. Da seine Zeit auf der Grazer Trainerbank allerdings titellos und kurzlebig war, ist Pinter heute nur noch Fans aus den 80ern ein Begriff. Bei aller Liebe wird es wohl nicht zu einem Denkmal reichen, allerdings gibt es den GAK nach seinem vierten Konkursantrag sowieso nicht mehr. Sein „Nachfolgeklub“, der Grazer AC, hat derzeit andere Sorgen, als Verdienstvollen Denkmäler zu bauen.
Fazit: * von ****** in der Platzheld-Wertung.
Marie Samstag, abseits.at
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Marie Samstag
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