„Pura vida, mae!“ – 2002 ließ sich Südkorea von der einheimischen Kulisse bis ins Viertelfinale tragen, 2006 drang überraschenderweise die Ukraine unter die besten acht Teams vor, 2010 erreichten die Ghanesen mehr als man ihnen zugetraut hätte. Heuer ist Costa Rica DAS Überraschungsteam der Weltmeisterschaft. Die vierte Teilnahme an einer WM-Endrunde ist für die Mannschaft von Jorge Luis Pinto auch die bisher Erfolgreichste. Dieser Erfolg wurde ohne klingende Namen, die bei den besten Vereinen der Welt unter Vertrag stehen, realisiert: Campbell und Co. spielen bei Olympiakos Piräus, dem FC Brügge, Mainz 05 oder Levante. Angesichts dieser Voraussetzungen waren sich Experten und Fans bald einig, dass „Los Ticos“ in ihrer Gruppe die krassen Außenseiter sein würden. Ein schmales Pünktchen traute man den Lateinamerikanern gerade einmal zu. Heute wissen wir, dass Pintos Jungs alle Ex-Weltmeister der Gruppe D hinter sich gelassen haben: Uruguay, Italien und England. In einem dramatischen Achtelfinale haben sie sich nun auch gegen Griechenland durchgesetzt.
Taktik und Kampfgeist
Bryan Ruiz und Joel Campbell stachen in den bisherigen Partien bisher besonders heraus. Der allergrößte Trumpf der „Ticos“ sitzt allerdings auf der Bank und ist ein kolumbianischer Dreikäsehoch namens Jorge Luis Pinto. Auf seinen 1 Meter 65 Zentimetern-Körpergröße verteilt sich die Erfahrung von 19 Trainerstationen in Peru, Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Costa Rica. Pinto beherrscht jegliche taktische Finesse und weiß, dass er auf ein funktionierendes Kollektiv bauen muss. „Unsere Taktik mit einer stabilen Defensive scheint die Gegner zu überraschen.“, sagte der Kolumbianer noch vor dem letzten Gruppenspiel gegen England. Pinto ist aber nicht nur ein ausgefuchster Tüftler sondern auch ein kleines „Häferl“: 2006 musste er sechs Spiele lang pausieren, da er sich mit dem gegnerischen Coach geprügelt hatte. Schützend stellt er sich immer wieder vor seine Mannschaft, die mit einem Marktwert von knappen 30 Millionen zu den Leichtgewichten unter den Fußballnationen zählt.
Gestern fand eine zunächst mäßige Partie statt, wobei die Griechen anfangs die besseren Chancen vorfanden. Dies ist aber eher ein Euphemismus für eine langweilige erste Halbzeit, die den Zuschauern kritische Pfeifkonzerte entlockte.
Abwartend lauerten die „Ticos“ auf ihre Chance, die kurz nach dem Beginn der zweiten 45 Minuten kam: Ruiz nützte sie in der 52. Minute zum 1:0. Trotz einer gelb-roten Karte für Duarte schienen Pintos Mannen „durch“ zu sein, ehe Sokratis in der 91. Minute doch noch den Ausgleich erzielte. Zuvor konnte Hellas keine seiner zahlreichen Möglichkeiten nutzen, „Los Ticos“ war das Glück des Tüchtigen hold.
Die Partie wurde in der Verlängerung zu einem Nervenkrimi: Die Griechen vergaben in der letzten Minute der Verlängerung den Matchball, auf Seiten Costa Ricas war noch in der regulären Spielzeit ein Elfmeterpfiff ausgeblieben. Danach gab es die übliche psychologische Probe beim Elferschießen– mit dem Unterschied, dass nur ein Grieche scheiterte: Gekas Strafstoß war brauchbar geschossen, doch Navas lag – oder sprang vielmehr – goldrichtig. Es war nicht Navas einzige Parade an diesem Abend – der Goalie hielt seine „Ticos“ im Spiel und rettet letztendlich den Einzug ins Viertelfinale.
Georg Ludwig, übernehmen Sie?!
Costa Rica – der Zwergenstaat mit 4,6 Millionen Einwohnern ist nun im Fußballfieber. Ansonsten muss sich der Ballester-Freund aus Costa Rica nur zwischen CD Saprissa und Liga Deportiva Alajuelense entscheiden, die so etwas wie Rapid und Austria in der ehemaligen spanischen Kolonie sind. In diesem Sommer sind die fußballverrückten Zentralamerikaner aber durch den Erfolg der Nationalmannschaft geeint. Auch die einheimischen Brasilianer drücken den „Ticos“ (noch) die Daumen – solidarische „Bruderliebe“ mit der kleinen Republik sozusagen. Nun fragt sich der österreichische Fan, warum ein so kleines Land so erfolgreich ist? Gibt es keinen Georg Ludwig Male (Jorge Luis Pinto), der das ÖFB-Team „nach oben“ coachen kann? Oder hatten die Lateinamerikaner nur Glück: Relativ einfache Qualifikation – Gute Taktik in der Gruppe gegen kränkelnde/unterschätzende Ex-Weltmeister – Zerreißen bis zum Geht-nicht-mehr?
Bosnien und Herzegowina verfügen über etwas weniger Einwohner als Costa Rica, auch sie waren bei dieser Endrunde „zu Besuch“. Die Schweiz ist mit Österreich vergleichbar und bei der dritten WM in Folge dabei. Diese drei Teams machen richtig, was man als „kleine Nation“ richtig machen kann. Das ÖFB-Team befindet sich leider immer noch auf der dunklen Seite des Mondes, auch wenn in der Amtszeit von Marcel Koller einige Fortschritte zu sehen waren.
Pinto lässt seine Jungs vorsichtig-defensiv, aber nicht „zerstörerisch“ auflaufen – die einzige Chance nicht „gefressen“ zu werden. Zwei Sechser hindern die „Ticos“ aber nicht daran, sich, achtsam aber doch, nach vorne zu orientieren. Dass die Qualität für ganz oben nicht reichen wird – ist unumstritten. Costa Rica rennt bestimmt schon am „Zahnfleisch“ – aber sie rennen. Der Lauf, in den sich die Zentralamerikaner hineingespielt haben, ist jetzt ihr wichtigstes Ass im Ärmel.
Marie Samstag, abseits.at
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Marie Samstag
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