Kommentar | Auswirkungen und Einflüsse der bulgarischen Urgewalt
Fußball in ÖsterreichKommentar 14.Februar.2016 Daniel Walter 1
Es war ein komischer Tag. Man wälzt sich gemütlich aus dem Bett, freut sich über die wärmenden Sonnenstrahlen und befindet sich mitten in der individuellen Vorbereitung für das anstehende Derby. Ein routinemäßiger Check am Smartphone, was man denn so während der Schlafphase verpasst hat und da steht diese unerwartete und sehr betroffen machende Nachricht: Trifon Ivanov ist verstorben. Diese Zeilen lösen einen ungeahnten Trigger aus und rufen sämtliche großartige Szenen des kompromisslosen Verteidigers ab und werfen natürlich die Frage auf, wieso diese Nachricht einen so mitnimmt.
Ein Held der letzten Weltmeisterschaft landet in Wien
Trifon Ivanov heuerte im Sommer 1995 beim Rekordmeister an. Soeben wurden man bis heute zum letzten Mal Cupsieger und der seiner Zeit vorausblickende Trainer Ernst Dokupil wollte unbedingt einen neuen Verteidiger an Bord holen. Obwohl der Bulgare eine sensationelle Weltmeisterschaft 1994 gespielt hatte, stand er nicht sonderlich hoch im Kurs. In der Vergangenheit oftmals von seinen Klubs wegen Undiszipliniertheiten gefeuert, vertraute Dokupil auf Ivanov und war sich in seiner unbekümmerten Art sicher, das enfant terible zur Räson zu bringen.
Da war er also, ein grimmig drein blickender, ja sogar furcht einflößender Bulgare stand auf einmal am Trainingsgelände und verfügte maximal über minimale Kommunikationsmöglichkeiten. Sein zukünftiger Partner in der Verteidigung, Peter Schöttel, sagte einmal über ihn: „Er hat immer Ho Ho geschrien. Ho kann links und kann aber auch rechts bedeuten“.
Dokupil galt als großer Förderer und als ein Trainer, der mit schwierigen Charakteren umzugehen wusste. Über Ivanov ist folgende Wortspende dokumentiert: „Ich habe Trifon gesagt, mach’s oder mach’s nicht. Und er hat’s gemacht oder auch nicht“.
Dieses Vertrauen und den Freiraum für seine Eigenheiten zahlte der Bulgare mit unglaublich starken Leistungen zurück und in seinen zwei Jahren beim Rekordmeister erreichte er einen Meistertitel, stieß bis in das Europacupfinale der Cupsieger vor und durfte sich auf der größten aller internationalen Bühnen – in der Champions League beweisen.
Die größten Triumphe und Ivanov immer mittendrin
Als wäre das nicht schon außergewöhnlich, konnte die Nummer Vier in jedem dieser Bewerbe und bis heute Gänsehaut bereitenden Momente als Verteidiger durch Offensivaktionen glänzen.
Im entscheidenden Meisterschaftsspiel gegen Sturm Graz wagte er vor 50.000 Fans einen direkten Torversuch aus über 60 Metern. Sturm-Goalie Gil konnte diesen überragenden Versuch nur mit allergrößter Mühe bändigen.
Im legendären Rückspiel gegen Sporting Lissabon sorgte sein unbändiger Wille und seine Durchschlagskraft vor dem Tor zum entscheidenden Assist und dem 2:0 in der Nachspielzeit durch Christian Stumpf, wodurch das Hinspielergebnis egalisiert wurde. Diese Szenen mitsamt dem jubelnden Ivanov, der sich nicht an der Menschentraube um Stumpf beteiligt und vollkommen außer sich zu den Fans läuft habe ich mittlerweile hunderte Male erlebt.
Selbst im folgenden Europacupfinale brannten sich die Bilder aus der Schlussphase ein, als er im Strafraum des Gegners sein möglichstes versuchte, um den Rückstand gegen Paris St. Germain doch noch auszugleichen.
In der darauf folgenden Saison erzielte der bulgarische Bär im Rückspiel gegen Dinamo Kiew zwei Tore und hatte somit maßgeblichen Anteil am viel umjubelten ersten Einzug Rapids in die Champions League.
Es war eine außergewöhnliche Zeit und ein absoluter Höhepunkt in der Rapid-Historie und Trifon Ivanov hat einen entscheidenden Beitrag zu diesen Erfolgen geleistet.
Doch auch mit kuriosen Aktionen brannte er sich tief in das Gedächtnis der Rapid-Fans ein. Im Meisterschaftsspiel gegen Ried musste er den gerade des Platzes verwiesenen Michael Konsel im Tor vertreten und in einem Heimspiel gegen den FC Linz war er ganz offensichtlich nicht unbedingt einer Meinung mit dem Gegenspieler und streckte diesen bei einem offensiven Eckball mit einem so entschlossenen wie wirkungsvollen Haken zu Boden. Er machte sich nicht einmal die Mühe, diesen Ausbruch auch nur irgendwie zu verheimlichen und wurde selbstverständlich prompt des Platzes verwiesen. Zusätzlich durfte er weitere acht Spiele von der Tribüne aus verfolgen.
Die Bedeutung von Ivanov und wieso wir diesen Verlust zu betrauern
Ein echter Typ, wie es sie heute nicht mehr gibt ist also an diesem 13. Februar von uns gegangen. Doch wieso löst dieser Verlust so eine große Anteilnahme und Reaktion aus? An dieser Stelle kann ich nur auf meine persönlichen Erfahrungen verweisen, die wie folgt lauten.
Trifon Ivanov war eine skurrile Erscheinung und durch all seine Aktionen avancierte er innerhalb kürzester Zeit zum Kultspieler. Er hat sich für sein Team zerrissen, verfügte über unheimliches Potential und hat sich stets in den Dienst der Mannschaft gespielt.
Meine Generation, die Rapid-Fans um die 30, erlebte gerade ihre erste Phase als Rapid-Fan eine Mannschaft die wie Phoenix aus der Asche stieg und ganz plötzlich Fußballeuropa eroberte. Teilweise bedeuten die damaligen Erfolge Rekorde für die Ewigkeit, die wir wahrscheinlich alle nicht mehr erleben werden. Diese Mannschaft hat sich in unser Gedächtnis gebrannt und uns heranwachsenden Knirpsen ein wahres Feuerwerk an Emotionen und Erfolgen beschert. Mit Bildern, die immer wieder vor unserem geistigen Auge ablaufen und auch heute noch durchaus im Stande sind, Gänsehaut auszulösen.
Nun passiert es dieser Generation zum ersten Mal, dass einer dieser Helden aus unserer Kindheit nicht mehr unter uns weilt.
Ich habe heute tatsächlich Tränen verdrückt und bin ehrlich gerührt und überrascht ob der Intensität dieses Verlustes.
Hier kann man den Bogen zu Rapid im Allgemeinen spannen. (Heranwachsende) Fans schauen zu ihren Stars auf und so tiefe Emotionen und Freude binden uns ein Leben lang an unseren Verein. Manche haben eine nicht gerade glückliche Kindheit verbracht und Rapid war eines der wenigen Dinge, über die man sich unausgelassen freuen konnte und hatte ungewohnten Zugriff auf Emotionen, die einem niemand nehmen konnte. Eine unglaubliche Macht und Zuversicht, gestärkt durch die wirklich herausragenden Erfolge zu jener Zeit.
Und dies ist letztendlich eine der schönsten Erkenntnisse. In vielen Kinderzimmern fiebern heranwachsende Menschen, wenn es sein muss auch auf kreativen Wegen, weil man eigentlich nicht schauen darf, mit Rapid mit und freuen sich über Erfolge. Genau daran sollen die heutigen Akteure denken, wenn sie die (inter)nationalen Fußballplätze betreten. Ihre Leistung, ihre Motivation und Durchschlagskraft wirkt sich auf das Leben vieler Personen aus, die sie wahrscheinlich nie treffen werden und kann Berge versetzen.
Ich wünsche mir, dass sich die Spieler ihrer Verantwortung oder viel mehr ihrer Strahlkraft bewusst werden und damit am besten gleich im heutigen Derby anfangen. Schenkt euren Fans und den Kids, die gerade erst am Anfang ihrer Rapid-Fankarriere stehen und die ihr vielleicht nie kennenlernen werdet, Freude und positive Emotionen, die im alltäglichen Leben möglicherweise vernachlässigt werden und sorgt dafür, dass ihr – hoffentlich erst in vielen Jahren – eine ähnliche Nachricht wie wir sie heute über Trifon Ivanov lesen mussten mit ähnlicher Betroffenheit und Dankbarkeit für die schönen Momente, die ihr wildfremden Personen beschert habt, aufgenommen wird.
Ich habe mit Rapid in diesen knapp zwei Jahrzehnten schon viele Emotionen erlebt, doch diese ist mir neu. Die Nachricht über das Ableben einer Person, der ich nie persönlich begegnet bin, rührt mich zu Tränen. Danke Trifon Ivanov, deine Eindrücke und dein Einsatz für Rapid Wien werden bis ins hohe Alter vor unserem geistigen Auge ablaufen und du wirst immer ein Teil unserer herausragenden Kindheitserinnerungen sein. Machs gut und sicher dir mindestens für heute einen Platz in der ersten Reihe.
(Daniel Walter)
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