Mehrere Talentproben: Rapids „Hybrid-U19“ holt dritten Platz in Sindelfingen
Nachwuchs 9.Januar.2017 Daniel Mandl 1
Im Jahr 2016 entschied eine Hybridmannschaft des SK Rapid, bestehend aus Kickern der U18 und der Amateure, zusammengefasst als de facto nicht existente U19, den Mercedes-Benz Junior Cup im deutschen Sindelfingen für sich. 2017 traten die Hütteldorfer als Titelverteidiger an und verkauften sich erneut teuer.
Der Nachwuchs soll beim SK Rapid in den nächsten Jahren, vor allem aufgrund der Verpflichtung des neuen Sportchefs Fredy Bickel, ein noch größeres Thema werden als bisher. Neben dem einen oder anderen Klasselegionär soll man im Westen Wiens künftig noch mehr Eigenbauspieler sehen. Da trifft sich eine Talentschau im Glaspalast zu Sindelfingen natürlich gut.
Jüngeres Aufgebot
Die Grün-Weißen nahmen zehn Feldspieler und zwei Torhüter mit nach Baden-Württemberg. Im Vergleich zum Vorjahr wurde das Aufgebot noch einmal verjüngt, herausfordernd war aber speziell der Wegfall von Stützen wie Ljubicic, Gashi oder Orascanin, die letztes Jahr Abgebrühtheit und auch Physis in die Reihen Rapids brachten. Die „Gestandenen“ wurden heuer durch blutjunge Spieler wie Strunz, Wunsch oder Jenciragic ersetzt. Völlig unbeschriebene Blätter, auch für den geneigten Rapid-Fan.
Jung-Rapidler präsentieren sich clever
Aber Rapid wusste auf Anhieb zu überzeugen. Und zwar mit Tugenden, die zur praktischen Spielphilosophie des Vereins zählen, etwa hoher Ballsicherheit. Rapid war vielleicht nicht das qualitativ beste Team des Turniers, wohl aber das cleverste. Durch den enorm tiefen Spielaufbau, der von zwei Feldspielern und dem Torhüter getragen wurde, machte man gleich drei Offensivspieler, die sich vor dem gegnerischen Tor bewegen sollten, zu direkten Zielspielern. Keine orgasmusaufreibenden Doppelpassstafetten waren die Devise, sondern das einfache Kreieren von klaren Chancen, mit Hilfe von Mittelfeldüberbrückung.
Mehr Hauruck als Zauber
Das war natürlich nicht immer schön anzusehen und da und dort sah es sogar blöd aus, wenn der erste Pass nicht passte, aber die Zeiten des Stadthallen-Bandenzaubers der 70er und 80er sind nun mal vorbei – und waren ohnehin eher dem Lokalrivalen vorbehalten. Auch andere Mannschaften nutzten immer wieder einen hoch aufrückenden Torhüter als erste Instanz im Spielaufbau. Begonnen hat damit die U19 der TSG 1899 Hoffenheim – die am Ende auch das Turnier gewann.
Reife Leistung gegen Leicester
Rapid startete mit zwei Zu-Null-Siegen gegen die U19-Auswahl Südkoreas (3:0) und den VfB Stuttgart (2:0). Erst im dritten Gruppenspiel gegen Hoffenheim, als man bereits als Gruppensieger feststand, gab’s eine 0:1-Niederlage und damit das erste Gegentor im Turnier. In der eingezogenen Zwischenrunde warteten Leicester City und RB Leipzig, wobei gerade der 4:3-Sieg gegen die U19 des englischen Meisters eine interessante Erfahrung darstellte. Der Gegner war körperlich deutlich überlegen, führte vier Minuten vor Schluss (ein Spiel dauerte 2 x 9 Minuten) mit 3:2. Nicht nur, dass Rapid das Spiel quasi in der „relativen Rapid-Viertelstunde“ noch drehte, schaffte man es, dem physisch starken Gegner aus dem Weg zu gehen, Zweikämpfe zu vermeiden und ihn so mit Cleverness auszuspielen.
0:3 als es um nichts mehr ging
Das zweite und letzte Spiel der Gruppenphase gegen RB Leipzig war die erste Partie der Akagündüz-Truppe am Samstag. Für Rapid ging es um nichts mehr, der Gruppensieg war neuerlich fix und einmal mehr scheiterte das Team in einer Partie, in der es um nichts mehr ging. Am Ende hieß es 3:0 für Leipzig und der Tagesauftakt war verpatzt.
Bittere Halbfinalschlappe
Dies erwies sich leider als schlechtes Omen für das Halbfinale, wo Rapid dem VfB Stuttgart mit 2:4 unterlag. Die Stuttgarter hatten das „Heimturnier“ schwach bis unglücklich begonnen, steigerten sich aber sukzessive und so kam auch das Glück zurück. Der Knackpunkt im Halbfinale war eine vergebene Großchance durch Kelvin Arase und ein kurioser Konter (ein zuvor mit einer Zeitstrafe bedachter Spieler der Stuttgarter durfte wieder rein und lief mit seiner ersten Aktion alleine auf das Rapid-Tor zu), der zum 3:0 für den VfB führte und die Moral Rapids für gut zehn Minuten kippen ließ. Erst als es schon zu spät war, drückte Rapid noch einmal auf die Tube. Am Ende stand jedoch doch nur das Spiel um Platz 3 gegen RB Leipzig, statt einer Neuauflage des letztjährigen Finales gegen Hoffenheim.
Mit den letzten Reserven zum dritten Platz
Gegen Leipzig brachten der junge Oliver Strunz und ein Penalty-Doppelpack von Kelvin Arase die Rapidler auf die Siegerstraße. Am Ende hieß es nach einem harten Kampf 3:2 für Rapid, was den dritten Platz bedeutete. Nicht nur angesichts der jungen Mannschaft, sondern auch der Umstände, ist dieser dritte Platz ein großer Erfolg: Defensivchef und Kapitän Attila Szalai musste zwei Spiele vor Schluss wegen einer Wadenverhärtung Schluss machen, später verletzten sich auch noch Nando Nöstlinger (Knöchel) und Ivan Leovac (Adduktoren). Das Spiel um Platz 3 bestritt Rapid also nur mit zwei Ersatzspielern.
Arase überzeugt erneut
Der auffälligste Spieler Rapids war erwartungsgemäß Kelvin Arase, der unter Mike Büskens auch schon zu zwei Bundesligaeinsätzen kam. Der 17-Jährige weist ein unglaubliches Laufpensum ab, das vor allem aufgrund des Tempos, das er dabei geht, eindrucksvoll erscheint. Speziell bei Ballrückeroberungen nach vorangegangenen Ballverlusten macht Arase keine Gefangenen und kommt extrem schnell zwischen Gegenspieler und Ball. Mit fünf Toren war er der beste Torschütze Rapids und wurde nach dem ersten Tag des insgesamt ausgeglichenen Turniers ohne große Individualisten, sogar als Kandidat für den „Spieler des Turniers“ gehandelt.
„Sindelfingen-Veteranen“ mit neuerlichen Talentproben
Auch Julian Küssler, letztes Jahr Schützenkönig und Spieler des Turniers, legte eine neuerliche Talentprobe ab, blieb allerdings phasenweise glücklos. Attila Szalai, auch schon letztes Jahr dabei, erwies sich wider Erwarten als guter bzw. weiter verbesserter Hallenspieler. Der ungarische Innenverteidiger mit der gedrungenen Figur wirkt behäbig, ist aber auf den ersten Metern äußerst schnell und weiß seinen Körper gut einzusetzen. So waren Rapids „Sindelfingen-Veteranen“ auch heuer wieder Stützen.
Nachkommende Talente mit ansprechenden Leistungen
Ebenfalls ein gutes Turnier spielte Florian Prirsch, der mit drei Toren überraschte und teilweise die feine Klinge auspackte. Erste Schritte in der Auslage machte auch Nicholas Wunsch, der zeigte, dass man in Zukunft mit ihm rechnen muss. Der 16-Jährige präsentierte sich am Ball reifer und gefährlicher als sein Alterskollege Oliver Strunz. Bei Nando Nöstlinger, dem in Belgien geborenen Enkel der Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger, sieht man in Ansätzen, dass man es mit einem intelligenten, umsichtigen Spieler zu tun hat. Der 18-Jährige bewegte sich gut, allerdings fehlt es trotz ansprechender Körpergröße noch an der nötigen Körperlichkeit. Die Defensivspieler Stefan Pfeifer und Paul Sahanek hatten ebenfalls ihre Momente, blieben aber etwas unauffälliger als ihre Kollegen.
Bärenstarker Maric
Das Duell der Torhüter entschied Petar Maric eindeutig für sich. Der geplante „Einserkeeper“ fischte einige komplizierte Bälle aus den Ecken, wirkte stets sicher. Der jüngere Belmin Jenciragic kam interessanterweise kaum in Situationen sich zu beweisen, strahlte aber am Ball keine Sicherheit aus. Da der Keeper im Allgemeinen die erste Aufbauinstanz bei diesem Turnier war, zählte diese Sicherheit und ein guter erster Vertikalpass mit zum Wichtigsten.
Auch nächstes Jahr mit dabei?
Es versteht sich von selbst, dass ein allgemeiner Reifeprozess bei Rapids U19-Talenten erforderlich ist. Ob sie diesen aber beim Mercedes-Benz Junior Cup 2018 zur Schau stellen dürfen, ist jedoch fraglich. Die Veranstalter haben angesichts der deutschen „Stammgäste“ beim Turnier nur wenige Startplätze frei und rotieren gerne, was die internationalen Gäste betrifft. Außer Rapid sorgten heuer auch der Rosenborg BK, Leicester City und die sehr sympathische Südkorea-Auswahl für internationalen Flair.
Daniel Mandl, abseits.at aus Sindelfingen
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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